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Die Synagoge im Innenhafen von Duisburg


Unsere Feierabendgruppe traf sich am 23.02.2010 um 18:00Uhr vor dem Eingang der Synagoge um etwas über die Gemeinde zu erfahren.
Ich war etwas früher vor Ort, weil ich noch Außenaufnahmen anfertigen wollte. Mir fiel in der unmittelbaren Nähe vom Eingang der Synagoge ein ständig präsenter Polizei-Einsatzwagen auf. Später erfuhr die Gruppe, dass hier eine 24Std. rund um die Uhr Bewachung seit dem 11.September 2001 stattfindet. Während unserer Besichtigung schauten die Beamten durch die Fenster in den beleuchteten Innenraum, ob auch alles in Ordnung war.
Nach einer kurzen Begrüßung wurden wir durch einen Vorraum in den Gebetsraum der Synagoge geführt. Alle anwesenden Männer wurden gebeten sich eine Kopfbedeckung aus einem bereit stehenden Regal zu nehmen, falls sie keine eigene Mütze oder einen Hut bei sich hatten.
Die Synagoge ist ein sehr moderner Bau und wurde nach den Plänen des Architekten Zvi Hecker erbaut. Es fand seinerzeit ein Architektenwettbewerb statt, Herr Hecker bekam den Zuschlag. Nach einer zwei jährigen Bauzeit wurde die Synagoge am 21.Februar 1999 feierlich eingeweiht. Die Städte Duisburg, Mülheim/Ruhr und Oberhausen – das Land NRW und die Jüdische Gemeinde teilten sich die Baukosten zu je 1/3 der Gesamtkosten. Heute ist sie das Zentrum und der Anlaufpunkt für die jüdischen Gemeinden Duisburg, Oberhausen und Mülheim/Ruhr.
Die neue Synagoge wurde im Duisburger Innenhafen, Am Springwall 16 erbaut. Im Gebetsraum finden 220 Gläubige Platz. Unter diesem Dach befinden sich aber auch noch Gemeinschafts- Büro- und Klassenräume, weiter noch eine Bibliothek und ein Festsaal.
Die Stadt Duisburg hat grob betrachtet ungefähr die Form eines Rechtecks, die Synagoge wurde fast genau in der Mittelachse erbaut. Sie hat aber noch eine andere Besonderheit. Durch den gesamten Bau ziehen sich verschiedene Achsen. Diese fünf Achsen (Mauern) wurden strahlenförmig, wie ein aufgeschlagenes Buch, erbaut und stehen unter historisch religiösen Bezug symbolisch für die fünf Bücher Mose. Die Ausrichtung einer Achse ergibt den architektonischen Verweis auf die alte Duisburger Synagoge, die sich früher in der unmittelbaren Nähe des heutigen Standortes – an der Junkerstraße - befand. Die alte Synagoge wurde in der Reichspogromnacht am 9.November 1938 in Brand gesetzt. Die Architektur des neuen Gebäudes erscheint im ersten Moment sehr eigenwillig
Der Gebetsraum ist freundlich und hell eingerichtet. Die Männer sitzen beim mehrstündigen Freitagsgebet unten im Raum und die Frauen müssen auf der Empore Platz nehmen. Die Wände sind teilweise aus gegossenem Beton und teilweise sehr schön mit einem hellen Stein verblendet, der aus Israel eingeführt wurde. Der Blick wendet sich beim Betreten des Raumes auf die Frontwand, die teilweise mit dem Sandstein verblendet ist und in der Mitte einen roten Samtvorhang mit einem siebenarmigen goldenen Blatt zeigt. Hinter dem Vorhang befindet sich der Thoraschrank. Rechts und links daneben stehen große sieben armige Leuchter (Menora). Zur Thorarolle, die im Thoraschrank aufbewahrt wird wurde uns Nachfolgendes erzählt: Sie besteht aus fünf Büchern und