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Eifelrauschen

Zur Erinnerung an Andrea Fleurbleue.
Sie hat mir damals diesen Wandertipp gegeben. Nun ist sie selbst auf die große Wanderung gegangen.


Warum hat er wohl diesen Titel gewählt - der einsame Wanderer auf dem Eifelsteig?
Das Erste, was ihm auffiel, war das ewige Rauschen. Ein Rauschen mit einem besonderen Klang - dem Klang der rauen, lieblichen, abwechslungsreichen Naturschönheit der Eifel. Fast die ganze Strecke führt an wilden, mit der Natur verwobenen Bächen und urwüchsigen Flüssen entlang, die munter ihre Geschichten erzählten. Selbst in den Herbergen war das Rauschen oft die „Gute Nacht“.

Bekenntnis
Keiner, der den Wanderer kennt, wird von ihm erwarten, dass er nun einen neuen Reiseführer zur bereits bestehenden Vielzahl hinzufügt. Es wird erzählt, wie es kommt und geht.

Los geht’s
Wie immer chaotisch und plötzlich. Ungeplant. Rucksack gepackt und ab mit der Bahn. Vorher Kampf der Geschlechter über das zu Transportierende. Was muss und was kann. Schließlich Einigung bei 15 kg Rucksackgewicht...

Marsch
Ab Trier gleich ein Stück auf dem Jakobsweg. Das macht Mut. Man merkt sofort, dass hier die Römer waren. Viele Esskastanien! Die Porta Nigra belagert von Touristenströmen. Dann himmlische Waldesruhe und Einsamkeit.

De Oecherche
Der Hunger plagte mich. Auf einer Bank mit Aussicht gibt es leckere Nüsse und Rosinen aus dem XXXXL-Rucksack. Na, was ist das denn? Eine kleine Pfote greift von meiner Schulter aus in die Futtertüte. Der Kobold ist so leicht, dass ich gar nicht gespürt habe, wie er sich auf meine Schulter geschwungen hat.
„Wer bist du denn?“, frage ich.
„Ich, ich bin ein Eifelhörnchen und wenn du willst, begleite ich dich auf dem Eifelsteig“ Und ob ich wollte.
„Natürlich nur, wenn ich aus deiner Tüte mitfuttern darf.“
„Klar! Und wie soll ich dich rufen?"
"Man nennt mich Öcherche."

Im Stillen habe ich es Öcherle getauft, das geht besser von meinen alemannischen Lippen. Eifelhörnchen sind sehr possierlich und ich freute mich darauf, nicht ganz alleine wandern zu müssen. Außerdem sind Eifelhörnchen gute Führer. Von den Bäumen aus übersehen sie die Wege und Steige.

Genüsse
Der Mensch und insbesondere der Wandersgesell, lebt nicht nur von guter Luft. Bei des Wanderers letzter Tour durchs Saarland gab es durchgehend Lyoner in vielen Varianten und an allen von Menschen bewohnten Orten. In der Eifel gibt es das nicht. Eine Ausnahme ist die flinke Eifelforelle, die ihrer Kollegin, der Schwarzwaldforelle, durchaus davonschwimmen kann.

Aber, Wanderer, kommst du in das historische Städtchen Monschau, wirst du mit Senf traktiert. Da gibt jeder seinen Senf dazu. Senfsoße, Senfschnitzel, Senfsuppe (sehr lecker), Senfeis (na), Senfseife (na, na), Senfzahnpasta (na, na, na), Senfmarmeladen (na, na, na, na). Der Senf scheint dort aus jedem Haus zu quillen. Öcherche bestellte sich ein Monschauer Dütchen. Knusperig und süß.

Getränke
Bitte ein Bit und Warsteiner. Leffe, ein dunkles Klosterbier aus Belgien. Sieht aus wie Kaffee, schmeckt aber gut. Da ich kein Biertrinker bin, habe ich mich an den „Viez“ gehalten, ein trockener Most nach meinem Geschmack. Besonders aber muss ich das gute Eifelwasser loben. Aus jedem Hahn, morgens frisch gezapft, war es immer im Rucksack dabei.

