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Ein Tag des Lächelns

Lächelnde Frau

Einfach nur Lächeln, obwohl es keinen Anlass gibt, doch nicht zu dolle, sonst denkt man womöglich, „die schiebt’n Film."
Es ist der Versuch, jedem Menschen, dem ich heute begegne, etwas zu schenken, ihm somit näher zu kommen, als immer nur seinen flüchtigen Schatten zu erhaschen.

„Los geht’s“, ich ermahne meinen Hund, mir dabei Gesellschaft zu leisten, während ich bereits die erste Person teste, welche meinen Weg kreuzt.

Eine ältere Dame, vorsichtig jeder Baumwurzel ausweichend, tapst unsicher ein paar Schritte vor mir her. Ich beschleunige meine Gangart, eigentlich wollte ich sie ja nur anlächeln, doch zwecks fehlenden Augenkontakts frage ich aufmunternd: „Kann ich Ihnen eventuell helfen?“.
Erschrocken schaut sie hoch, lächelt und sagt: „Nein danke, ich komme schon zurecht.“.

Versonnen gehe ich weiter, genieße das soeben geerntete Lächeln und um Haaresbreite touchiert dieser rasende Velofahrer meinen Hund auf dem Fuß und Radweg in einem.

„Hey, geht’s noch du Flachflöte!“, rufe ich ihm ärgerlich hinterher, abrupt bohren sich die Speichen seines Rades in den weichen Waldboden und unter dem Giro-Section-Helm entdecke ich ein wütendes Gesicht.
Schnell werfe ich ihm volle Breitseite ein gewinnendes Lächeln entgegen, seine Mundwinkel verzieh‘n sich zu einem magersüchtigen Grinsen und zack, iss' er weg.

Schon von weitem erkenne ich die gebeugte Gestalt des eifrigen Pilzsammlers.
Ich pirsche mich an und frage in Richtung des mir zugewandten Rückens: „Schon was Essbares gefunden?“.
Zugegeben eine blöde Frage!
Ich versuche seine Augen zu ermitteln, doch der grüne Filzhut reicht fast bis zur Nasenspitze. „Wird schon noch!“, ermutige ich ihn, seine Gesichtszüge geraten in Schieflage und erinnern fatal an einen pH-Wert weit unter sieben.

Ein Grüppchen gutgelaunter Urlauber kommt uns auf dem Philosophenweg entgegen.
Strenge mich an Augenpaare zu angeln, Fehlanzeige, also bleibt mir nix anderes übrig als nach dem Weg Richtung Strand zu fragen.
Der hilfsbereite Rudelführer schaut mich lächelnd an und meint: „Junge Frau, immer geradeaus und dann links, es ist nicht mehr weit von hier.“

Später läuft mir Heinz, auch genannt „haste schon gehört“ an der Kreuzung Lindenpfad, Birkenallee, über’n Weg. „Haste etwa im Lotto gewonnen?“, fragt er neugierig, „nee ich poste dir nur schnell mal ein Lächeln forte“, erwidere ich.

Und jedem, der mir nun auf meinem Weg nach Hause entgegenkommt, stell ich ´ne raffinierte Lächelfalle.

Bei diesem jungen Mädchen, dessen Handy ihre Augen fast verschluckt, habe ich null Chance, die humpelnde Greisin, welche just die Apotheke verlässt, verweigert schmerzgeplagt jeglichen Blickkontakt.

Für das turtelnde Pärchen mittleren Alters bin ich sowieso Luft, und bei diesem Ortsteil-Promi, der wie gewohnt Augen verdunkelt unterwegs ist, schaue ich freiwillig weg.

Doch Frau Müller, die begehrte Leckerli-Freundin meines Hundes, erwische ich gerade noch vor der Haustüre.
Mit arg geschwollener Lippe teilt sie mir nuschelnd mit, dass ihr vor einer knappen halben Stunde vier Zähne entfernt wurden.

„Au Backe“, erwidere ich bedauernd sowie krampfhaft bemüht, ein real mitfühlendes Lächeln hinzustarten.

Autor: galen

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