ist seit mehr als 2500 Jahre ein wesentliches Element des Judentums. Die Thora ist eigentlich eine Thorarolle aus Pergamentpapier. Die fünf Bücher Moses sind hier in hebräischer Sprache niederge-schrieben. Die Thorarolle, aus der während eines Gottesdienstes gelesen wird, muss von einem „Sofer“, das ist ein speziell ausgebildeter Schreiber, geschrieben sein. Es ist absolute Pflicht, dass bei jedem Gottesdienst zehn Männer anwesend sein müssen, die sich mit dem Lesen abwechseln. Sollten keine 10 Männer anwesend sein, darf der Gottesdienst nicht abgehalten werden. Das sind strenge Vorgaben die unbedingt eingehalten werden müssen. Gemeinden telefonieren untereinander und leihen sich z.B. während der Urlaubszeit oder bei Krankheit die Männer aus anderen Orten aus, damit die Zahl zehn während des Gottesdienstes garantiert ist. Der Text wird nicht gesprochen, sondern immer gesungen. Das jüdische Volk hält sich seit über 2000 Jahren an diese Tradition. Bei guter Handhabung können Thorarollen mehrere hundert Jahre alt werden. Sollten sie irgendwann nicht mehr gut lesbar sein, werden sie nicht verworfen sondern mit allem Respekt auf einem jüdischen Friedhof begraben.
Etwas seitlich vor dem Thoraschrank stand ein mit rotem Samt abgedecktes großes Lesepult, der „Almemor“. Dieses ist vergleichbar mit einem Altar in christlichen Kirchen. Wenn die Thora auf dem Lesepult liegt, darf der Vortragende nie mit dem Rücken zum Thoraschrank stehen. Deshalb befinden sich in größeren Synagogen die Lesepulte inmitten der Gebetsräume.
Die drei o.g. jüdischen Gemeinden nutzten fast 30 Jahre lang die Räumlichkeiten der Synagoge in Mülheim an der Kampstraße. Der Vorsitzende Salomaon Lifsches war so freundlich und stellte sein Wohnhaus als Synagoge zur Verfügung. Irgendwann erfuhr das ohnehin schon große Wohnzimmer zum Garten hin einen weiteren Ausbau. 72 Gläubige fanden hier stetig Platz zum Freitagsgebet. In den 80er Jahren hatte man hier 122 Mitglieder. Durch die russisch-jüdische Zuwanderung kamen seit dieser Zeit bis heute ungefähr 2900 Leute aus der ehemaligen Sowjetunion in unsere Gegend. Da die Räumlichkeiten nun nicht mehr ausreichten suchte man nach besseren Möglichkeiten. So schrieb die Gemeinde 1996 einen Architektenwettbewerb für den Neubau einer Synagoge im Duisburger Innenhafen aus. Der erste Spatenstich erfolgte im Frühjahr 1997.
Allerdings hat die Gemeinde seit 1993 wieder einen eigenen Rabbiner. Uns wurde weiterhin erklärt, dass diese jüdische Gemeinde wahrscheinlich nicht mehr existieren würde wenn die Zuwanderung von den Juden aus der ehem. Sowjetunion unter Anwendung des Kontingentflüchtlingsgesetzes ausgeblieben wäre. Viele dieser Menschen hatten sich durch die Brandmarkung in der alten Heimat von der Religion entfremdet und die jüdischen Wurzeln verloren. Die hier ansässigen Juden stellten einen krassen Gegensatz dar, sie lebten nach ihrer Religion und waren stark damit verwurzelt. Sie erwarteten von den Neuankömmlingen, dass sie ein reges Interesse für die Gemeindearbeit entwickelten und ihre Kinder nach dem jüdischen Glauben erziehen. Viele der Einheimischen fühlten sich plötzlich in ihrer Gemeinde nicht mehr wohl, außerdem stellten sie jetzt die Minderheit dar.
