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Kannste glatt vergessen

Rena inhaliert genussvoll den Tabak ihrer Selbstgedrehten, wir führen ein Frauengespräch. Ein gewöhnlicher Wochentag, die Sonne blinzelt träge, wir sitzen gemütlich auf der Terrasse der „Trattoria da Enzo“.
Doch heute ist entgegen unserer sonstigen Zusammenkünfte das Gespräch überschattet, regnerische Gedanken drängeln sich zwischen Espresso und Latte.

Denn Lorchens Mann betrügt diese mit einer Jüngeren, beklagte sie nächtens völlig aufgelöst via Telefon.
Ausgerechnet Lorchen passiert so etwas, die dem Treulosen jeden Wunsch von seinen blauen Augen abliest, nein, das hat sie nicht verdient, nicht Lorchen!

Es beschäftigen uns die konstant spärlicher werdenden Schamhaare, sowie die bevorstehende Extraktion meines rebellierenden Weisheitszahns.
Rena zieht unvermittelt, zugegeben, ihr sich arg zum Hals hin neigendes Doppelkinn beidseitig hoch zu den Ohren, „Sieht viel jünger aus, stimmt’s?“.

Und noch ehe eine dieser gefürchteten Tagesdepressionen an Boden gewinnt, kommt mir die rettende Idee, welche unser Leben von Grund auf positiv verändern könnte, nämlich ein kostenloses Beratungsgespräch!

In unmittelbarer Nähe befindet sich eine erst kürzlich eröffnete Praxis, welche mit dem vielversprechenden Slogan „Alt werden wir erst später“ interessierte Kundschaft bewirbt. Und es kann nicht verkehrt sein, auf Grund des rasant voranschreitenden äußerlichen Verfalls ein paar Tipps bezüglich „forever young“ zu erhalten.

Patientin nach Schönheits-OP mit Gesichtsbandagen

„Du zuerst“, flüstert Rena, und schiebt mich Richtung Tür, welche sich einladend öffnet.

Wartend in dem cleanen Raum, bereits sitzend auf einem „Behandlungsstuhl“, belästigen mich unliebsame Gedanken.

Sollte es mein Schicksal sein, -- 90-- zu werden, dann verhänge ich jeden Spiegel, und kleide mich in bodenlange flammend rote Gewänder, meine Füße bewohnen bequeme lila Sandalen, eine dunkle Brille, welche fast mein gesamtes Antlitz verhüllt, trage ich stets auch im Regen, klagend rufe ich die Götter an und bitte flehentlich darum, neu geboren zu werden.

„Einen wunderschönen guten Tag.“ Ein forscher, in vertrauenserweckendes Arztweiß gekleideter Mann mittleren Alters, reicht mir seine Hand. „Was
darf ich für Sie tun, meine Name ist Dr. Dr. Zuversicht.“

Holprig schildere ich die Sorge, welche mir seit geraumer Zeit meine Haut bereitet, deute auf die Knitterfältchen oberhalb der Lippe und beklage die schon deutlich sichtbaren Ausbuchtungen seitlich unterhalb meiner Wangen.

Dr. Dr. Z. bezupft eifrig diese unliebsamen Partien, betrachtet schließlich mit einigem Abstand, prüfend das Gesamtbild, ein sicherlich jämmerlicher Anblick.

„Tja, ich rate Ihnen zu einer Rundum-Straffung, Sie sollten wissen, von Botox halte ich gar nichts, es verursacht lediglich hässliche aufgeblasene Froschgesichter, ein Lifting der bewährten Methode hat zwar seinen angemessen Preis, jedoch garantiert es für eine relativ lange Zeit ein waches, frisches, junges Erscheinungsbild, und der Vorteil, die sanfte Kräuselung im vorderen Bereich Ihres zum Glück noch ansonsten makelosen Halses, wird gleichzeitig in einem Aufwasch geglättet.“

Ein schrecklicher Gedanke bemächtigt sich meiner, was wäre, wenn nach dem Verjüngungseingriff sich meine Augen dann direkt unter'm Haaransatz befänden?

„Danke Herr Dr. Dr. Z., ich erbitte mir Bedenkzeit“
„Selbstverständlich meine Dame, ich bin jederzeit für Sie bereit.“

Rena wird hineingebeten, und sie besteht darauf, dass ich bleibe. Dr. Dr. Z. doziert, Rena hätte diesen typischen Truthahnhals (wir kichern) enthusiastisch greift er in die schlaffen Muskelstränge, diese seien zu dünn, deshalb sacke die Haut ab, es schien, als wolle er sogleich zur Tat schreiten, Vollnarkose, und operieren, nach der von ihm entwickelten Methode, für günstige 1700 Euro.

Rena wird deutlich nervös, stellt unverzüglich Herrn Dr. Dr. Z. einen kurzfristigen Termin in Aussicht, dieser stimmt selbstverständlich zu und seine tadellos geformten Zähne, blenden uns höflich hinaus. Hastig verlassen wir den Ort der unbegrenzten Möglichkeiten.

„Wer cool altern will, sollte früh damit beginnen“, albert Rena, „Ja, Schönheit geht unter die Haut“, entgegne ich, nun erleichtert dem schon geschliffenen Messer entkommen zu sein, verspüren wir eine unbändige Lust auf einen doppelten Grappa!

Wir ergattern zwei Plätze in der Trattoria, Enzo entdeckt uns.
„Cara mia mi dica? ----
„Due grande vecchio Trestini“!
“Prego, Bella Bambini!

Und auf der Stelle beschließen wir, auf eine „Beschneidung“ endgültig zu verzichten.

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