Ich selbst kann mich nicht mehr an die Geschichte erinnern, aber meine Mutter hat sie mir immer wieder erzählt. Es war nach dem Krieg, ich muss so etwa fünf Jahre alt gewesen sein. Wir hatten neben einem Bauernhaus nach der Vertreibung eine kleine Wohnung für uns gefunden.
In der Zeit, kurz vor Ostern waren wir Kinder bei schönem Wetter damit beschäftigt, am Rande des Obstgartens aus Moos Osternestchen zu bauen. Liebevoll wurde das Moos aus dem Boden gerissen und in Kreisform aufgebaut. Jeden Morgen machten wir uns auf den Weg, um nachzuschauen, ob der Osterhase wohl an uns gedacht hätte und uns ein buntes Ei ins Nest gelegt hätte. Wenn wir auf den nahe liegenden Feldern einen Hasen rennen sahen, so war die Hoffnung groß, dass er, der Osterhase uns vielleicht doch nicht vergessen würde.
So beobachtete mich eines Tages eine Magd beim Gang aufs Feld, wie ich enttäuscht zu dem leeren Nest kam. Sie war offenbar so gerührt von dem Anblick, dass, als ich wieder weg war, sie ihr Vesperbrot in das Nest legte. Kurze Zeit später schaute ich nochmals in das Nest und groß war die Überraschung, als ich bemerkte, dass der Hase mir offenbar etwas hinein gelegt hatte. Ich packte das Päckchen aus und machte mich gleich mit Hochgenuss daran, das Brot zu verzehren.
Freudestrahlend kam ich nach Hause und erzählte meiner Mutter: „Mutti, Mutti, der Osterhase hat mir ein Vesperbrot ins Nest gelegt, das schmeckt viel viel besser als das Brot von dir!“
Die Magd, nachdem ihr meine Mutter die Geschichte erzählt hatte, war natürlich überglücklich, dass sie mir eine solche Freude bereitet hatte.
Grüßle Wilfried
Artikel Teilen
Artikel kommentieren