Namensgebung
Meine Eltern gaben mir (wahrscheinlich aus gut meinenden Gründen, doch sie hätten mich besser vorher fragen sollen) die beiden Vornamen Irmgard-Magdalene (den Letzteren verdanke ich meiner lieben Patentante Leni, Gott hab sie selig).
In Zeiten der Umwälzungen, auch Pubertät genannt, die bange Frage, bin ich schön genug, bekomme ich überhaupt 'nen Mann ab? Denn allzu gern hätte ich damals Brigitte oder Uschi, auch Rita, sogar eine Zeitlang Bärbel geheißen.
Bei diesem für mich in graugräulichen Farben gekleideten Zuruf: „IRRRRMGARRRD...“ schoss es mir regelmäßig durch Mark und Bein; ich gehorchte unwillig, schaute ängstlich nach rechts und links, um mich zu versichern, ob keine Zeugen zugegen waren.
Ich weiß nicht mehr, an welchem Tag es geschah, es war sicher an einem dieser harmlos daherkommenden, vielleicht ein Donnerstag, ja, es müsste an einem Donnerstag gewesen sein. Meine Freundin Margitta, welche mir seit ihrem zehnten Lebensjahr die Treue hielt, beklagte sich ebenfalls über den harten Klang der doppelten Ts inmitten ihres Namens, welchen sie wie einen Befehl wahrnahm. Dieses -- Margi TT a -- ließ sie stets zusammenzucken, ihre empfindliche Seele (sie ist im Sternzeichen der Fische geboren) vermochte dergleichen nicht mehr hinnehmen.
Jetzt wäre der richtige Moment, um unseren ungeliebten Vornamen den Laufpass zugeben.
Euphorisch, in dieser leidigen Angelegenheit nun auch Verbündete, tüftelten wir an zukünftigen Wunschnamen. Etwa Bella, Jule, gar Mafalda und aus Erinnerungen des jährlichen Ostseeurlaubs mit den Eltern brachte MargiTTa nordisch klingende Namen ins Spiel: Birte sowie Hilke.
Ich hingegen wünschte unter Ilona, Elke, Karin, gar Ilsabe zu firmieren (einer zierlichen, bildhübschen Person aus meiner Klasse und Liebling von Norbert, dem Schwarm aller Mädchen)!
Nach etlichen Verwerfungen und Liebäugeleien kam der Lichtblick: Wie wäre es denn, wenn wir unsere betrüblichen Vornamen „künstlerisch umgestalten“ würden?
Begeistert rief – Margi TT a – ab sofort heiße ich jetzt Maaatschie, hör doch, wie weich und melodisch das klingt!
Fieberhaft rätselte ich nun an meinen sperrigen Namen, es fiel mir schwer diese Buchstaben, Irm plus Magd, zu verwenden, fast neidisch und kurz davor meiner Freundin -- Margi TT a -- vorzuschlagen, wir sollten doch besser alles beim Alten lassen, da kam unverhofft die sprichwörtliche Fantasie zur Hilfe.
Hey, Maaatschie ich weiß jetzt wie man mich in Zukunft nennen MUSS, und erklärte ihr gleich einer mathematischen Formel : Irmgard – Magdalene, welch sanft klingende Buchstaben beinhalten diese Namen ?
Maaatschie schaute angestrengt auf die dahingekritzelte, bald der Vergangenheit angehörige Benennung, wie meinst du das? Versteh ich nicht!
Schau doch mal: Irm - GA- rd -- Magda - LEN - e was fällt dir auf?
Meinst du jetzt die groß geschrieben Buchstaben?
Bravo, kluges Mädchen, ab sofort heiße ich jetzt GALEN mit Betonung auf Len! Denn dies klingt wie Samt über einem edlen Geheimnis.
Seit diesem denkwürdigen Tag waren wir damit beschäftigt unsere neuen wohlklingenden Vornamen unters Volk zu bringen.
Es ist uns gelungen, jedoch auch in diesem Falle gab's und gibt es immer wieder Menschen, vor allem unsere Eltern, welche ohne Skrupel uns weiterhin nannten wie sie es gewohnt.
Mittlerweile sind deren Rufe auf natürliche Weise zwar verstummt.
Doch die Neugier ist keinesfalls verebbt, woher stammen diese außergewöhnlichen Namen, werden wir hin und wieder gefragt...
Unsere Eltern hatten halt ein Faible fürs Besondere, die coole Antwort.
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