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Das Jahr der Gans

„Piep, piep, piep“, macht die kleine Emma aufgeregt im Januar 2020, wie sie mit ihrem Schnäbele die Eierschale durchbricht und die Welt aus der Sicht eines frisch geschlüpften Gänschens entdeckt.

Gans hinter Zaun

Eine Mama gibt es nicht, Emmas Ei wurde in einem Brutapparat ausgebrütet, dafür umgaben sie viele, viele andere gelbe piepende Federknäule, die sich um die Futterschalen drängen. Endlich, im März dürfen die Gänseküken raus aus dem Stall auf eine Wiese. Emma hat das Glück, als Freilandgans aufwachsen zu dürfen. Emma wird schnell größer und größer und sie trägt ein prächtiges weißes Federkleid. Nun wäre sie geschlechtsreif, aber es gibt keinen Gänserich weit und breit. Man bleibt unter Frauen und hat ab und zu ein Abenteuer mit einer Nachbarin.

Dann wird es kühler und plötzlich schneit es und Emma sieht man im Weiß nicht mehr. Emma merkt, wie seit Sankt Martin immer mehr ihre Freundinnen verschwinden. Man wundert sich, dass die Verschwundenen nicht mehr zurückkommen. Man schnattert darüber aber niemand weiß Genaues. Es gibt Gerüchte die verschollenen Freundinnen seien auf einer Kreuzfahrt im Mittelmeer.

Dann im Dezember werden alle in den Stall getrieben. Ein grober Mensch packt Emma am Hals, dann spürt sie einen Schnitt. Er macht keinen großen Schmerz und Emma schnauft kurz auf und ihre kleine Gänseseele verlässt ihren Körper. Aber die Gänseseelen bleiben auf der Erde und so sieht sie zu, wie man ihren Leichnam schändet. Ihr Kopf und die Füße werden abgehauen und in den Abfall geworfen. Raue Hände reißen ihr die Federn aus und legen ihren jungen Körper nackt und bloß, für alle Augen sichtbar, auf einen Tisch. Emmas Seele schämt sich. Ein scharfes Messer schneidet ihren Bauch auf. Alle Eingeweide werden herausgezerrt. Die Leber und ihr kleines Herz werden gesammelt, um Hundefutter daraus herzustellen.

Dann wird der Korpus in eine Plastiktüte gesteckt und in eine Kühltheke gelegt. Es frieren Emmas Überbleibsel leicht bläulich und es bildet sich eine Gänsehaut. Einen Tag vor Weihnachten nimmt Emmas Überreste jemand mit nach Hause. Man hält sie kurz unter einen Wasserhahn, tupft sie trocken, man salzt sie von innen und außen. Ihren Bauch füllt man mit Äpfeln und Orangenschnitze und gibt Beifuß dazu.

Man bindet ihre Beine zusammen und schiebt sie in den Ofen. Am Anfang war es wunderbar warm und Emmas Leichnam fühlte sich sehr wohl, aber dann wurde es richtig heiß. Eineinhalb Stunden ließen die Emmas nackten Körper bei 180° ganz alleine in der Röhre schmoren. Die Haut wurde brauner und brauner.

Nun wurden Emmas Überreste aus dem Ofen gezerrt und auf einer Platte mitten auf einen Tisch gelegt. Es ertönte ein Lied: „Stille Nacht Heilige Nacht“. Glöckchen läuteten und Kinder riefen, „das Christkind kommt.“ Dann stach man Emma eine Gabel in die Brust und zerlegte sie in 4 Teile. In einem Buch hatte Emma gelesen, dass man früher Verbrecher vierteilte.

Nachdem nichts mehr Körperliches von Emma vorhanden war, schwang sich ihre Seele hinauf ins Universum, wo sie auf einer grünen Wiese landete, auf der viele Gänse lebten und sie traf ihre Freundinnen wieder, die von denen sie dachte, sie befänden sich auf einer Kreuzfahrt im Mittelmeer. Emma lernte einen netten Gänsemann kennen. Acht Eier legte Emma und acht puschelige, gelbe Gänseküken waren das Ergebnis. Menschen gab es keine und so lebten sie glücklich und zufrieden in der Unendlichkeit weiter und weiter!

Autor: Fiddigeigei

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