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leon

Heute möchte ich euch ein Schicksal ans Herz legen, damit ihr versteht, warum ich mich so für das Kinderhospiz einsetze.
Oft war ich auch auf eure Hilfe angewiesen. Herzlichen Dank dafür. Wer einmal im Kinderhospiz war, wird es nicht so schnell vergessen. Das Schicksal von Leon ist Alltag und die kleinen Menschen haben keine Chance auf ein Leben, so wie andere Kinder, doch sind sie fröhlich und freundlich bis zum letzten Atemzug. Ein Kind loszulassen ist das Schlimmste auch für die Eltern, im Hospiz bekommen sie Halt, Unterstützung und Trost. So auch ich, wenn es mir mal nicht so gut geht, (das kommt auch mal vor). Es ist oft nur die liebevolle Atmosphäre oder ein gutes Wort und schon sieht der Tag nicht mehr so grau aus oder ich habe meine Schmerzen vergessen.

Hanni Franck

teilung

Leons letzte Tage

Eine Abschiedsgeschichte

Im Sommer war Familie Suck im Regenbogenland, um Leons letzte Tage in Würde zu gestalten. Leons Mama hat einen wunderschönen Text geschrieben, der allen Familien in ähnlicher Situation Mut machen soll.

Noch vor kurzem quälte mich die Frage, ob ich alles richtig gemacht habe. Konnte Leon in Würde sterben?
Ja, das konnte er. Aber ohne die Hilfe der Menschen im Regenbogenland wäre es in der Form, wie alles geschah, nicht möglich gewesen.
Überwältigt von der Sehnsucht nach meinem Kind blicke ich zurück...

