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Autor: maxheidi


Meine große Liebe

In der Schule war uns ein Tanzkurs angeboten worden – mit „Benimmuntericht“.
Durch Zustimmung der meisten Eltern war es dann soweit.
Nachdem sich das Geschnatter der weiblichen Teilnehmer beim Eintreffen gelegt hatte, mussten wir Platz nehmen. Die Mädels entlang der linken Wand, auf nebeneinander gestellten Stühlen, die Jungs genau gegenüber.
Albernes Kichern, verlegenes Räuspern, schüchterne Bliche unter gesenkten Augenlidern oder forsche der schon etwas „Reiferen“, verschämte und auch verwegene Gesichter auf der Mädchenseite.
Schweigen, Totenstille, angespannte und bleiche Mienen bei den Knaben.
Auf der Tanzfläche unsere Lehrer. ER schritt auf SIE zu und forderte seine Partnerin auf. Dann gingen die beiden in Tanzaufstellung und zeigten uns die ersten Grundschritte.
Nun waren wir an der Reihe. Steif erhoben sich die Burschen, um auf das gegenübersitzende Mädchen zuzugehen, so war es vorgeschrieben. Eine Verbeugung, unser Aufstehen, ein angedeuteter Knicks und schweißnasse Hände fanden sich. Wehschreie – ausgelöst durch misshandelte Zehen - wechselten sich ab mit Kichern und weiteren Fehltritten.
Bei den nächsten Tanzstunden fühlten wir uns schon sicherer und stellten erstaunt fest, dass sich die Sitzordnung der angehenden Kavaliere geändert hatte. Irgendwie landeten wir meistens beim selben Partner, der oft einige Blessuren im Gesicht vorzuweisen hatte. Seltsam! Das klärte sich erst kurz vor dem Abschlussball. Wir erfuhren, dass um die Angebetete „gekämpft“ worden war und zwar mit allen Mitteln.
Beim Tanzen versanken dann dunkle Augen in blaue, grüne oder braune und umgekehrt. Die Berührungen waren behutsamer und zärtlicher, so auch bei mir und Kurt.
Manchmal fühlte ich Schmetterlinge im Bauch, Schwindel erfasste mich, wenn er mir die Hand reichte und das Konzentrieren auf die Schritte fiel mir sehr schwer. Waren wir Mädchen an den ersten Abenden in Gruppen nach Hause gegangen, fanden nun Pärchen zueinander und wollten natürlich gerne alleine sein.
Daheim im dunklen Treppenhaus knisterte es schon gewaltig und weiche Knie versagten oft den Dienst. Berührungen meiner Hände brannten wie Feuer. Scheu aber auch abwehrend und abwartend drückte ich mich neugierig gegen meinen neuen Freund. Viel hatten wir von der Liebe in unserem knapp sechzehnjährigen Leben noch nicht mitgekriegt. Manche meiner Mitschülerinnen waren schon erfahrener, andere weniger – wie auch ich. Aufgeklärt waren wir fast alle, auch Mutti hatte mit mir gesprochen. Aber die Praxis schien doch ganz anders zu sein, als die Theorie, ahnte ich nun allmählich.
Kurt war ein hoch aufgeschossener und sehr schlanker Junge, blondhaarig und blauäugig, der zu meinem nachtschwarzen Haar und den dunklen Augen den Kontrast bildete.
Wir fieberten beide dem nächsten Treffen entgegen und nahmen uns vor, ES geschehen zu lassen. Dabei hatten wir doch Angst davor. Als sich dann unsere Lippen einmal wirklich, fast noch aus Versehen trafen, weil ich gestolpert war, hörte die Erde urplötzlich auf, sich zu drehen. Die Welt um mich versank, ich sah und vernahm nichts mehr. Mein Herz tanzte Wiener Walzer im schnellsten Dreivierteltakt. Obwohl es doch kein richtiger Kuss war, fuhren wir wie elektrisiert auseinander und es dauerte seine Zeit, bis wir wieder richtig anwesend waren. ‚War das die Liebe?’, fragte ich mich.
Auf dem Nachhauseweg wurde von da an jeder Hauseingang, jede Nische, jedes dunkle Plätzchen ausgenutzt. Hände verirrten sich unter Pullover, streichelten nackte Haut, Blicke wärmten den kalten Abendhauch und Körper drängten sich gegeneinander, Zeit und Raum vergessend. Wie oft wurde ich von meinen Eltern ermahnt, pünktlich zu sein. Ein anständiges Mädchen drückt sich nicht in dunklen Hauseingängen herum. Es war vergeblich.
Immer vertrauter wurden wir uns und die Scheu vor einem zarten Kuss war verloren gegangen. Wir sehnten uns nach dem Beisammensein, zählten die Stunden und Tage bis zum nächsten Treffen. Die Schule forderte vollste Aufmerksamkeit, denn der Abschluss stand bald bevor. Ich schwebte auf Wolke sieben und sah alles durch eine rosarote Brille. Für mich war Kurt der Ritter auf dem weißen Pferd, der Auserwählte, auf den ich gewartet hatte. Ewige Treue schworen wir uns, nie mehr wollten wir auseinander gehen. Diese Gelübde legten wir am Abschlussball ab, zu dem auch unsere Eltern eingeladen wurden.
Ich cremefarbenen Goldbrokatkleid schwebte ich am Arm meines ‚Geliebten’, denn das war er für mich.
Immer wieder trafen wir uns später und sogar ein Wochenende verlebten wir in einem kleinen Ort. Wie Kurt es fertig gebracht hatte, dass wir ein Doppelzimmer, in der damals sehr strengen Zeit, beziehen durften, ist mir heute noch schleierhaft. Es passierte … die totale Vereinigung. Das erste Mal schmerzhaft, stellte ich ernüchtert fest. Enttäuscht zweifelte ich an der Herrlichkeit der Liebe, die doch so oft besungen wurde. Das Wagnis der zweiten Verbindung war schon schöner, eingeleitet von Streicheln, Küssen, Kosen, zärtlichen Worten und dem Abheben bis in den Himmel. Aber ein Risiko blieb immer, in der damaligen Zeit, das uns auch Angst einflößte.
Fünf Jahre nach diesem Tanzkurs, an einem dreizehnten April wurde dieser Junge mein Ehemann.
Ein halbes Jahrhundert ist das schon her und ich erlebe alles wie damals.

Heidi Gotti

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