Brücken-Hüpfer
Es wohnten einmal in der Nähe einer Brücke zwei Freundinnen. Von diesen beiden, eine hieß Marion und die andere Irene, möchte ich erzählen.
Die Mädchen gingen wohl hunderte mal über diese Brücke, in eisigen Wintern schauten sie auf die festgefrorenen Lastkähne und im Sommer erfreute sie eine erfrischende Brise. Manchmal, nur zu ihrem Vergnügen, hüpften sie die gesamte Strecke Hand in Hand, einmal hin und wieder zurück.
Und wie es so ist, wenn vierzehnjährige Mädchen ausgelassen kichernd solche ungewöhnlichen Spielchen trieben, wurden ihnen oft ermahnende, strenge Blicke geschickt von den erwachsenden Personen, welche ohne dergleichen Störungen ihres Weges gehen wollten.
Wer nun von den Beiden die Idee hatte, diese Brücke genau in 50 Jahren noch einmal zu behüpfen, ist nicht mehr genau zu sagen.
Doch sie gefiel ihnen derart, dass sie losprusteten ja, ja, dann mit Hut samt Feder, Faltenrock und orthopädischen Schuhen! Eine Brille ebenfalls und graue Haare werden wir haben, ein Korsett sicherlich auch!
Sie lachten und scherzten ausgelassen noch ein Weilchen über dieses Vorhaben.
Nun, diese 50 Jahre vergingen wie im Fluge, das Leben hatte den Freundinnen inzwischen manch Höhen sowie auch Tiefen beschert. Doch ihr damaliges Versprechen haben sie nie vergessen. Das Korsett trugen sie zwar (noch ) nicht, doch die grauen Haare sind Wirklichkeit geworden. Ihre Kinder jetzt erwachsen, selbst schon Eltern und beider Berufsleben zählte natürlich der Vergangenheit an.
Jedes Mal, wenn sie sich trafen, spürten sie ihre immer noch ungebremste Neugier sowie den Hang zum Blödsinn machen, wie damals, als sie noch in ihren jugendlichen Körpern steckten. Nur so ist es zu erklären, dass sie nicht eher ruhten, bis der passende Tag kam, an dem sie ihre Brücke überhüpfen wollten.
An einem gewöhnlichen Dienstag wurde es dann endlich wahr, die Sonne stand zwei Stunden vor dem Abend und sachter Windhauch fächelte über die inzwischen bereits arg verbreiterte Brücke. Zahlreiche Autos brausten über diese; und Radfahrer flitzten gefährlich nah am Fußvolk vorbei.
Doch an diesem Tag beschlossen sie, endlich über ihre Brücke zu hüpfen, einmal hin und einmal zurück!
Bevor aber die Freundinnen damit begannen, prüften sie gründlich ihr Schuhwerk und besprachen eifrig noch dieses und jenes, auf dass es ihnen auch gut gelänge.
Marion wagte in ihren bequemen Schuhen den ersten Hüpfer, dynamisch zog sie das linke Bein in die Höhe, sofort schwang Irene ihr rechtes Bein hüfthoch leicht angewinkelt hinterher, sodann das Linke, sie lachten übermütig, und rissen während sie noch ihren Rhythmus suchten, die sich fest umklammernden Hände jubelnd in die Höhe.
rechts / links / rechts / links /
ein kraftvolles Stampfen erdröhnte und ließ die Brücke leicht vibrieren, grinsende Kinder zeigten erstaunt mit Fingern auf die eifrig hüpfenden vergnügten Frauen.
Entgegen kommende Passanten wichen aus und schauten verblüfft auf dies ungewöhnliche Gespann. Selbst einige Autofahrer hupten aufmunternd und ein kleiner ebenfalls die Brücke überquerender Hund kläffte wütend.
Plötzlich schnappte das Tier nach dem lustig flatternden Leinenhosenbein Irenes, so dass diese vor Schreck stolperte und während sie noch stürzte, zog sie Marion gleich mit zu Boden.
Dort lagen sie nun, knapp 10 Meter vom Ziel entfernt, und bekamen vor Lachen kaum Luft, wälzten sich hin und her, ganz so, als gefiele es ihnen da unten ausgezeichnet.
Ein älterer Herr wiegte besorgt den Kopf und sah sich erstaunt die beiden immer noch ausgelassen scherzenden Frauen am Boden ein Weilchen an. Dann fragte er höflich, indem er sich zu ihnen niederbeugte, „Kann ich helfen?“
Nee, nee, nee, schrien beide wie aus einem Munde, uns ist gewiss nicht mehr zu helfen!
Einige Zeit später, als sie sich etwas beruhigt hatten und ermattet am Brückengeländer lehnten, seufzte Irene, in unserem Alter dürfen wir mindestens einmal üben!
Nächstes Jahr, derselbe Tag, die gleiche Zeit erwiderte Marion unerschrocken!
Abgemacht!
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