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Mr. Right

Heute traf ich meine Freundin Evi; ein bisschen blass um die Nase saß sie mir gegenüber an dem kleinen Ecktisch im Cafe Plüsch.
Nachdem uns der Latte serviert wurde, erfuhr ich ihre Geschichte „vom letzten Abenteuer Mann“.

Evi hatte eine Annonce geschaltet im Stadtanzeiger, sie wollte nach längerem Singledasein endlich „Mr. Right“ kennenlernen.
„Frau um die 60 möchte emanzipierten Mann mit Humor und Charakter begegnen.“
Diese Anzeige bescherte ihr drei Interessenten, von denen sie gleich zwei beiseite legte.
Die übriggebliebene jedoch gefiel ihr, sie las: Gebildeter, vermögender, vorzeigbarer, toleranter Mann, möchte sie, ja er könne es kaum erwarten, treffen. Evi telefonierte sofort mit ihm, war entzückt und zugleich begeistert vom erotischen Akzent seiner Stimme. Und schon ein wenig vorverliebt, stimmte sie einem Rendevouz zu.

Plante den Frisörbesuch, sowie die Kleiderwahl, bestimmte Örtlichkeit und Uhrzeit, den Tag jedoch nannte er.
Enttäuscht schilderte sie mir das Erlebnis, welches sie mit diesem ganz in schwarz gekleideten Mann erlebte, der es nicht für nötig hielt, während ihres gesamten Gesprächs seine Augen von der dunkel beglasten Brille zu befreien.
Geradezu Angst bekam sie beim Anblick seiner langen dünnen Arme, sie erinnerten an einen „Weberknecht“.
Evi ließ sich jedoch nicht entmutigen, dass der für sie bestimmte Mann, ihre verwandte Seele, tatsächlich exsistiert.
Jetzt machte sie es umgekehrt, fischte sich einige Annoncen aus der Zeitung und las: „Junger Mann, tolerant, verschmust, mit Tagesfreizeit, möchte sie verwöhnen, Diskretion selbstverständlich.“
Übermütig schrieb Evi einen fast pubertären Brief, den sie, wie sie mir versicherte, noch am gleichen Tage absandte.
Postwendend kam eine Antwort und sie entschloss sich nach einem längerem Telefonat Hubert (so sein Name) spontan einzuladen.
Und was sie zu sehen bekam gefiel ihr, ein sehr junger Mann, klein von Statur ( Evi mag kleine Männer).
Sie bat ihn, auf der Couch Platz zu nehmen, welche mit bereits verblassten Blumenmuster dennoch den Charme einer gemütlichen Bürgerlichkeit ausstrahlte.
Sein Blick, diese tiefe Stimme, verströmte eine ungeheuer prickelnde Atmosphäre, Hubert nippte an seinem Glas, in dem gekühlter Prosecco perlte.
Schaute Evi zärtlich an, fragte, ob sie bestimmte Praktiken beim Sex bevorzöge,
oder Erfahrung hätte mit „Cunnilingus"?

Eva wurde es ein wenig schwindelig, sie dachte sicherheitshalber an die Kondome drüben in der Nachttischschublade, denn man hört so viel von diversen Geschlechtskrankheiten und bat ihn, schließlich es sich doch bequem zu machen.
Hubert nestelte an seinem Gürtel, zog umständlich das Jacket aus, wie jung er ist, beobachtete sie aus den Augenwinkeln, diese muskulösen Arme, Evi bat darum nun in das angrenzende Zimmer zu wechseln.
Dort schlüpfte sie blitzschnell unter die Decke des breiten Bettes, voller Erwartung auf lang ersehnte Berührungen.
Doch Hubert nahm sich ohne Umschweife was er suchte, küsste sie derart fordernd, Evi wähnte sich dem Erstickungstode nahe.

Nach diesem burschikosen Überfall befand sich Evi noch lange nachdem die Haustüre ins Schloß gefallen in einer gewissen Schreckstarre.

Doch abermals bastelte sie an einer Suchanzeige, welche folgendermassen formuliert war: „Vitale Frau über sechzig möchte einen Mann mit emotionaler Intelligenz plus weiblichen Anteilen kennenlernen.“

Eine Flut Briefe erreichte sie und erschrocken las sie: „Sehr geehrte Dame, es wäre mir eine große Freude, Sie kennenzulernen, besonderen Wert lege ich auf einen gepflegten Körper, und wenn sie liiert sein sollten, so darf auch selbstverständlich ihr Partner an unseren Sexspielen teilnehmen."
Sofort landete dies Schreiben auf dem Stapel „Entsorgung“.
Dann fiel ihr eine nett mit Veilchen verzierte Zuschrift in die Hände: „Liebe Dame, gerne möchte ich Ihre Bekanntschaft machen, doch vorab muss ich Sie in Kenntnis setzen, dass ich mich hin und wieder in Frauenkleidern wohlfühle."
Evi sortierte auch dieses Schreiben mit spitzen Fingern aus.

Schon war sie bereit, es endlich aufzugeben, da entdeckte sie fast versteckt ein unscheinbares Kuvert und las: „Werte Dame, ich, 68 Jahre, noch jungdenkend, fit, gute Erscheinung, selbstständiger Akademiker, ungebunden, möchte Sie kennenlernen, über baldige positive Antwort freut sich Ihr verehrter Herr K."
Der seriöse Schreibstil gefiel Evi und noch am selben Tag antwortete sie ihm.
Innerhalb einer Woche traf man sich in genau dem Cafe, in dem wir uns befinden.

Und? --- Bin total gespannt, komm, erzähl schon, wie war er?
Die Größe stimmte, du weißt ja, ich mag kleine Männer, ja, ja, ich weiß, hat's endlich gefunkt?
Von hinten ist er genau mein Typ.
Und von vorne?
Von vorne sieht er aus wie ein Frosch!

Halb so schlimm, gab ich zu bedenken, den kannst du dir „schön saufen“, dann lachten wir hemmungslos, unsere Heiterkeit machte sich selbstständig, wir ernteten vorwurfsvolle Blicke, tuschelnde Damen, mit notdürftig versteckten unfrisierten Haaren unter biederen Hutkreationen verstummten neugierig.
Lachtränen kullerten über unsere Wangen, und ich rief inmitten des konsternierten Damenkränzchens: „Hey, wer von euch kennt den perfekten Mann? Son‘e Mischung aus Paul Newman, und Larry Page! Sollte euch solch ein Exemplar begegnen, bitte unbedingt klonen!“

Frau, die einen Froschkönig küsst

Autor: galen

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