Neu hier? Lies hier über unser Motto gemeinsam statt einsam.
Mitglied werden einloggen




Passwort vergessen?

Für Gestaltung und Inhalt dieser Regionalseiten sind ausschließlich die jeweiligen Regionalbotschafter verantwortlich. Die von den Regionalbotschaftern eingegebenen und heraufgeladenen Inhalte unterliegen grundsätzlich weder einer Kontrolle durch Feierabend, noch nimmt Feierabend hierauf Einfluss. Hiervon ausgenommen sind werbliche Einblendungen und Beiträge die von Feierabend direkt eingestellt wurden und als solche gekennzeichnet sind.

Geschichte Nummer 3

Bild


„Danke, liebe Sonne, danke für deine Hilfe!“ ruft Regentröpfchen erfreut, als es mit seiner Wolke an ihr vorüber zieht. Endlich ist es wieder frei - endlich raus aus dem schrecklichen Staubecken.
„Schön, dass du wieder da bist, kleines Tröpfchen!“ ruft die Sonne zurück. Auch der Wind, der Mond und die Sterne freuen sich, denn Tröpfchens Abenteuerlust hat sich zum Neidwesen der anderen Tröpfchen dort oben herumgesprochen. Aber das kümmert Tröpfchen nicht, die sind eben alle schrecklich dumm. Es braucht keinen von ihnen.
Für lange Zeit ist Tröpfchens Wolke die einzige Unterbrechung im Blau des Himmels.

Bild

Alles ist so wie schon so oft, bis die Wolke sich plötzlich verdunkelt, aufbläht und von einem eisigen Wind vorwärts getrieben wird, direkt in eine große graue Wolkenwand. Bitterlich kalt wird es von einer Minute zur anderen. Tröpfchen spürt, wie die Wärme in seinem Inneren zu schwinden beginnt - Kälte sich in ihm ausbreitet. Es erinnert sich an damals, als es zusammen mit den Fischen zu Eis erstarrt war, und doch ist es anders, so unwirklich...
Etwas benommen, wie aus einem Schlaf erwacht, befindet es sich schwebend in einer unbekannten Welt, umringt von zarten weißen Gebilden, die lautlos umeinander wirbeln. Und war es eben noch bitterkalt da oben, scheint jetzt die Luft sanfter und milder zu werden, je länger Tröpfchen sich auf dem Weg nach unten befindet - abwärts - abwärts. Und mitten hinein in dieses träumerische Gleiten und Schweben hört Tröpfchen neben sich eine Stimme:

„He, Vorwitznase! Hat es dir die Sprache verschlagen? Du warst wohl noch nie eine Schneeflocke, was?“
„Eine Schneeflocke, was ist das? - Und wer bist du?“
„Ich kenne dich aus der Wolke. Dort, wo wir uns jetzt niederlassen werden, ist Winter, da herrscht die Kälte, die uns Wassertröpfchen zu Eiskristallen und dann zu Schneeflocken werden lässt, damit wir die Erde weich, weiß und strahlend
machen“.
Die letzten Worte von Schneeflocke erreichen Tröpfchens Ohr nicht mehr, denn vom Wind erfasst geht es, leicht wie eine Feder, mal hier hin, mal dort hin. Dabei merkt Tröpfchen, wie wunderschön es ausschaut - schön wie eine Blume, strahlend wie ein Stern und weiß - ja, weiß wie das Kleid der Braut, die damals aus der Kutsche stieg und mit vom Wind geblähtem Schleier auf das Kirchenportal zuschwebte.
Je mehr sich Tröpfchen, das nun eine Schneeflocke ist, der Erde nähert, um so sanfter gleitet es dahin. Bald schon kann es unter sich, zwischen Wäldern und Berghängen, eine kleine Stadt erkennen, und mitten aus ihr heraus streckt sich ein Kirchturm dem Himmel entgegen. Alles liegt schon unter einer weißen Decke. Während Tröpfchen immer noch abwärts gleitet, bleiben andere Schneeflocken an Felsen, Ästen, Dächern und Zäunen haften. Sogar im Bart eines alten Mannes und im Fell seines Hundes lassen sie sich nieder. Dann landet auch Tröpfchen am Hang eines Berges. Ein schöner Platz, denn von hier kann es auf den Ort sehen.