Es war Ende Juni, als ich im Krankenwagen neben Leon saß und seine Hand hielt. Er lag ganz ruhig auf der Transportliege, die Sauerstoffmaske auf seinem Gesicht. Meine Befürchtung, er würde vor lauter Aufregung wieder einen epileptischen Anfall bekommen, erwies sich als unbegründet. Aufmerksam betrachtete er das Geschehen im Krankenwagen; er machte einen zufriedenen Eindruck, so als wüsste er, wo wir hinfuhren. Ja, hin und wieder lächelte er sogar.
Im Regenbogenland angekommen, wurden wir schon von Frau Maugsch und Herrn Strauß erwartet. War Frau van Dijk auch dabei? Und Hendrik? Ich weiß es nicht mehr. Aber ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass ich den Tränen nahe war vor lauter Erschöpfung und Erleichterung, dass ich mich nun endlich einmal ausruhen durfte. Und ich war sehr berührt, dass man uns so lieb in Empfang genommen hatte. Ich spürte, ich war nicht mehr allein.
Mit dem Aufzug fuhren wir hinunter in den Kinderbereich. Sogleich kam uns Schwester Iyabo entgegen und führte uns in Leons Kinderzimmer. Sie entdeckte eine kleine weiße Feder in Leons Haaren, nahm sie an sich und klebte sie auf ein kleines, blaues Blatt Papier, das sie später an der Wand über Leons Bett befestigte. Sie kümmerte sich sehr liebevoll um Leon, legte ihn in sein Bett und versorgte ihn. Die Sanitäter brachten Leons "kleine Intensivstation" und sein Gepäck zu uns und verabschiedeten sich. Nach und nach stellten sich uns die Krankenschwestern und einige Mitarbeiter vor. Dann trafen auch Leons ältere Brüder Kilian (16 J.), Alexander (14 J.) und Christian (10 J.) im Hospiz ein. Sie wurden von Herrn Tewes, dem Leiter des mobilen Hospizes St. Raffael in Duisburg, nach Düsseldorf gefahren.
Während die großen Jungs unsere Appartements in der 2. Etage in Beschlag nahmen, das Gepäck nach oben brachten und sich ein wenig im Regenbogenland umschauten, führten wir in Leons Zimmer das Aufnahmegespräch. Frau Maugsch sorgte für Getränke und Gebäck.
Ich schilderte Leons Krankheitsbild und entschloss mich dazu, seine gesamte Versorgung den Krankenschwestern zu überlassen. Ich wollte endlich wieder Zeit für meine Kinder haben, sowohl für Leon als auch für seine Geschwister. Und ich wollte mich von den Anstrengungen der letzten Jahre ein wenig erholen. Hier und jetzt war es möglich.
Nach dem Aufnahmegespräch suchte ich mein Appartement auf, das ich gemeinsam mit Christian in der nächsten Zeit bewohnte. Kilian und Alex teilten sich ein weiteres Appartement. Schon beim Betreten unserer Zimmer kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Wie komfortabel und liebevoll sie eingerichtet waren, und eine Terrasse gab es auch! Ich dachte wirklich, wir machen Urlaub im sonnigen Süden.
Wir packten unsere Koffer aus und entdeckten nach dem Verlassen unserer Zimmer die Elternküche auf unserer Etage. "So eine schöne Küche hätte ich auch gern", dachte ich. Hell, licht und freundlich war ihre Atmosphäre. Dann gingen wir wieder hinunter in den Kinderbereich. Leons Gesichtsausdruck verriet Erleichterung, als er mich erblickte. Er war weder aufgeregt noch ängstlich, doch er musste sich erst an die neue Umgebung gewöhnen.
Der anwesenden Krankenschwester erklärte ich Leons Vorlieben und Gewohnheiten und vermittelte ihr die Dosierung seiner Medikamente. Ich beschäftigte mich mit meinem kleinen Schatz und als ich später sein Kinderzimmer verließ, um zu Abend zu essen, legte ich ihm eine seiner Lieblings-CD's auf. Aber er dachte nicht im Geringsten daran, seine Äugelein zu schließen und ein wenig zu schlafen. Er war immer noch wach und aufmerksam, als ich nach dem Abendbrot zu ihm zurückkehrte. Auch Leons Brüder schauten immer wieder nach ihm und er freute sich sehr, wenn er sie sah. Doch nun war es an der Zeit, sie auf ihre Zimmer zu schicken.
Nach dem Übergabegespräch der Krankenschwestern suchte ich Leon wieder auf. Er hatte den ganzen Tag noch nicht geschlafen. Ich dachte darüber nach, ob ich bei ihm übernachten soll. Aber die Nachtschwester versicherte mir, das ich jeder Zeit nach Leon schauen kann und das sie mich anruft, wenn etwas ist. Ich überzeugte mich noch einige Male davon, dass es Leon gut ging, streichelte ihn und sprach mit ihm, bis auch er endlich müde war. Erschöpft von dem anstrengenden und aufregenden Tag ging ich nach oben in unser Appartement...
Noch ein paar Tage vor unserer Ankunft im Hospiz war Leon dem Sterben so nahe. Seine Kinderärztin, die ihn bei einem Hausbesuch untersuchte, bestätigte seinen kritischen Zustand. Immer wieder wurde Leon von Krämpfen heimgesucht. Doch tapfer wie er war, hielt er durch, so als ob er wusste, dass die Vorbereitungen für einen Aufenthalt im Regenbogenland schon in die Wege geleitet waren. Und in den ersten Tagen dort geschah es, dass Leon sich stabilisierte.
Nein, er war noch nicht bereit zu sterben!
Leon schenkte uns noch eine ganze Woche des Beisammenseins.
Es ging ihm so gut, dass er sein Zimmer verlassen konnte.