Der Eifeler
Meine Erfahrungen waren alle positiv. Sprachlich ist ein Unterschied zwischen Süd- und Nordeifel. Im Norden war mir nie ganz klar, ob ich im Moment mit einem Eifelplatt sprechenden Deutschen, einem Holländer oder Belgier zu tun habe. Öcherche verstand alle, ein guter Dolmetscher. Alle Eifeler schienen mir nicht auf den Mund gefallen zu sein und über eine gute Portion Humor zu verfügen.

Maare und Vulkane
„Die Blauen Augen der Eifel“, hat sie eine Dichterin genannt. Das möchte ich noch verstärken mit „verträumten“ - die verträumten Blauen Augen. Als Öcherche und der Wanderbursch von Manderscheid hinauf Richtung Daun stiegen, waren beide fröhlich. In Manderscheid hatten sie in einer Jugendherberge genächtigt und es ging dort sehr lustig zu. So viele Kinder und alle wollten mit dem Eifelhörnchen spielen und fütterten es unentwegt, dass es ihm fast schlecht wurde.

Jetzt aber, die Kinder schliefen noch in den Stockbetten, schien die Frau Sonne bereits auf die beiden Eifelsteiger herab. Der Wegesrand bot dem Wanderer ein zweites Frühstück aus reifen Brombeeren und Öcherche sprang in ein Hagelnussgesträuch, um sich die Nüsslein zu holen und mit den leeren Schalen nach mir zu werfen. So ein frecher Freßsack!

Mein rechter großer Zeh machte wieder einmal Zicken, aber er wurde einfach missachtet und erhielt zur Strafe ein Pflaster verpasst. Langsam versank Manderscheid mit seinen romantischen Burgruinen im Morgendunst und in den tiefen dunklen Wäldern. Trotz der Sonne war es noch richtig kalt und der kommende Herbst warnte mit gelben Blättchen, die durch die Luft daher segelten. Der Steig war so wunderbar schmal, dass man Fuß vor Fuß setzen musste. Neben uns rauschte uns die Lieser in ihrem urtümlichen Bett ein Morgenlied. Fast auf 550 Meter stiegen wir in Richtung des Hohen List auf. Ein Observatorium steht dort oben. Sehr alt, aber immer noch von der Uni Bonn genutzt.

Wenn man von oben herab auf einen Vulkankrater blickt, stellt man fest, dass dort ein anderes Klima zu herrschen scheint. Es wachsen dort Fruchtbäume wie Äpfel und Pflaumen und sogar Kirschen. Und mittendrin oft diese „Blauen verträumten Augen der Eifel.“ Viele Maare sind natürlich Touristenattraktionen, es gibt aber auch ganz stille. Die haben mir am besten gefallen. Schön ist es dort, mit und ohne Touristen auf jeden Fall.

Über Daun herrscht auf dem Mäuseberg 561m hoch der Dronketurm, den wir unter leichtem Ächzen bestiegen haben. Von dort aus könnte man vor Freude über die fantastische Rundumsicht die ganze Welt umarmen. Unter uns ein blaues träumerisches Auge – das Gemünderner Maar! Einfach schön und ich habe von dort oben einen Jodler hinausgejuchzt über die Eifellandschaft, dass das Öcherche fast vom Turm gefallen wäre, so erschrocken. Jodeln tun nämlich die Eifeler nicht, nur die Schwarzwälder!

Diese Nacht schliefen wir in einem Zimmer direkt an einer Wiese, die gerade frisch gemäht wurde. Welch ein Duft. Ich sah noch, wie Öcherche sich ein paar Nüsse aus unserer Fourage stibitzte und auf einem Nussbaum seinen Schlafplatz lieber im Freien einrichtete. Eifelhörnchen schnarchen, aber ganz leise.

An der Salm entlang
Von Bruch aus führt uns der Steig nach Kloster Himmerod. Wieder so ein Pfad nur gemacht für eine Schuhbreite. So dicht stehen herrliche hohe alte Buchen und lassen deshalb keinen Sonnenstrahl auf das dunkle Wasser der Salm gleiten. Der Fluss fließt ruhig, eher still und flüstert nur, wenn er durch querliegende Baumstämme oder Basaltbrocken aufgehalten wird. Unheimlich, kein Glitzern, kein Gleißen, nur flüssige Lavaschwärze.

