Bad Nauheim-Jugendstil
Für den 29.05.2019 hatte ich nach Bad Nauheim zu einer Jugendstilführung eingeladen. Es waren einmal 28 angemeldete Teilnehmer, 21 sind dann in Bad Nauheim zu einer sehr gut geführten Führung erschienen, schade für die, die nicht dabei waren.
Angereist wurde mit Zug & Auto. Treffpunkt war um 12:30 an der Tourist Info. Bis zur Führung um 14:30 hatten wir genügend Zeit für eine Kaffee-Pause in den umliegenden Cafe´s. Sei es im "Schwyzer Hüsl´í", dem "Kaffemühlchen" oder im "Caffé & Bistro Davide".
Um 14:30 wurden wir an der Tourist Info von unserer Gästeführerin Monica Kreichel zur Jugendstilführung abgeholt.
Nach einer kurzen Begrüßung ging es weiter zu den beiden Brunnen im Sprudelhof, die zu der größten geschlossenen Jugendstilbadeanlage Europas gehören.
Erbaut zwischen 1905 und 1911 von dem Architekten Wilhelm Jost, gehört zu den bedeutenden Zeugnissen dieser Kunstrichtung.
Das Ensemble, ein Gesamtkunstwerk, zeigt in eindrucksvoller Weise die vom Jugendstil angestrebte Verbindung von Architektur, freier und angewandter Kunst sowie Garten- und Platzgestaltung.
In den Grundlinien erinnert der Sprudelhof an barocke Schloss- und Klosteranlagen, in der dekorativen Ausgestaltung ist er jedoch vom Jugendstil geprägt. Den Baustil der Außenanlage mit Mansarddächern, Dachgauben, Dachreitern und Uhrtürmen bezeichnete der Architekt als "frei aufgefassten Barock in einfachen Formen". Jugendstilelemente finden sich besonders in der Gestaltung der Fassaden, Lampen, Balkongeländer, Türen und Fenster, wie in der reichen Ornamentik im Innenbereich. Vielfältige Schmuckelemente weisen auf das heilende Wasser mit Pflanzen, Tieren und Fabelwesen hin. Der geschmeidig schreitende Löwe aus Bronze erinnert an das Wappentier Hessens.
Seinen gestalterischen Freiraum nutzend, schuf Jost eine axiale Anlage, die städtebaulich sowohl den Bahnhof als auch den Johannisberg mit einbezieht. Seine Grundidee war eine künstlerisch anspruchsvolle Fassung der Hauptsprudel. Eine Allee sollte die vom Bahnhof Ankommenden über die großzügige Freitreppe führen, die beidseitig durch die aufwendige Gestaltung der Verwaltungsbauten einen kunstvollen Rahmen erhielt. Die ersten beiden Badehäuser, unter deren Balkonen geschickt die Arkadengänge ansetzen, sollten den Blick in den weiten Hof und Kurpark frei geben.
Badehaus 7.
An der Entstehungsgeschichte des Badehaus 7 ist zu sehen, dass eines der Ziele beim Bau der Bad Nauheimer Badeanlagen die Förderung der heimischen Wirtschaft war, um beispielhaft deren Leistungsfähigkeit zu zeigen und weithin bekannt zu machen. So wurden der Wartesaal und der Innenhof auf der Hessischen Landesausstellung 1908 in Darmstadt auf der Mathildenhöhe ausgestellt und anschließend nach Bad Nauheim versetzt.
Die Wartehalle, ausgekleidet mit Scharffeuerkeramik in den Farbtönen Grau, Braun, Grün und Weiß, zeigt die phantasievolle Schaffenskraft des Architekten Jost. Neckische Triton-Kinder tragen die Deckplatten der Pfeilerkapitelle. Besonderer Blickfang im Badehaus 7 sind die Ornamentfenster mit ihrer mehrfach abgestuften rechteckigen Rahmung. Kunsthandwerklich hochwertige Einzelanfertigungen sind die Leuchten, die Geländer der Balustrade und die Heizungsverkleidungen.
Die Architektur des Atriums wurde durch italienische Vorbilder inspiriert, was an den warmen Ockerfarben der nicht glasierten Terrakotten und der an einen Kreuzgang erinnernden Baugestaltung erkennbar ist. Abwechselnd männliche und weibliche Relieffiguren vor den Pfeilern scheinen unterstützt von den Putti auf ihren Schultern das Dach des Wandelgangs zu tragen.
Die überwältigende Vielfalt der Tiermotive und Schmuckformen bei den Terrakotten lässt ihre serielle Fertigung vergessen. Und es sei hier aus dem Bildband „Jugendstil in Bad Nauheim“ zitiert, in dem es zutreffend heißt: „Was sich da an Wassertieren auf Sockeln oder Kapitellen herumtreibt, wird durch die Künstlerphantasie zu Märchenwesen verzaubert. Besonders schön zu sehen bei den in langer Reihe stoisch mit dem Kopf zur Wand auf den Bänken thronenden Froschfiguren". Die doppelschwänzigen Nixen auf dem Zierbrunnen erinnern an antike Vorstellungen und Renaissanceallegorien einer nährenden und lebensspendenden Allnatur.
Hier ist noch die Faszination spürbar, die in der kurzen Epoche des Jugendstils von den Formen einer allbelebt empfundenen Natur ausging."
Badehaus 3.
Geht man durch die mit kleinen Reliefbildern gerahmte Eingangstür und den Windfang in das Badehaus 3, so öffnet sich ein runder, mit blauen, roten und mattweißen Mosaiken verkleideter Saal.
Die Ausstattung mit den originalen Jugendstilmöbeln vermittelt ein Gefühl des Wohlstandes und der Gediegenheit. Besonders eindrucksvoll ist die kostbare Deckenleuchte in der weißen Kuppel, die sich über dem Warteraum wölbt.