Bild

Der Wind hat sich gelegt, und mit der Dämmerung ist Ruhe eingekehrt. Tröpfchens Blick geht hinauf zur Bergspitze. Es ist froh, nicht dort oben gelandet zu sein, denn gespenstisch, kalt und einsam steht der Gipfel gegen den Abendhimmel.
Unter der weißen Decke scheint nun alles zu schlafen. Die Luft ist weich und still. Manchmal kann man das Muhen einer Kuh oder das Quieken eines Schweins hören. Sonst aber scheint alles ehrfurchtsvoll zu schweigen vor der Schönheit, die der Himmel schickte.
Was hatte Schneeflocke auf dem Weg nach unten Tröpfchen zugerufen? - „Es ist Winter!“ Ja, das hatte es gerufen. - „Winter ist schön“, murmelt Tröpfchen, bevor es erschöpft einschläft.
Am Morgen wird es von einem eigenartigen Geräusch geweckt - ein Scharren. Aber dann gilt seine Aufmerksamkeit mehr dem rotgefärbten Himmel, der sich über dem Berg erhebt und seine Farbe über ihn auszuschütten scheint. Zuerst färbt sich der Gipfel rot. Dann ergießt sich ein zartes Rosa über die Felswände, über dem Berg und weiter und weiter über das ganze Tal. Was eben noch in grellem Weiß lag, hat nun einen zauberhaften, orangenfarbenen Schimmer. Wie vergoldet liegt alles in der Morgensonne. Tröpfchen hat schon einmal einen Sonnenaufgang erlebt, damals im Meer. Aber dieser hier ist viel schöner.

Bild

Es hört nun wieder dieses seltsame Scharren. Nicht weit von Tröpfchen entfernt, vor dem Hang, entdeckt es einen Mann mit einem dicken Schal um den Hals und runde Wuscheln auf den Ohren. Lustig sieht er aus mit seinem Bart, an dem sich andere Schneeflocken festhalten, denn es hat wieder leicht zu schneien begonnen. In der Hand hat er eine Schaufel, die jedes Mal, tsch - tsch - macht, wenn er sie in die schöne weiße Schneedecke sticht, die sein Haus umlagert. Immer wieder macht es tsch - tsch - und nach jedem Tsch wirft er eine Schaufel voll nach rechts und dann eine nach links, so lange, bis ein Weg entstanden ist, auf dem man ungehindert zum Haus gelangen kann.
Gemächlich stellt er die Schaufel an die Hauswand, beginnt mit seinen großen behandschuhten Händen Schneebälle zu formen, die er gegen den Berg wirft. Dabei lässt er ein dunkles übermütiges Lachen ertönen. Nach jedem Wurf läuft er ein paar Schritte den Berghang hinauf, als hätte er es sich in den Kopf gesetzt, mit seinen Schneebällen den Gipfel zu treffen. Immer näher kommen seine großen Hände an Tröpfchen heran, und - Peng! Der Schneeball fällt ihm aus der Hand und zerspringt „Auuuu!“ hört Tröpfchen jemanden sagen, „hat das wehgetan. Die Luft ist mir weggeblieben, so fest hat man mich zusammengedrückt. „Sieh dir nur mein Kleid an, wie zerdrückt es ist“.
„Ach, du bist es, Schneeflocke, sei doch froh, dass nur dein Kleid zerdrückt ist. Stell dir vor, er hätte dich gegen den Berg geworfen, dann hätten wir uns nicht...“ Peng!
„He, Tröpfchen! Warum sprichst du nicht weiter?“
Von einem Schneeball getroffen liegt es stumm da.
„Tröpfchen! Tröpfchen!, was ist mit dir? Wach auf, liebes Tröpfchen! - Wach doch bitte auf, ich bin doch froh, dass ich dich wiedergefunden hab“.
Schneeflocke ist verzweifelt und beginnt zu weinen.
„Was ist passiert, warum weinst du?“ fragt Tröpfchen, das wieder aufgewacht ist.
„Du wurdest von einem Schneeball getroffen und warst ohnmächtig. Ich hatte solche Angst um dich“.
„Um mich, um mich hattest du Angst?“