Dann erreichen wir eine Stelle, wo eine der riesigen Buchen gefallen ist. Sonnenstrahlen legen sich auf das Wasser. Der schwarze unheimliche Fluss wechselt auf einem kurzen Stück zu einem Stück Leinwand, auf der sich ein Maler in einen Farbrausch versetzt hat.

Keine Kamera? So will ich das Erlebte am schwarzen Salm in mir forttragen.

Kloster Himmerod
Hallo, hallo, ist dort Pater Stephan? Ein Wanderbruder hat es mir geraten. Eine Nacht im Kloster. Es klappt, ich darf kommen.

Verschwitzt und atemlos stehen wir vor dem Eingang. Es dauert ein bisschen, bis ich meine „Zelle“ zugewiesen bekomme. Dort ist es einfach und schlicht. Abendessen ist um 18 Uhr! Öcherche ist angespannter als ich. Ich beruhige. Der Hl. Franziskus von Assisi hat alle Tiere sehr gemocht, auch Eifelhörnchen.

Um 17 Uhr gab es einen Vespergottesdienst in der mächtigen Klosterkirche. In ihrer Einfachheit gebaut besteht ihr Sinn allein darin, nur an Gott zu denken. Der Gesang der Mönche und Brüder in ihren schwarz-weißen Kutten ist ruhig und gleichmäßig und schwebte hinauf in die Kuppel. Ich fühle mich irgendwie geborgen und glücklich wie selten in meinem Leben. Er hat alles recht gemacht!

Der halbe Liter Klostervietz in meiner Zelle als Abendtrunk genossen, lässt mich rasch einschlafen. Öcherche meinte am anderen Morgen etwas beleidigt: „Du schnarchst“.

Abschied
Monschau, du romantisches Städtchen, lässt die Abschiedsglocken läuten. Die Bürger liegen noch im Schlafe und träumen neuen Senfgenüssen entgegen. Sehr früh stehen wir auf den Beinen. Es ist ein gutes Stück Weg bis Kornelimünster. Kaiser Karls Bettstatt erinnert uns an den ersten Europäer. Es sind zwei Steine. Auf dem einen soll Karl geschlafen haben, auf dem kleineren sein Diener. Abdrücke sind noch bei viel Fantasie erkennbar. Wir ziehen durch die Heckenlandschaft und sehen hinter hohen Hecken versteckt Bauernhäuser, gebaut aus rohen Felsbrocken. So eine Rotbuchenhecke kann bis zu 8 Meter hoch wachsen. Kunstwerke von Mensch und Natur!

In Rötgen riecht's gewaltig nach „Fritten“. Es liegt direkt an der belgischen Grenze.

Dann Kornelimünster in Sicht. Öcherche ist ganz still geworden, auch der Mensch schweigt. Am Eingang von Kornelimünster treffen wir wieder auf ein Stück Jakobsweg. Dort steht eine kleine Kapelle zu Ehren des Hl. Antonius, der den Jakobspilgern seinen Wandersegen erteilt.
Auf einer Bank essen wir zusammen die letzten Nüsse. Die Tüte ist leer. Öcherche verschwindet mit einem Satz im Wald.

Weinen Eifelhörnchen eigentlich?
Ich weiß es nicht, aber mir ist etwas ins Auge geflogen und ich brauche ein Taschentuch.

Nachdenken
Da gäbe es noch viel zu erzählen, von Landschaften, Kirchen und Kapellen, den Menschen, dem Hohen Venn, das man nicht betreten darf und einsame Kreuze am Wegesrand.
Dem Kaiser habe ich natürlich meine Referenz erwiesen. Mein rechter großer Zehenonkel hat nicht aufgehört, mich zu piesacken. Hat ihm aber nichts genützt. Da muss er durch!

Ob ich einmal zurückkommen werde? Schön wäre es schon.

Eichhörnchen vor einem Einkaufswagen mit Nüssen

Autor: Fiddigeigei

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