Neu hier? Lies hier über unser Motto gemeinsam statt einsam.
Mitglied werden einloggen




Passwort vergessen?

Der Bau der Berliner Mauer - Feierabend-Mitglieder erinnern sich

Am 13. August jährt sich der Jahrestag des Mauerbaus zum 62. Mal. Wie konnte es damals soweit kommen? Was haben die Menschen damals gefühlt, diejenigen die im Grenzgebiet lebten, die den Bau der Mauer mit ansahen? Feierabend-Mitglieder berichten von ihren Erfahrungen rund um dieses historische Ereignis. Aus Gründen der Diskretion werden alle Artikel ohne Namen veröffentlicht.


Hier findest Du weitergehende interessante Informationen:

Gedenkstätte Berliner Mauer
Gedenkstätte Berlin Hohenschönhausen
Mauerweglauf 2023

"Eine böse Überraschung"

Am 13. August 1961 war ich mit meiner Zwillingsschwester zum Ferienaufenhalt im mecklenburgischen Dargun bei unserer Tante und unserem Onkel. Der Mauerbau hat uns damals fern von der Westberliner Heimat in der DDR überrascht. Die unbeschwerte Ferienstimmung war schlagartig dahin. Wir hatten ziemliche Sorge, wieder nach Hause zu unseren Eltern zu kommen, denn außer Ferien machen bei den Verwandten hatten wir mit der SBZ (sowjetische Besatzungszone) nicht viel am Hut. Mit den vereinten Kräften unserer Eltern und den ostdeutschen Verwandten gelang es doch ein paar Tage später, bis nach Berlin zum S-Bahnhof Friedrichstraße zu kommen, wo wir dann von unseren Eltern in Empfang genommen wurden. Wir waren froh und glücklich, nach Hause zurück kehren zu können, zu Mutti und Papa, unseren Freundinnen und Schulkameraden.

U-Boot Zellengang © Stiftung HSH

"Die ganze Atmosphäre war sehr bedrohlich"

Der 13. August 1961 war ein Sonntag. Meine Eltern und ich saßen in Berlin Moabit beim Frühstück. Um Musik zu hören stellte mein Vater das Radio an. Statt Musik gab es Dauerberichte zur aktuellen Grenzbaumaßnahme der DDR. Mein Vater und ich stiegen auf die Fahrräder und fuhren zum Brandenburger Tor. Wir stellten uns da hin, wo heute die amerikanische Botschaft steht. Vopos bewachten die ausgezogenen Stacheldraht-Rollen. Bauarbeiter hatten bereits die ersten 3-4 Reihen Betonsteine aufeinander gesetzt. Viele Westberliner schimpften und schrien. Sie forderten die Einstellung der Bauarbeiten. Die Bauarbeiter aber verrichteten wortlos und ohne aufzuschauen ihre Arbeit, vielleicht trauen sie sich aber auch nicht wegen der hinter ihnen stehenden bewaffneten Bewacher. So viele Vopos und Volksarmisten hatte ich vorher noch nie gesehen. Offiziere standen in Panzerspähwagen und schauten mit Ferngläsern zu uns herüber. Die ganze Atmosphäre war sehr bedrohlich. Lautsprecherwagen auf beiden Seiten hetzten gegeneinander, Panzer und gepanzerte Fahrzeuge nahmen Aufstellung und demonstrierten offenkundige Einsatzbereitschaft. Schließlich, nach etwa einer Stunde, wurde es meinem Vater zu gefährlich und wir fuhren nach Hause. Daheim hörten wir den ganzen Tag Nachrichten. Wenige Tage später kauften meine Eltern den ersten Fernseher, um auch darüber immer aktuell zu sein. Ein halbes Jahr später verlor ich meinen guten Freund denn seine Eltern zogen aus Angst vor weiteren negativen Entwicklungen nach Stuttgart.

Berliner Mauer in der Sonne © photos.com

"...später wurde unserer Tochter die Berufsausbildung mit Abitur verweigert"

