"Glück ist ..."
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Feierabend-Mitglied
Samstag 23.11.2024, 17:48
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Glück ist wenn die Brille noch da ist – und - wenn jemand da ist, der dir hilft, sie zu finden.“
Konrad, 72 Jahre alt, sitzt in seinem Lieblingssessel, der inzwischen eine leichte Neigung nach links entwickelt hat, weil das Polster auf der Seite dem Gewicht der Jahre nachgegeben hat. Er schaut aus dem Fenster, sieht die Blätter, die im Wind tanzen, und denkt laut: „Glück… was ist das eigentlich?“
„Ein Zustand des Unwahrscheinlichen“, antwortet seine Nachbarin Frau Bruns, 74, die ohne Einladung und wie immer mit einer Tupperdose voller Kekse hereingeschneit ist.
„Was meinen Sie damit?“ fragt Konrad und nippt an seinem Tee, den er sich, wie er glaubt, "ganz alleine" gemacht hat, bis Frau Bruns ihn darauf hinweist, dass der Wasserkocher seit Wochen kaputt ist und sie immer wieder Wasser von ihrer Küche rüberbringt.
„Na, Glück ist wie… wie wenn der Bus kommt, obwohl man dachte, man hätte den Fahrplan falsch gelesen philosophiert sie, während sie demonstrativ einen Keks zerbricht und dabei eine Wolke aus Krümeln auf Konrads Teppich verteilt.
Konrad denkt nach. War er je wirklich glücklich? Die Hochzeit mit Hannelore war schön, aber das Kotelett, das es beim Empfang gab, war zäh. Der Ruhestand war angenehm, aber seine erste Woche als Rentner endete mit einem Bandscheibenvorfall, weil er meinte, er müsse unbedingt die Hecke schneiden. Und heute? Glück bedeutet, wenn er beim Frühstück endlich die Tablette gegen Bluthochdruck und nicht die für den Cholesterinwert erwischt.
Am nächsten Morgen beschließt Konrad, das Glück zu suchen. Er beginnt mit einem Spaziergang im Park. „Vielleicht ist Glück frische Luft“, murmelt er, bis ihn eine Entenfamilie angreift, weil er mit seinem Brötchen zu nah an den Teich gekommen ist.„ Doch Konrad gibt nicht auf. „Das Glück muss man sich erkämpfen!“ beschließt er. Er wagt sich zu einem Seniorentanzabend. Dort stolpert er über die Handtasche einer Dame, wird von einem älteren Herrn in Cowboyhut angerempelt, und am Ende zieht er sich mit einem lahmen Knie zurück, nachdem eine Tanzpartnerin ihn für einen Franz gehalten hat, der angeblich „schon letztes Jahr so schlecht getanzt hat“.
Nach weiteren erfolglosen Glücksversuchen – darunter ein missglückter Tai-Chi-Kurs im Seniorenclub („Wer hat diese Übungen erfunden? Ein Schlangenmensch?!“) und ein Besuch im neuen Café, wo die Kellnerin ihn mit „Opa“ ansprach – kehrt Konrad frustriert zurück.
Frau Bruns, ihr Vorname ist übrigens Margot, erwartet ihn, diesmal ohne Kekse, dafür mit einem Kartenspiel.
„Weißt du, was Glück wirklich ist?“ fragt sie.
„Erleuchte mich“, seufzt Konrad.
„Dass du jemanden hast, der dir zeigt, dass Glück auch mal Pause macht. Komm, wir spielen Mau-Mau.“
Und während sie spielen und Margot schamlos mogelt, lacht Konrad – erst innerlich, dann laut. Vielleicht ist Glück wirklich kein Zustand, sondern ein Moment. Ein Moment, in dem man merkt, dass der linke Sessel zwar schief ist, aber immer noch bequem. Oder ein Moment, in dem eine Nachbarin die Einsamkeit vertreibt.
Am Abend klingelt sein Telefon. Es ist Margot. Konrad, du suchst doch 'ne Dame. Ich hab 'nen Tipp für dich: Vielleicht einfach mal jemanden nehmen, der schon da ist?“
Konrad lacht. „Margot, wenn du jemand Passenden kennst, bring sie vorbei!“
„Ich steh doch schon hier, du Esel!“ sagt Margot und legt auf.
Eine Woche später sitzen Konrad und Margot zusammen im Park, essen Schokoeis und schweigen. „Weißt du“, beginnt Konrad, „ich dachte immer, das richtige Glück müsste dramatisch sein. So wie im Fernsehen.“
„Ach, Konrad“, sagt Margot mit einem schiefen Grinsen. „Glück ist, wenn man jemanden findet, der denselben schrecklichen Geschmack für Schokoeis teilt.“
Und während die Sonne langsam untergeht, denkt Konrad:“ Manchmal muss man das Glück erkämpfen. Manchmal muss man es erdulden. Aber meistens merkt man gar nicht, dass es schon längst da war – vielleicht mit einem Keks, einem Schokoeis, oder einem schiefen Grinsen.
pour112024