Zum Inhalt springen
Fotostrecke

Feinste Uhren: Das Tausendstel vom Millimeter

Foto: Nomos

Luxusuhren aus Glashütte Im Innern des Uhrwerks

Aus der sächsischen Kleinstadt Glashütte kommen Armbanduhren, die so teuer sind wie Dreizimmerwohnungen. Warum nur? Ein Besuch bei den Herstellern.
Von Markus Reiter

Es gibt zwei Hauptstraßen hier, eine spätgotische Stadtkirche und einen kleinen Marktplatz. Und wenn es dunkel wird in Glashütte und spät, dann wird es schwer, noch ein Lokal zu finden, das geöffnet hat. Das Erzgebirgsstädtchen, rund 25 Kilometer südlich von Dresden, hat nur 7000 Einwohner. Der Ort klingt nach einfachem Leben, nach Provinz, nach Genügsamkeit. Doch die Produkte, die aus Glashütte kommen, sind für Leute bestimmt, die alles andere als genügsam sind.

Keine andere Stadt in Deutschland steht so sehr für Luxusuhren wie der kleine Ort im Osten Deutschlands. Hier produzieren Unternehmen wie Nomos, A. Lange & Söhne oder Glashütte Original. Hier wird zum Beispiel die PanoLunar Tourbillon hergestellt. Sie kostet so viel wie eine Dreizimmerwohnung in Essen oder ein Porsche 911 Carrera. 98.000 Euro sind viel Geld für eine Armbanduhr, die letztlich nicht viel mehr leistet, als die Zeit anzuzeigen. Was also macht eine Uhr so teuer?

Ein paar Hundert Meter vom Zentrum entfernt, steht an der Hauptstraße die Zentrale von Glashütte Original. Die Manufaktur stellt, zusammen mit A. Lange und Söhne auf der gegenüberliegenden Straßenseite, einige der teuersten Uhren der Welt her. Das elegante weiße Gebäude mit dem verglasten Vorbau sah im Jahr 1989 noch wie ein Allerwelts-Fabrikgebäude aus. Damals gehörte es zum VEB Glashütter Uhrenbetriebe (GUB). Nach der Wende wurde um- und angebaut.

Nicht alle Mitarbeiter sind gelernte Uhrmacher

Heute erinnert die kühle Architektur an ein Museum für moderne Kunst. Doch statt Kunstwerken entdeckt man hier die Mitarbeiter in ihren blauen Kitteln, die hinter den Scheiben dieser "gläsernen Manufaktur" die Einzelteile der Uhrwerke fertigen, prüfen und Hunderte Einzelteile zusammensetzen. 600 Menschen sind es inzwischen. Nicht alle sind gelernte Uhrmacher. Feinmechaniker, Werkzeugmacher, Porzellanmaler, Augenoptiker, Zahntechniker gehören dazu. Alles Berufe, in denen es manchmal auf den tausendstel Millimeter ankommt.

Zum Beispiel in der Abteilung für Drahterodierung. Hier bedienen eine Handvoll Männer eine feinmechanische Maschine, mit der Federn, Hebel, Wippen und Tourbillonkäfige (Vorrichtungen, die die Ganggenauigkeit der Uhren sichern sollen) gefertigt werden. In einem Becken mit deionisiertem Wasser fließt durch einen haarfeinen Draht eine Spannung von 220 Volt. Die Stromimpulse tragen winzige Metallteilchen ab. Wer genau hinsieht, kann die Funken sprühen sehen. An einem Arbeitstag schaffen die Mitarbeiter gerade einmal 120 sogenannte Schwanenhalsfedern. Man könnte sie auch stanzen. Aber dann würde man die Präzision von fünf tausendstel Millimetern nicht erreichen.

In der Dreherei ein paar Schaufenster weiter spannen Mitarbeiter bis zu drei Meter lange Materialstangen in einen Langdrehautomaten. Aus ihnen entstehen Wellen, Rohre, Stifte, Zahnradrohlinge und Federhäuser - alles winzige Bauteile des Uhrwerks. Einige Schrauben sind kaum größer als ein Sandkorn, ihre Schlitze ein zehntel Millimeter lang. Man kann sie nur mit Lupe und Pinzette in die 0,3 Millimeter großen Gewinde eindrehen. Die ins Auge geklemmte Lupe und die Pinzette gehören zum Arbeitsmaterial fast jeden Mitarbeiters.

Die Luft wird gefiltert

Im Reinraum für die Montage fügen um die 30 Uhrmacherinnen und Uhrmacher, in Kittel und Staubschutz, diese winzigen Teilchen unter der Lupe und dem Mikroskop zusammen. Sie sitzen in mehreren Reihen an ihren Tischen. Die Luft wird gefiltert und so von Schmutzpartikeln gesäubert. Zudem herrscht Überdruck, denn jede Verunreinigung würde die Ganggenauigkeit der Uhr beeinflussen. Drei bis vier Mitarbeiter, viele davon Absolventen der hauseigenen Uhrmacherschule, bilden ein Team aus Spezialisten. Selbst für die einfachen Modelle benötigen sie acht bis zehn Stunden.

Um die noch exklusiveren Modelle, die PanoLunar Tourbillon zum Beispiel oder die Grande Cosmopolite Tourbillon (Preis nur auf Anfrage), kümmert sich im Atelier auf der gegenüberliegenden Seite des Stockwerks jeweils ein einzelner erfahrener Uhrmacher.

Mehrere Wochen lang setzt er die über 460 Einzelteile zu einem Uhrwerk mit vielen Komplikationen zusammen, prüft, reguliert, prüft erneut. Komplikationen nennen Uhrmacher die Sonderfunktionen eines mechanischen Zeitmessers wie Stoppuhr oder Mondphasenanzeige. Diese Präzisionsarbeit ist es, die den Preis für die Uhren in die Höhe treibt.

Die Menschen in Glashütte jedenfalls können sich die Luxusuhren von Firmen wie A. Lange & Söhne, Glashütte Original und Moritz Grossmann eher nicht leisten, wie ein Mitarbeiter des Uhrenmuseums Glashütte erzählt. Dafür dürfen einige Angestellte der Unternehmen oder Einwohner der Stadt die Uhren tragen - entweder um repräsentative Funktionen zu erfüllen oder um die Uhren zu testen. "Einmal die Woche wird bei der Uhr, die ich nutzen darf, die Ganggenauigkeit gemessen", sagt der Museumsmitarbeiter. Er hat eine Uhr der Marke Glashütte Original zur Verfügung gestellt bekommen. Für ihn ist das nichts Ungewöhnliches. "Daran habe ich mich schon gewöhnt." Welches Modell er genau trägt? Das weiß er nicht.

Mehr lesen über