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Elses Leidenschaft/en

Das großflächige Gesicht verzog sich gern zu einem herablassenden Grinsen. Ihre Augen behielten jedoch immer einen prüfenden Blick. Die Figur gedrungen quadratisch, sie bewegte sich gleich einem flinken Wiesel. Stämmige, von der Ferse bis hinauf zu den Knien gleichmäßig geformte Beine. Eiligen Schrittes, kündigten sich stets ihre mit roten Riemchen verzierten Birkenstock an.
Gepflegtes, sandfarbenes, modisch geschnittenes Haar, glänzte und stand seitlich der Ohrmuschel keck hervor. Das kräftige Rot eines Langzeiteffekt-Lippenstiftes, gab ihrem Mund Kontur, welcher unentwegt bemüht, die leicht vorstehenden kräftigen Zähne zu verbergen.

Elses größter Feind, war der Schmutz, insbesondere der Verborgene.
Sie widmete sich bewaffnet mit den raffiniertesten Mixturen, voller Leidenschaft auf den Knien rutschend, den unterschiedlichsten Schmutzfeinden.
Ein ausgeklügelter Schlachtplan bot ihr von Montag bis Samstag die Möglichkeit, mit der Rasierklinge in der Hand in den hintersten Ecken eines Raumes die verborgenste Fußleiste vom Staub zu befreien.
Den Schächten der Kellerfenster wurde dienstags gedroht, samt Besen, Schaufel und Scheuerlappen, ihr dürres Laub, Zigarettenkippen, hie und da sich noch ringelnde Regenwürmer, zu kidnappen.

Die Fenster ihres Hauses bekamen zum Mittwoch gehörig das Glas gewaschen. Hüpfend die Leiter hinauf und hinab reckend die Arme, voller Genugtuung, bemüht die vereinzelt sichtbaren Regentropfenflecken zu killen.

Der Donnerstag unterbrach ihre Putztüchtigkeit, sie nahm sich frei für den „Großeinkauf“. Kaum war sie mit ihrem vollbepackten Citroen Pallas DS21 zurück, gab sie ihrem Gatten (welcher gleichzeitig unser Lehrmeister bezüglich Friseurhandwerk war) Anweisung die Ware auszuladen.

Das Wochenende nahte und mit diesem befiel Else pünktlich das finale Putzfinalfieber, Teppiche wurden herausgezerrt, Stühle auf Tische gehievt, Handtücher plus Bettzeug in die Waschmaschine gestopft, die Topfpflanzen traten versammelt zum Wässern an, das Gartentor bekam seine Ölung,
Die geflieste Treppe bekam ihre Schmierseifenpackung, und dem Staub, welcher sich schier überall niederließ, wurde mit Wedeln aus Ziegenhaaren der Garaus gemacht.


Jahrzehnte später treffe ich Else zufällig in der Stadt, sie ist mittlerweile eine Frau weit „über 80“. Forsch begrüßt sie mich, ihren Kopf leicht zur Seite geneigt, verweilt der Blick auf meinem Haar, und sofort wird meine Frisur bemängelt. Ein fesches lindgrünes Kostümchen umhüllt ihre kleine jedoch zähe Gestalt.

„Wie geht es Ihnen, Frau Liebert?“
Temperamentvoll berichtet sie mir aus ihrem aktiven Leben.
„Und ihrem Mann, wie geht es ihm?“ erkundige ich mich.
Der ist bereits tot, lässt sie mich mit einem schiefen Lächeln wissen.

Else rückt nun ein wenig näher, senkt ihre Stimme und vertraut mir an, ein großes Bedürfnis sei für sie immer noch der Sex, dies sei wohl ein Erbe ihres Vaters der auf dem Gebiete stets sehr umtriebig gewesen. Sie bevorzuge junge Männer, und es gäbe keineswegs Mangel.

Vorsichtig erwähne ich den enormen Altersunterschied.
"Ach", erwidert sie gedehnt und ihr Gesicht überzieht ein unverschämt faltiges Grinsen, "die profitieren doch auch."
Einer wohnt umsonst im Souterrain meines Hauses, der andere darf meinen Garten pflegen, er wird dafür obendrein noch großzügig entlohnt.

Donnerwetter, ich bin beeindruckt von ihrem vitalen Selbstbewusstsein. Eine Frau, weit jenseits der achtzig, hat endlich einen Ersatz für ihre Putzsucht gefunden.

Ein schrecklicher Gedanke... was wäre, wenn diese Frau schon damals ein befriedigendes Sexualleben gehabt hätte? Wer nur hätte dann uns Lehrlingen des Salons Liebert die Chance gegeben, das perfekte Putzen zu erlernen?

Autor: galen

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