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„Wo die Liebe hinfällt …“

Franz war ein sehr gut aussehender und liebenswerter Mensch.
Ich erinnere mich, dass er während des Krieges, zu Beginn seines Heimaturlaubs, zunächst zu uns kam, um ein Bad zu nehmen, waren wir doch die Einzigen in der Familie, die ein richtiges Badezimmer besaßen. Wenn Franz in der Badewanne saß, war Konzert angesagt, was mir kleinem Mädchen ungeheuer imponierte. Zwar kannte ich zur Genüge Papas Bassarien, aber die Stimme von Franz war etwas völlig anderes. Ich stand dann gespannt lauschend an der Badezimmertür und hörte, begleitet von Wassergeplätscher,
„Im Frühtau zu Berge“ die „bunten Fahnen wehen“.

Einen anderen Urlaub verbrachte Franz später in Bayern auf einem Bauernhof, wo er Fine kennen und lieben lernte. Die beiden blieben auch nach dem Krieg in Verbindung. Und eines Tages kündigte Franz seinen Besuch bei uns an, um Fine seiner Familie vorzustellen.

Ich war mittlerweile zwölf Jahre alt und sehr neugierig auf dieses Liebespaar.
Wie mochte Fine aussehen? Ob sie lange blonde Haare hatte, Haare, von denen ich als Dunkelhaarige schon immer träumte? Ob sie ihre Lippen schminkte und die Augenbrauen nachzog? Und vor allem, welches Kleid würde sie tragen? Vielleicht so ein modernes, wie in Mutters Modeheften?
Doch ich erlebte einen Schock.
Ich fand Fine ausgesprochen hässlich. Sie trug ein Dirndlkleid mit Schürze und war alles andere als schlank. Eine Schürze war für mich der Inbegriff von Hausarbeit und durfte schmutzig werden. Fines Haut war sonnengegerbt, ihre Hände abgearbeitet und faltig von der vielen Feldarbeit. Die vorstehenden oberen Zähne erinnerten an die eines Goldhamsters, ein Eindruck, der sich noch verstärkte, wenn sie lachte.
Außerdem sprach sie ein Bayrisch, das kein Mensch bei uns verstand. Die Familie reagierte betreten, und nicht nur mir war es ein Rätsel, was der schöne Franz an dieser Frau fand.

Die beiden heirateten, und Franz zog zu Fine in einen Anbau des elterlichen Bauernhofs. Fine überließ ihren beiden Brüdern die Feldarbeit und kümmerte sich mit ihrem Franz nur noch um den eigenen Garten.
Zwar bekamen sie keine Kinder, aber Franz liebte seine Frau innig und sie ihn. ‚Schnucki‘ hier und ‚Mausi‘ da.
Bei jedem Besuch betrachtete ich die beiden wie ein Weltwunder.

An einem Samstagnachmittag im Frühling war Franz in den Garten gegangen, um ein wenig frische Luft zu schöpfen. Fine hatte den Kaffeetisch gedeckt und den Kaffee schon eingegossen. Aber Franz kam und kam nicht. Bis Fine nach draußen ging, um nach ihm zu sehen.
Sie erlebte D E N Schock ihres Lebens. Inmitten der bunten Tulpenpracht sah sie Franz am Boden liegen. Sein Herz hatte versagt.
In unermesslicher Trauer und einsam blieb Fine zurück und folgte ihrem Franz nach nur knapp einem Jahr.
Aber in meiner Erinnerung waren sie in der Tat ein ideales Ehepaar, jahrzehntelang.

Autor: fleurbleue

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