Bild

Bevor Schneeflocke antworten kann, stürmt eine ausgelassene Kinderschar den Berg hinauf. Einige ziehen einen Schlitten hinter sich her. Mit einem Mal ist ringsum alles mit Fröhlichkeit erfüllt. Mit „Juhuuuu!“ sausen sie den Hang hinunter, dicht vorbei an Tröpfchen und Schneeflocke. Hei! wie ihre Zöpfe fliegen, ihre frischen roten Gesichter strahlen, und ihr Lachen schallt über das Tal.
„Wie die Kinder sich freuen“, sagt Schneeflocke. „Ist es nicht schön, Freude zu haben?“
Tröpfchen antwortet nicht. Es kann nicht begreifen, dass Schneeflocke seinetwegen geweint hat; und wie glücklich Schneeflocke ist, weil die Kinder sich freuen. Tröpfchen hat sich noch nie gefreut, nur weil ein Anderer Freude hatte, und schon gar nicht hat es versucht, jemandem Freude zu bereiten.
„Ja, Freude ist schön“, sagt es leise
Plötzlich ruft eines der Kinder: „Wer baut mit mir einen Schneemann?“
„Iiiich!“ Und schon rollt ein Schneeball den Hang hinunter, wird dicker - dicker - und... o weh! nimmt geradewegs Kurs auf Tröpfchen und Schneeflocke. Doch im letzten Augenblick wird er von einem sommersprossigen Jungen, der eine rote Plümmelmütze auf dem Kopf trägt, gestoppt.

Bild

Er setzt dem riesengroßen Ball einen kleineren als Kopf auf, reißt unbekümmert von seiner Hose zwei Knöpfe ab, durch die der große weiße Mann die Welt bestaunen soll und setzt ihm seine rote Plümmelmütze auf.
„Die Nase mache ich!“ ruft ein Mädchen mit blonden Zöpfen und roten Pausbacken. Es lacht dabei so hell, dass selbst der kalte graue Gipfel dort oben freundlich erscheint. Mit beiden Händen rafft es so viel Schnee zusammen, wie es packen kann, knetet die glitzernden Flocken so lange, bis sie fest zusammenkleben, ohne zu wissen, dass im Inneren Schneeflocke und Tröpfchen schrecklich jammern. Ihre wunderschönen Sternenkleider werden zerdrückt, und was noch schlimmer ist, sie bekommen keine Luft. Jauchzend drückt das kleine Mädchen dem weißen Mann die fertige Nase mitten ins Gesicht, darunter ein Stück Holz als Mund, und in die Schneehand einen Reisigzweig. Fertig ist der winterliche Gast.

