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Wie sie beinahe als Zweitfrau in Pakistan landete.

Kolumne von Annakrimi

Es war halb acht Uhr morgens an einem ganz normalen Arbeitstag, als sie ihrem Mann, strategisch beiläufig, zwischen Tür und Angel und einem Bissen Brot und einem Schluck Kaffee wissen ließ, dass sie in der nächsten Woche in Vertretung ihres erkrankten Kollegen für drei Tage in den Libanon fliegen müsse.
Sie wusste, das war ein Thema, das ihn auf die Palme bringen würde und wollte ihm deswegen keine Zeit für eine Grundsatzdebatte über die seiner Meinung nach fehlgeleiteten Berufsambitionen seines ihm angetrauten Weibes geben.
„Hab ich dich richtig verstanden, du willst nach Beirut fliegen? In den Libanon, wo gerade ein blutiger Bürgerkrieg tobt? Wenn du das machst, meine Liebe, lasse ich mich dieses Mal wirklich von dir scheiden, das schwör ich dir!“ Mit flammenden Augen stand er vor ihr und warf ihr in einer fulminanten Anklage alle erdenklichen Vorwürfe über ihren Leichtsinn und ihre mangelnde Liebe zu ihm an den Kopf.
„Schatz, du hast ja recht. Wir sprechen heute Abend ausführlich darüber. Ich muss jetzt zur Arbeit. Bussi und bis später.“
Sie warf ihm einen Kuss zu und enteilte. So, jetzt konnte er ein bisschen schmoren und sich geistig auf ihren Einsatz in Beirut einstellen. In der Firma erfuhr sie allerdings später, dass die Reise nach Beirut wegen der widrigen Umstände abgesagt worden war und man sich stattdessen mit den Geschäftspartnern in Zypern treffen würde. Auch gut! Die Scheidung war erstmal abgesagt.

Kolumne von Annakrimi

Ihr eigentliches Einsatzgebiet waren die europäischen und lateinamerikanischen Länder. In einigen muslimischen oder auch sonstigen Ländern war man damals mental noch nicht auf eine weibliche Export-Managerin vorbereitet.
Manchmal ließ es sich allerdings nicht vermeiden, dass sie notfallmäßig wegen Krankheit einer ihrer männlichen Kollegen, dessen muslimische Geschäftspartner betreuen musste. Dieses Mal handelte es sich um den Eigentümer eines wichtigen pakistanischen Unternehmers aus Lahore, der seit vielen Jahren sehr erfolgreich die medizinischen Produkte ihrer Firma in seiner Region verkaufte.
Ihr Kollege war bereits etwas länger krank und sie musste diesen schon etwas älteren pakistanischen Herrn erstaunlicherweise bereits das zweite Mal innerhalb kürzerer Zeit als Vertretung übernehmen. Er schien von ihrer Arbeitsweise sehr angetan zu sein.
Sie war damals Ende vierzig und trug ihr rotblondes Haar offen und muss für ihn ganz ansehnlich ausgesehen haben. Es war Hochsommer in Frankfurt und entsprechend leicht war ihre Kleidung, während er in seinem Anzug mit Weste und speziell unter der Persianer-Kappe, die er nie absetzte, sicherlich halb ohnmächtig vor sich hin schwitzte. Noch dazu musste er sorgsam darauf achten, dass seine Arme zu Allahs Gefallen bis zum Handgelenk gebührend bedeckt waren. Das war er seinem geistigen Amt in einer großen Moschee in Lahore schuldig. Für sie war er damals ein alter Mann.

Heute Abend sollte sie ihn zum Essen ausführen. Wie vereinbart stand sie um 19 Uhr vor dem Hotel und bat die Dame an der Rezeption, sie möge Mr. Rasheed Chaudhary nach unten bitten.
„Der Herr bittet Sie, auf sein Zimmer zu kommen“, sagte die Concierge. Da wurde sie hellhörig. Sie rief ihn an und sagte ihm, es sei überaus unschicklich, dass eine Lady einen Gentleman auf seinem Hotelzimmer besuche.
Er hätte ihr was Wichtiges zu zeigen, sagte er. Sie wollte nicht. Aber er ließ nicht locker. Schließlich nach zeitraubenden Palavern gab sie genervt auf und ging auf sein Zimmer. Er empfing sie dort in seinem normalen zugeknöpften Ornat und sagte, er habe eine paar Geschenke für sie. Sie wollte keine Geschenke. Ohne auf sie zu hören, zog er eine Packung weißer Blusen aus seinem Koffer. Als er die zellophanierte Verpackung ungeschickt aufriss, schoss eine große Zahl weißer Mottenkugeln auf sie zu. Drei davon trafen ihr Gesicht. Überrascht von dem Bombardement der weißen Kugeln, die richtungslos durch das Zimmer flogen, packte sie ein fürchterlicher Lachanfall. Er schaute sie befremdet an.
Dann erst bemerkte sie den eigenartigen Geruch der aus Naphtalin bestehenden Kugeln. Sie glaubte ohnmächtig zu werden und schaffte es gerade noch, das Fenster aufzureißen.
„Ich habe fünf unterschiedliche Größen an Blusen dabei. Sie können Sie gerne anprobieren. Ich helfe Ihnen dabei.“
Das wollte sie auf keinen Fall. Nein Danke, sie wollte nichts. Er aber bedrängte sie, dass sie doch wenigstens eine Bluse von ihm annehmen solle. Schließlich willigte sie ein, weil sie nicht endlos lange die Prozedur hinauszögern wollte. Dann drückte er ihr noch ein Parfüm in die Hand und dann, ganz feierlich, eine Ausgabe des Korans. Eigentlich wollte sie nichts von alledem. Aber sie wusste, wenn sie nicht alles akzeptierte, würde er noch endlos weiter bis zu ihrer Erschöpfung mit ihr diskutieren. Sie aber wollte endlich das stinkende Zimmer verlassen und in einem normalen Lokal etwas zu Abend essen. Sie hoffte, das Abendessen schnell hinter sich zu bringen und nach Hause zurückzukehren und ihrem Mann recht zu geben, dass so ein Beruf auch seine Tücken habe.

