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Regionaltreffen im November 2021
Geschichte der "Todtnauer Bürste ab 1770"
Unser Novembertreff 2021 führte uns in ein sehr schönes, kleines aber interessantes Museum in Todtnau am Fuße des Feldbergs. Genau genommen waren es jedoch drei Räume und Themen, denn Todtnau hat mehr zu bieten als die Erinnerung an einen weltberühmten Haar - Tüftler.
Zuerst möchte ich aber die sechs Rentner/innen erwähnen, die dieses Kleinod im Ehrenamt aufrechterhalten, denn mit Führern, die bezahlt werden müssten, könnte dieses Museum nicht bestehen, trotz einigen großzügigen Sponsoren. Chapeau – die größte Hochachtung allen Beteiligten! Alleine vier von ihnen haben uns ihr Wissen mit viel Begeisterung näher gebracht.
Wir teilten uns in zwei Gruppen mit je sechs Zuhörern auf, so war alles gut zu verstehen und auch die kleinste Winzigkeit zu sehen.
Karl Ludwig Nessler (1872 – 1951), geboren in Todtnau war der Erfinder der Dauerwelle. Als junger Bursche verdingte er sich als Schafhirte, der über einige Umwege die Frisörlehre absolvierte und es schließlich bis zum weltberühmten Millionär brachte. Als Junge beobachtete er, dass bei einigen Schafen sich die Haare kräuselten wenn sie nass wurden und bei anderen nicht. Dies ließ ihn ein Leben lang über Haare forschen.
Der 08. Oktober 1906 gilt als Geburtstag der Dauerwelle; zur damaligen Zeit noch die reinste Tortur - aber Schönheit muss eben leiden! Zu dieser Zeit war Nessler in London wohnhaft. Das notwendige Geld für die Gründung der Firma „Nestlé u. Co“ verdiente er durch eine Erfindung der künstlichen Augenbrauen – und Wimpern, die er sich patentieren ließ.
Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges galt der deutsche Nessler in England als Feind und er floh nach Amerika. Dort setzte er seine Erfolgsgeschichte fort und wurde ein reicher Mann. Sein Heimatstädtchen Todtnau ließ er aber nie aus den Augen und auch nie im Stich, denn er war ein großer Spender und Gönner. Dies war besonders nach dem Krieg willkommen. Auch hat er einige gute Handwerker aus seiner Heimat nach Amerika in seine Firmen geholt, oder er ließ sich von heimischen Handwerkern beliefern.
Wer kennt nicht den Firmennamen „Nestlé“? 1928 verkaufte Nessler seine Patente, Fabriken und Geschäfte und zog sich als Millionär in sein Labor und Haarstudium zurück. Sein Geld, das er in Kupferaktien u.a. anlegte, verlor er am schwarzen Freitag im Oktober 1929 und der nächste Schlag folgte, als Ende 1929 seine Villa und das Labor mit all seinen Lizenzverträgen und Aufzeichnungen ein Raub der Flammen wurden.
Noch viel Interessantes könnte ich über diesen umtriebigen Mann schreiben, aber ich habe ja noch anderes von diesem Nachmittag zu berichten.
„Das Bürstenmuseum“ – ein alltäglicher, unentbehrlicher Helfer „die Bürste“ erlebte in Todtnau im Jahr 1770 die Geburt einer florierenden Bürstenindustrie!
Leodegar Thoma, ein Müllergeselle, musste täglich nach der Arbeit in Vaters Mühle als Jüngster alles säubern. Er kreierte seine erste Bürste, „den Mühlewisch“! Seine Idee setzte er geschäftlich in Arbeitsteilung um, die in der damaligen Zeit neu war und legte so den Grundstein der „Todtnauer Bürstenindustrie“, die bis heute noch Gültigkeit hat.
Der Bürstenmacher Friedrich Busse, der sein Handwerk 65 Jahre lang ausgeübt hat, führte uns durch die Anfangsgeschichte der Bürstenerstellung. Er zeigte uns die verschiedenen Tierhaare mit ihrer Verwendung, vor allem die mühsame Bündelung und Verknotung der Haare und die nach und nach verbesserten Arbeitsbedingungen. Die Bürstenherstellung war ein wichtiges Zubrot für die Bauern im hinteren Wiesental, die auch in Heimarbeit geleistet wurde.
Im dritten Bereich des Museums konnten wir den vielfältigen Tüftlergeist bestaunen, der in und um Todtnau einst geherrscht hat. Alle Maschinen in diesem großen Raum wurden von Todtnauern erfunden und gebaut, und jede von ihnen trug einen großen Schritt zur Arbeitserleichterung in der Bürstenmanufaktur bei. Natürlich läuft heute alles bei der Herstellung jeglicher nur erdenklicher Bürste vollautomatisch ab, aber der Aufbau und die Ideen kamen von den Todtnauer Erfindern und Bastlern.
An der Fensterfront haben sich heutige Firmen in Vitrinen mit ihrer Ware verewigt, die in der Todtnauer Umgebung produzieren und in diesem Tal für Arbeit und Brot sorgen.
Puh – nach insgesamt zwei Stunden Geschichtswissen über alte Handwerksberufe benötigten unsere Köpfe Erholung! Wir fuhren ein paar Kilometer talwärts nach Utzenfeld, in die alte, geschichtsträchtige Gastwirtschaft „Eiche“. Dort ließen wir den Tag bei bestem Essen, Trinken und Gesprächen ausklingen. Großes Bedauern allerseits löste die Nachricht aus, dass dieses gemütliche Lokal genau in vier Tagen, am 1. Advent, zum letzten Mal geöffnet haben wird und dann endgültig schließt – wie schade!
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