Einmal brachte Schwester Iyabo ihn auf die große Terrasse und legte ihn auf ein riesiges Lagerungskissen. Ein anderes Mal nahm Schwester Astrid Leon im Rehabuggy mit auf die Terrasse und las ihm eine Geschichte vor. Ein drittes Mal genossen wir gemeinsam die Hollywoodschaukel, was Leon so gut gefiel, daß er beim Schaukeln sogar einschlief. Und nicht zu vergessen: Das Wasserbett im Snoozelraum. Dort kuschelte ich eine ganze Weile mit ihm. Und immer war jemand vom Pflegeteam in der Nähe und stand uns hilfsbereit zur Seite.
Kilian, Alex und Christian kümmerten sich rührend um ihren kleinen Bruder. Es war so schön, ihnen dabei zuzuschauen, wie sie, einer nach dem anderen, sich zu ihm in sein Bett legten, um mit ihm zu schmusen.
Anna, Leons große Schwester besuchte uns auch einige Male mit Jason, meinem Enkel und Leons Neffen und verbrachten liebevolle Momente mit ihm.
Kilian, Alex und Christian waren eine Herausforderung für Frau Kluth und ihr Team, die sie aber hervorragend meisterten. Jeden Tag ein Ausflug (Phantasialand, Kino, Tretboot - Fahren, Schwimmen), und gemeinsames Spielen - auch am Wochenende! - das alles konnte ich meinen Kindern in der Vergangenheit nicht bieten, weil ich ja Leon rund um die Uhr pflegte.
Und weil meine Jungens so wunderbar versorgt wurden, konnte auch ich zur Ruhe kommen und mich erholen, meine Seele baumeln lassen. Ich fühlte mich im Regenbogenland so wohl, daß ich keinen Gedanken daran verschwenden wollte, bald wieder nach Hause fahren zu müssen...
"Schwester Iyabo, Leon hat erbrochen!" rief ich aufgeregt, als sie schon in aller Eile sein Zimmer betrat und nach ihm schaute. Leon sah uns hilflos an, während Iyabo sein Gesicht und die Sauerstoffmaske rasch reinigte. Leons Händchen begannen zu zittern, er verdrehte seine Äugelein, versuchte gegen den bevorstehenden epileptischen Anfall anzukämpfen - und ich verzweifelt ihn zu beruhigen - als auch schon Schwester Astrid zu Hilfe kam. Iyabo und Astrid hatten die kritische Situation souverän im Griff. Sie verabreichten Leon ein krampflösendes Mittel, kontrollierten seine Sättigung und seinen Puls. Nach einer kleinen Ruhephase begann er wieder zu krampfen, und dann wieder.
Doch irgendwann schlief Leon ein...
... und wachte nicht mehr auf. Er war bewusstlos.
Die Krämpfe hatten die Bereiche seines Gehirns geschädigt, die für die Organtätigkeiten zuständig waren. Leon starb am nächsten Tag.
Ich sehe den winzigen, rosafarbenen Blumenstrauß, der am Kopfende seines Bettchens steht und die brennenden Kerzen. Ich sehe, wie Schwester Iyabo Leon wäscht, weil mir die Kraft dazu fehlt. Ich bemerke Frau van Dijk; sie hat auf meine Bitte hin eine weiße Hose gekauft, weil ich nur einen weißen Pullover für Leon besitze und meinen kleinen Schatz so gern ganz in weiß beerdigen möchte. Ich sehe meine Tochter weinend an Leons Bettchen stehen, wie sie ihn streichelt. Ich sehe den wunderschönen Schmetterling, der munter im Kinderbereich des Regenbogenlandes umherfliegt.
Und dann sehe ich mich, wie ich Leon tränenerstickt aus seinem Kinderzimmer hinüber in den Abschiedsraum trage, begleitet von Herrn Strauß, vorbei an allen Mitarbeitern des Regenbogenlandes, die sich aufgereiht haben, um meinem kleinen tapferen Jungen seine Ehre zu erweisen; jeder mit einer brennenden Kerze in der Hand.
Ich beobachte mich dabei, wie ich Leon in das Kühlbett lege, das, später durch ein Dach aus Plexiglas abgedeckt, mich an Schneewittchens Sarg erinnert. Ich höre Herrn Strauß das "Abendgedicht von König Hasenherz" vortragen in Anwesenheit der Krankenschwestern und Mitarbeiter. Und ich sehe, wie alle im Anschluß ihre brennenden Kerzen auf den Bettrand stellen, einer nach dem anderen, um anschließend den Abschiedsraum in aller Stille zu verlassen.
Weil aber das Sterben zum Leben dazugehört, essen wir alle kurze Zeit später gemeinsam zu Mittag.
Es herrscht eine eigenartige, ungewohnte aber schöne und lebendige Atmosphäre. Die Zeit steht still und doch geht alles seinen gewohnten Gang. Heilige Momente entstehen aus dem Nichts, füllen unsere Herzen und Gedanken und jeden Winkel des Regenbogenlandes.
Sieben Farben hat der Regenbogen und sieben Tage bleiben uns Hinterbliebenen, um uns in aller Ruhe und in Liebe von Leon zu verabschieden. Wir nutzen die Zeit, um einige Abschiedsgeschenke für Leon zu gestalten, mit denen wir all' unsere Liebe und letzte Fürsorge für ihn zum Ausdruck bringen. Und wir bemalen seinen Sarg, der ihm als letzte Ruhestätte dient.
Unabwendbar steht uns der Tag bevor, an dem wir uns auch von Leons sterblicher Hülle verabschieden müssen.
Ich sehe die Bilder klar vor mir, meine Kinder... Hendrik... Herrn Strauß... den geschmückten Sarg und Leon, vor allen Dingen Leon, mein Kind, das ich jetzt zum letzten Mal in meinen Armen halte...
Die Gedanken und Gefühle, die nun aufkommen, möchte ich für mich behalten. Sie gehören Leon und mir ganz allein.

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