Unter den Einwanderern herrschte eine hohe Arbeitslosigkeit. Die Überzahl der Zuwanderer kam aus handwerklichen Berufen und waren einfache Arbeiter. Um in die beliebte gehobene Gesellschaftsschicht zu kommen lernte man fleißig um einen akademischen Titel im Beruf zu erlangen. Die Gemeinde stand vor einer harten Aufgabe, nämlich die Integration der Zuwanderer. Heute kann sie diesbezüglich stolz auf ihre Arbeit sein.
Für die Kinder wurden Sonntagsschulen eingerichtet, die immer noch aktuell sind. Hier übt und man schon in früher Kindheit eine Vorschulische Bildung und bei älteren Kindern werden eventuelle Lerndefizite ausgeglichen.
In Oberhausen gibt es seit 2005 eine etwas kleinere jüdische Gemeinde in der Innenstadt in der Havensteinstraße. Auch hier liegen die neuen Räumlichkeiten nicht weit entfernt von der 1939 zerstörten Synagoge an der Friedensstraße.
Die Juden leben nach dem Mondkalender. Nach der jüdischen Zeitrechnung befinden wir uns im Jahr 5770.
Die Gemeinde hat ein vielfältiges und abwechslungsreifes Gemeindeleben aufgebaut, Vereine würde gegründet, es besteht ein Jugend- und Seniorentreff. Der Gemeindechor hat schon viele Auszeichnungen für hervorragende Leistungen entgegennehmen dürfen.
Mitglieder die sich im Alltag an ihrer Religion halten und orientieren, leben etwas anders wie wir Christen. Nach der Religion ist nur ein Jude, wer auch von einer jüdischen Mutter geboren wurde. Der Alltag im Haus läuft etwas anders ab. Die Juden dürfen nur Fische essen, die Schuppen haben. Das Fleisch darf nur von Tieren kommen, die geteilte Hufen haben und Wiederkäuer sind. Das Fleisch muss immer sehr gut ausgeblutet und die Tiere müssen grundsätzlich artgerecht gehalten worden sein. Geflügel darf jede Art verzehrt werden. Es gibt inzwischen nur noch drei Schlachter in ganz Deutschland, die diese Voraussetzungen erfüllen. Hier schließen sich immer einige Gemeindemitglieder zusammen, um eine Sammelbestellung der Frischware aufzugeben. Gekühlt werden die Sachen vor Ort abgeliefert, eine gute Haushaltsplanung ist erforderlich um immer etwas Vorrat zu haben. Die Preise liegen natürlich weit über denen von uns gewohnten. Hülsenfrüchte sind untersagt. Man unterscheidet beim Geschirr in „Fleischiges“ und „Milchiges“, d.h. das man z.B. kein Schinkenbrot auf die Untertasse seines Kaffees legen darf. Das Geschirr wird auch getrennt abgewaschen. In größeren Haushalten hat man milchige Geschirrspüler und das fleischige Geschirr, wie auch Kochtöpfe usw. wird per Hand abgewaschen. In der Küche befinden sich aus diesem Grund auch immer zwei Spülbecken.
Die Besichtigung ging über 120 Minuten, ich hoffe mit diesem Text bei euch das Wesentliche wieder in Erinnerung gebracht zu haben.
Insgesamt war es eine interessante „Einweisung“ in das jüdische Gemeindeleben. Ich glaube aber, dass die Meisten von der Gruppe einen kleinen Rundgang durch die Synagoge vermisst haben. Weiter hat die uns einweisende Dame leider sehr leise gesprochen, dass unsere Mitglieder in den hinteren Reihen nicht unbedingt alles verstehen konnten. Ich persönlich habe mehr Hintergrundinfos vermisst, sie hat die „Einweisung“ mehr auf unsere Fragen aufgebaut. Zum Glück hatten wir eine gesprächsbereite Mannschaft, so dass wir dennoch halbwegs informiert nach Hause gingen.
Pecky 23.02.2010

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Und nun noch viel Spaß beim Betrachten der Wechselbilder!

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