Das unerschütterliche Glück
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Feierabend-Mitglied
29.06.2025, 21:42
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Hans war kein gewöhnlicher Mann. Wo andere das Glück als flüchtiges Geschenk des Schicksals betrachteten, sah er es als eine Beute, die mit eisernem Willen und Disziplin erobert werden musste.
„Glück ist keine Laune des Universums, sondern eine mathematische Gleichung!“, verkündete er stolz und führte eine detaillierte Liste mit Maßnahmen zur Glückserlangung.
Zuerst kaufte er ein Abo für tägliche Motivationstrainings. Dann belegte er ein Seminar mit dem Titel: „Wie man das Universum zur Kooperation zwingt“. Schließlich befolgte er strikte Regeln: Jeden Morgen lächelte er sich zwanzig Minuten lang im Spiegel an, wiederholte Affirmationen und zwang sich zu tief empfundener Dankbarkeit – selbst wenn sein Kaffee mal wieder nach verbranntem Gummi schmeckte.
Doch das Glück blieb stur.
„Kein Problem“, sagte Hans, „dann eben härtere Maßnahmen.“
Er begann, Glücksbringer zu sammeln. Bald sah seine Wohnung aus wie der Lagerraum eines Esoterikladens: Hufeisen, Kleeblätter, Winkekatzen, Buddhas und eine Armee aus Glückszitaten in Neonfarben.
Doch auch das half nichts.
Hans beschloss, das Glück direkt zu konfrontieren. Er marschierte in eine Spielbank, setzte sein gesamtes Erspartes auf die 7 und rief: „Heute ist mein Glückstag!“
Die Kugel landete auf der 22.
„Interessant“, murmelte er, als der Sicherheitsdienst ihn höflich hinausbegleitete. „Vielleicht braucht das Glück eine Pause. Oder es spielt nur schwer erreichbar.“
Er begann, das Glück regelrecht zu stalken: Er las Biografien von Menschen, die glücklich waren, und ahmte sie nach. Er folgte fröhlichen Fremden in der Hoffnung, ihr Geheimnis zu lüften. Einmal wurde er beinahe festgenommen, weil er einen lachenden Rentner im Park fragte: „Wo haben Sie Ihr Glück gekauft?“
Dann, eines Tages, während Hans frustriert an seiner Liste kritzelte, passierte es: Er hörte ein leises Kichern.
Er blickte auf und sah – sich selbst im Spiegel. Lachend. Über den ganzen Irrsinn.
In diesem Moment wurde ihm klar: Das Glück hatte ihn längst gefunden. Es hatte nur darauf gewartet, dass er aufhörte, es mit militärischer Strategie zu jagen.
Und so erlebte Hans seine erste glückliche Erkenntnis – ganz zufällig.
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