Der 13. August 1961 hat mein gesamtes Leben geprägt. Ich befand mich an diesem Tag mit meinem damaligen Verlobten an der Ostsee, meine Eltern in Berlin-Ost. Sie nutzen die Möglichkeit einer Flucht an diesem Tag, indem sie über den Teltow Kanal nach Berlin_West geschwommen sind. Als ich am 15. August nach Berlin kam, war diese Möglichkeit leider verschlossen. Die anschließende Zeit war für mich der reinste Horror, es kam einer Sippenhaftung gleich. Eins meiner vielen, vielen Erlebnisse war, dass ich einen Zettel an die Wohnungstür heften musste mit dem Hinweis “Tochter ist in der Wohnung verblieben”. Warum? Wohnungen von “Republikflüchtigen” wurden durch sogenannte Rollkommandos aufgebrochen und leergeräumt. Am 21.10.1961 habe ich dann geheiratet und mich mit meinen Eltern an der Grenze verabredet – es war u.a. einer der ersten Tage, an denen man nur noch 200m entfernt an die Grenze durfte. Wir kamen nicht weit und wurden von den Grenzern mit Hunden weggejagt. Es vergingen die Jahre, unsere Kinder wurden geboren, treffen mit meinen Eltern in Bulgarien, Ungarn und der Tschechei (natürlich heimlich) und dann begannen Ende der 70ziger Jahre erneute Schikanen – mein Mann sollte unterschreiben jeglichen Kontakt zu der “Westverwandtschaft” abzubrechen, er tat es nicht und so waren ihm bestimmte Lektüren für seine Arbeit als Entwicklungsingenieur für die Glasfasertechnik nicht mehr zugänglich. Einige Zeit später wurde unserer Tochter die Berufsausbildung mit Abitur verweigert, auch wegen der Westverwandtschaft und zu gleicher Zeit musste sich mein Vater beim Grenzübertritt mehrmals vollkommen entblößen, ich möchte mir Details hierzu ersparen. Das führte dazu, dass ich mit meiner Familie 1981 einen Ausreiseantrag gestellt habe und wir am 30.03.1984 ausreisen durften nach Berlin-West. Der Weg war beschwerlich, wir haben unsere Arbeit sofort verloren, lebten immer in der Angst, dass der Antrag nicht genehmigt und, und, und … die Angst war ja auch nicht unbegründet nach Einsicht in unsere Stasiakte. Wir haben diesen Schritt niemals bereut und er hat uns und unseren Kindern Möglichkeiten eröffnet, die wir in der ehemaligen DDR nicht hatten, aufgrund unserer Verwandtschaft – ich spreche nicht von Geld und Reisen, sondern von Bildungschancen. Soviel zu dem Thema – Wie der 13. August 1961 mein Leben veränderte … die Menschen sollten nicht so leicht vergessen …

Berliner Mauer, Grenze © photos.com

Absprung verpasst?

Wenn ich nur einmal, stellvertretend für meinen Jahrgang (1948) und für die Orte in denen ich gewohnt, diese Zeit Revue passieren lasse, war es gerade der Mauerbau der für mich einen gravierenden Einschnitt bedeutete, aber nun auch zu einem guten Ende geführt hat.
Ich habe in dem inzwischen deutschlandweibekannten Ostberliner Bezirk Prenzlauer Berg, den man meines Wissens aber erst in der Nachwendezeit so liebevoll nannte, gewohnt. Bis zum amerikanischen Sektor waren es gerade mal zu Fuß (womit sonst- selbst ein Fahrrad hatte nicht jeder)gut 5 Minuten. Hier war es der Gleimtunnel, den ich als Junge bis zum 13.Lebensjahre fast täglich durchschritt: auf der eine Seite Osten, auf der anderen Westen.
Da meine Schule, die 7. polytechnische Oberschule Prenzlauer Berg, in der Gleimstraße war, konnte ich in den ersten Schuljahren von 1955 bis 1961, bis zum Mauerbau hin und wieder sogar in der großen Pause in den Westen gehen und dort für 10 Pfennig eine Wundertüte oder ein paar Kaugummis kaufen. Bezahlen konnte man teils auch in Ostgeld zu einem Wechselkurs von rund 1:4 bis 1:5. Für mich war Kreuzberg genauso heimisch wie Prenzlauer Berg. Meine Eltern gingen mit mir z.B. im Winter rodeln im Humboldthain, einem ehemaligen Flakbunker, der mit seinen aufgeschütteten Hügeln hervorragende Abfahrten für den Schlitten bot. An einem Sonntag, im August1961 war dann alles vorbei. Meine Eltern wollten an diesem 13.8.61 eine Wohnung in Westberlin besichtigen. Die politische Situation war prekär, täglich verließen Hunderte den Osten gen Westen. Wir hatten zu spät geplant. Man hat sein Leben dann durchaus gemeistert und sich im Osten eine Existenz aufgebaut, Frau und Kinder „angeschafft“. Kurios war, dass ich innerhalb der allgemeinen Wehrpflicht gerade zu den Grenztruppen eingezogen wurde. Berliner kamen an die so genannte grüne Grenze, d.h. die Grenze zwischen DDR und Bundesrepublik. Hier war ich von 1968 bis 1969 als Hundeführer in Zarrentin im heutigen Mecklenburg Vorpommern eingesetzt. Oft dachte ich den Grenzdienst zu nutzen, um in den Westen zu gehen. Habe mich dann aber immer für meine im Osten lebende Familie entschieden. Hatte nur einen Großcousin in Westberlin, sonst wäre ich ja auch nicht an die Grenze gekommen. 1987 stellte ich einen Ausreiseantrag, der im Oktober 1988 genehmigt wurde. Ich wohne jetzt im Berliner Norden, in Frohnau und gehe mit meinem Hund täglich besagten Todesstreifen entlang, der heute ein 50m breiter Sandstreifen mit inzwischen gut 20 Jahre alten Kiefern ist. Oft erinnere ich mich an die Zeit als hier auf Menschen geschossen wurde.



Dritter Teil: Antifaschistischer Schutzwall oder Gefängnis?

Hier geht es weiter mit den Mitgliederberichten zum schicksalhaften 13. August 1961

Artikel Teilen

 

Artikel bewerten
5 Sterne (7 Bewertungen)

Nutze die Sterne, um eine Bewertung abzugeben:


9 7 Artikel kommentieren
Themen > Leben > Wissen > Der Mauerbau 13.08.1961- Mitglieder erinnern sich