Lieblingsbilder :
Erzengel und Muttergottes

Von Michael Hierholzer
Lesezeit: 2 Min.
Mittelrheinischer Meister (tätig um 1330/50), Altenberger Altar, linker Flügel
Die Kirchen waren das Kino des Mittelalters. Altarbilder wurden wohl geschaffen zur Vergegenwärtigung biblischer Erzählungen und Heiligenlegenden.

Aus den Altarbildern des Mittelalters entwickelte sich die moderne Tafelmalerei. Da schien es in der bürgerlichen Epoche nur folgerichtig, in den religiösen Darstellungen aus der Zeit der großen Kathedralen vor allem das Künstlerische zu sehen, sie der Stilkritik zu unterwerfen und so auf eine Stufe mit zeitgenössischen Gemälden zu stellen.

Das Museum war gleichsam der natürliche Ort, um ehedem in Kirchen und Klöstern gezeigte Schätze nicht nur als historische Relikte aufzubewahren, sondern zudem und vor allem als ästhetische Objekte zu würdigen. Seit längerem freilich artikuliert sich immer wieder ein Unbehagen angesichts von Arbeiten, die ihrer ursprünglichen Bestimmung entfremdet, ihres eigentlichen Zusammenhangs beraubt und in mehrere Teile zerstückelt wurden.

Der heiligen Jungfrau geweiht

Der Altenberger Altar, dessen beide Flügel heute im Städel beheimatet sind, gehörte einst zur Ausstattung des Prämonstratenserinnenklosters von Altenberg in der Nähe Wetzlars. Wahrscheinlich handelte es sich um den Hochaltar der Kirche, die, wie bei diesem Orden üblich, der heiligen Jungfrau geweiht war. Es gab noch einen anderen Namenspatron: den Erzengel Michael, da das Kloster auf dem Michaelsberg erbaut worden ist. Der Engelsfürst ist daher auf dem rechten Flügel des Altenberger Altars abgebildet: als Besieger des in Gestalt eines Drachens dargestellten Teufels.

Im Bildfeld darunter ist die heilige Elisabeth von Thüringen zu erkennen, die einem Bettler einen Mantel gibt, während ein Engel über ihr ein identisches Bekleidungsstück reicht. Der unbekannte rheinische Meister erzählt hier von einem Wunder. Umstritten ist, ob die Nonne hinter Elisabeth die Altenberger Magistra Gertrud ist, ihre wie eine Heilige verehrte Tochter. Alle anderen Bildfelder der beiden Flügel, die in sich noch einmal gefaltet werden konnten, sind dem Marienleben gewidmet, wobei auf dem rechten Altarflügel der Tod Mariens und ihre Einsetzung als Himmelskönigin zu sehen sind.

Zum Altar gehörten einst ein Schrein und eine Muttergottesfigur. Seine beiden Teile konnten geschlossen bleiben, ganz oder aber teilweise geöffnet werden, so dass man jeweils nur die beiden äußeren Bildfelder betrachten konnte. Eine Bedeutung für die Liturgie hatten Altarbilder wie diese allerdings nicht. Sie wurden wohl geschaffen für das Selbstverständnis der Ordensschwestern und zur Vergegenwärtigung der sonst nur im – lateinischen – Text vorliegenden biblischen Erzählungen und Heiligenlegenden. Die Kirchen waren das Kino des Mittelalters.

Eine Auswahl von 40 Gemälden in acht Kategorien aus dem Städel-Museum Frankfurt: Im Internet finden Sie unter der Homepage des Städel Museums mehr Informationen und ein Diskussionsforum zu den vorgestellten Werken. Und Sie können sich dort für Ihre Favoriten einsetzen.