Bild

Zugegeben, denkt Tröpfchen, es ist ein schöner Schneemann, und er braucht auch eine Nase. Aber warum müssen ausgerechnet wir ein Teil der Nase sein?
Die Kinder beginnen sich mit Schnee zu bewerfen, tanzen singend um den Schneemann herum. Da aber der weiße Winter ein leiser sanfter Geselle ist, müssen sie schon alle Kraft aufwenden, seine Stille auszufüllen.
„Sind sie nicht wunderbar, wenn sie sich freuen?“ sagt Schneeflocke wieder.
Tröpfchen schweigt. Seine Gefühle schlagen Purzelbäume. Bisher hatte es sich um den Zweck seines Daseins nie so richtig Gedanken gemacht - es war da und wollte so viel wie möglich von dem Leben am Himmel und auf der Erde mitbekommen. Von zwischentröpflichen Beziehungen hat es noch nie etwas gehalten.
Aber seit es Schneeflocke kennt, begreift es, dass miteinander sein etwas Schönes ist, und das bestimmte Aufgaben nur zusammen erfüllt werden können. Ja, wie damals in dem komischen Wald mit den langen Stämmen, als unvorstellbare Massen von Tröpfchen einen Wasserfall bildeten, der mit einem ohrenbetäubenden Getöse vom Felsen in die Tiefe stürzte. Welch eine überwältigende Kraft hatte dahinter gesteckt. Damals spürte Tröpfchen schon so etwas wie Neid, nicht unter ihnen zu sein.
Was könnte es überhaupt alleine vollbringen? Könnte es ein Schiff tragen - ein Feuer löschen? Könnte in ihm - nur in ihm allein ein Fisch schwimmen? Und was wäre im Winter? Wäre es als einzige Schneeflocke vom Himmel gefallen, man hätte es zertreten oder es wäre in der Patschhand eines traurigen kleinen Kindes geschmolzen. Einen Schneemann hätte man aus Tröpfchen allein auch nicht machen können, noch nicht einmal eine Nase.
Nachdem es über sich nachgedacht hat, ist es nicht mehr traurig, gemeinsam mit Schneeflocke Teil einer Nase zu sein...
Eines Tages wird die Luft wärmer. Die Nase des Schneemanns beginnt zu tropfen, die rote Plümmelmütze rutscht schräg in sein Gesicht - verdeckt erst das linke Knopfauge - rutscht ganz langsam weiter - und fällt runter ins Schneewasser. Überall beginnt es zu klingen - bewegte klare Musik des fließenden Wassers, in dem sich auch Tröpfchen und Schneeflocke befinden. Es geht den Hang hinunter über das weiche Gras, den Fußweg, vorbei an der Kirche, dem Metzgerladen, dem Bäckerladen, unter einen Zaun hindurch, den Rinnstein entlang, durch einen Wald weiter und weiter...
Dann verlangsamt sich der Fluss des Wassers. Es geht durch Äcker, glitschige braune Wiesen, wo Schneeglöckchen, in der kahlen Zeit sich ihrer Schönheit voll bewusst, nach der Melodie des plätschernden Wassers wiegen.

Bild

„Hör nur, Schneeflocke, wie sie läuten. Es ist Frühling!“ Tröpfchen ist außer sich vor Freude.
Manchmal werden sie von einer kleinen Gruppe Schneeflocken überholt, die sich noch nicht wieder verwandelt haben. Oder sie sehen andere Tröpfchen, die sich an Grashalmen festhalten, um sich auszuruhen. Ihnen rufen Tröpfchen und Schneeflocke fröhlich zu: „Kommt doch mit, Brüder und Schwestern! Kommt, kommt, es ist Frühling!“ Einige, die Tröpfchen aus der Wolke kennen, wundern sich, dass es sich plötzlich herab lässt, mit ihnen zu reden.
„Was ist denn nur mit Vorwitznase los?“ tuscheln sie. Doch manche, überrascht oder aus Neugier, befolgen Tröpfchens Aufforderung. Gemeinsam bilden sie nun einen Teil der Wasseroberfläche des kleinen schnurgeraden Baches, der unterhalb einer alten steinernen Brücke in einen Fluss mündet.
Der Fluss ist breit und tief. Tröpfchen kann endlich wieder tauchen - die Nähe von Fischen spüren. Es schwimmt einmal oben, einmal unten, immer im Wettstreit mit seinen neu gewonnenen Freunden.

Bild

Ein herrliches Gefühl durchströmt Tröpfchen. Wie konnte ich nur ohne Freunde leben? denkt es.
„Danke, liebe Flocke. Danke, dass du mir gezeigt hast, was ich falsch gemacht habe“.

Bild

Artikel Teilen

 

Artikel bewerten
5 Sterne (1 Bewertungen)

Nutze die Sterne, um eine Bewertung abzugeben:


0 0 Artikel kommentieren
Regional > Duisburg > Gedichte und Erzählungen von Etti > Das Tröpfchen Teil 3