Kolumne von Annakrimi

Mit dem Taxi fuhren sie zu einem bekannten und teuren Inder und aßen dort ganz vorzüglich. Dass sie als stellvertretende Gastgeberin ihrer Firma die Rechnung zahlte war die Regel, obwohl die Herren immer ein wenig verlegen um sich schauten, wenn eine Frau in aller Öffentlichkeit die Kosten übernahm. Als ein südamerikanischer Kunde einmal partout damit nicht einverstanden war, entspann sich ein lautstarker Disput zwischen ihr und dem Argentinier, dem die anwesenden Gäste diskret, aber voller Interesse lauschten. Er gewann, aber nur, weil ihr sein rechthaberisches Geschrei zu peinlich wurde.
Im Laufe des Abends erklärte ihr Mr. Chaudhary zu ihrem großen Erstaunen, welche Pläne er mit ihr vorhabe. Schon seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte, hätte sie sein Herz gefangen genommen. Sie sei so wunderschön. Er wolle sie heiraten. In seinem ausgedehnten Anwesen in Lahore mit großem Garten, Teichen und Swimmingpool und in einem separaten kleinen Palast solle sie seine Zweitfrau werden. Seine erste Frau sei alt und gesundheitlich angeschlagen und er bräuchte dringend eine Frau, die seinem Haus tatkräftig vorstehe.
Sie dachte zunächst, sie habe sein Englisch nicht richtig verstanden. Aber nein, er meinte es ernst. „Aber Sie wissen doch, dass ich verheiratet bin,“ unterbrach sie seinen Monolog, wie er sich ihr gemeinsames zukünftiges Leben in Lahore vorstellte. „Ich werde mich doch Ihretwegen nicht scheiden lassen.“ Sie liebte ihren Mann heiß und innig und konnte sich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. Glaubte dieser Kerl etwa, dass sie ihren Mann wegen des schnöden Mammons verließe?
„Ich glaube, es ist nicht so schwierig, sich in Deutschland scheiden zu lassen.“ Souverän wischte er alle ihre Einwände beiseite. „Sie müssen wissen, ich bin ein sehr reicher und angesehener Mann in Lahore und Sie hätten ein äußerst luxuriöses Leben dort. Ich habe Ihnen den Koran überreicht, damit Sie sich vorbereiten können, denn natürlich müssten Sie zum Islam übertreten, wenn Sie meine Frau werden.“
Sie schaute ihn an. Er meinte es ernst. Ihre angeborene Frohnatur wollte sie erst in ein schallendes Gelächter ausbrechen lassen, als sie merkte, dass es ihm todernst war. Sie verschluckte ihr Lachen und schaute ihn an. Dass sie eine eigene Meinung zu seinen verrückten Vorschlägen haben könnte, kam ihm augenscheinlich gar nicht in den Sinn.
„Denken Sie über meinen Vorschlag nach. Sie hätten ein Leben wie im Paradies.“
Als sie kurz nach Mitternacht zuhause war, schlief ihr Mann schon. Sie zog sich aus, schminkte sich schnell ab, putzte sich die Zähne und kuschelte sich an ihn. Er stieß einen kleinen Schnarcher aus und nahm sie in die Arme „Na, meine Süße, war es mal wieder langweilig mit dem alten Pakistani?“
Wenn er wüsste, dass sie seinetwegen das Paradies verschmäht hatte!
Aber ihr Anbeter war hartnäckig. Er spürte sie nach Wochen bei ihrem neuen Arbeitgeber auf und fragte sie, wann sie bereit sei, ihm nach Lahore zu folgen.

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