Im Gegensatz zu den Badehäusern 4 und 5 ist das Badehaus 3 mit unterschiedlichen, farbenfrohen Glasfenstern ausgestattet. Die Baderäume sind hier wie ehemals in allen Badehäusern mit Holzwannen aus australischem Hartholz und schlichtem, formschönen und sehr solidem Mobiliar ausgestattet.
Dieser Flügel ist umfunktioniert worden zu einem Besteckkasten, für Messer, Gabel, Löffel.
Die kunstvolle und ästhetische Ausstattung der Badeanlage wurde von dem Architekten Wilhelm Jost und den beteiligten Künstlern auch als Anregung zu Besinnung und Freude an schönen Dingen gesehen, sie sollte über die Psyche die körperliche Heilung unterstützen.
Besonderes Augenmerk verdienen die Außenseiten der Apsiden mit ihren Girlanden aus allerlei Muscheln. Der Brunnen mit seinen rätselhaften amphibischen Wesen, die scheinbar gerade aus den Tiefen des Wasser entsprungen sind, erinnert an barocke Grotten. Nicht minder rätselhaft sind die Masken an den Pfeilerkapitellen der Innenhöfe.
Das Badehaus 3 verfügt über einen wunderschönen ehemaligen Warteraum, dessen Wände und Fußboden mit tollen Mosaiken ausgelegt sind. Ein Café befindet sich darin. Bei schönem Wetter kann man aber auch im Innenhof einen Eisbecher genießen .. oder zur anderen Sprudelhofseite hinaus, genüsslich einen Kaffee schlürfen?
Wie wäre es anschließend (ebenfalls in Badehaus 3), mit dem Genuss eines gemütlichen Wannen-Bades im Jugendstil-Ambiente?
Rosenblütenpralinenbad im Kerzenschein?
Badehaus 2 - Fürstenbad
Um anspruchsvollen und vornehmen Gästen, den Traditionen des 19. Jahrhunderts entsprechend, besonders luxuriös ausgestattete Räume anzubieten, hatte man in Bad Nauheim vier sogenannte Fürstenbäder eingerichtet, von denen jedoch nur noch eines vorhanden ist.
Die anderen, ebenfalls kostbar ausgestatteten Räume, wurden in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg von den Besatzungsmächten teilweise zerstört und später beseitigt, da für sie kein Bedarf mehr bestand.
Das letzte in Badehaus 2 noch vorhandene Fürstenbad besteht aus Vorzimmer, Umkleide- und Ruheraum sowie dem eigentlichen Badekabinett nebst kleinem Nebenraum für das Dienstpersonal.
Zu den prominenten Gästen im Sprudelhof zählten unter anderen die russische Zarin Alexandra Fjodorowna, die deutsche Kaiserin Auguste Viktoria, sowie König Ibn Saud.
Das Fürstenbad war aufgrund seiner kostbaren Ausstattung nur dem Hochadel vorbehalten. Zu den prominenten Gästen zählte die russische Zarin Alexandra. Der Heilung Suchende begab sich in das Marmorbad zu Füßen der Göttin Aphrodite, die „Schaumgeborene“ oder auch „Anadyomene“, „die aus dem Wasser Emporsteigende “. Die über ihrem Haupte schwebenden Schlangen sind Hinweis auf Asklepios, Gott der Heilkunst.
Badehaus Nr.5
Im Badehaus 5 spielt am Dienstag und Donnerstag der Bad Nauheimer Bridgeclub.
Die Wandtäfelung der Wartesäle vermittelt eine ruhige und besinnliche Stimmung. Hier wurde der violett-braune Lahnmarmor verwendet, die durch die mit dunklem Holz ausgekleideten Wandnischen, in denen die Anmeldeschalter untergebracht sind, noch verstärkt wird.
Eine Auflockerung des kräftig strukturierten Lahnmarmors nahm der Architekt Wilhelm Jost im Badehaus 5 durch Mosaiken mit goldfarbenen und blauen Steinen vor. Dazu tragen auch die ovalen Fensternischen mit der farbigen opaleszenten Verglasung bei, ebenso wie die Wandlampen aus milchig-blauen Opalstücken, die sich auch in der Deckenlampe wieder finden. Die hellen Glastüren mit ihren geschliffenen Scheiben, in denen sich das Licht in allen Regenbogenfarben bricht und die Fenster aus weißem strukturiertem Glas mit den eleganten schwarzen Linien, die wiederum das Thema Wasser und Sprudel aufgreifen, leiten den Blick in den geometrisch streng angelegten Schmuckhof mit seinem Brunnen.
Ein erlebnisreicher Tag mit einer Fachkundigen Gästeführerin geht so langsam zu Ende.
Bei der Führung mit Frau Keichel die sie mit Begeisterung und bühnenreifen Einlagen führt, gelingt es ihr, einen lebendigen Eindruck bei uns Besuchern zu hinterlassen.
Sie achtet dabei auf jedes Detail, von der perfekten Erscheinung bis zum bewussten Einsatz von Gestik und Mimik.
Für mich war es eine Führung wie ich noch keine erlebt habe, ich denke das können alle bestätigen die dabei waren.
Ein Danke von uns allen.
Zum Abschluss des Tages hatte ich in dem sehr guten italienischen Restaurant "Da Davide" in den Kolonnaden Plätze reserviert. Ich hoffe es hat allen geschmeckt.
Text: https://jugendstilverein.de/rundgang
Text, Fotos und Layout Hans-Rüdiger (lahnelster)
*** Zur Diashow von Hans-Rüdiger "lahnelster" ***
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