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Tante Elses „Wachhund“

Comic-Pute

Eigentlich war Tante Else ja gar nicht meine richtige Tante. Sie wohnte drei Häuser weiter, war mit meinen Eltern befreundet und für die Nachbarskinder und mich war sie eben „Tante Else“, die alle mochten, weil sie meistens lachte und fröhlich war.

Sie war schon einige Jahre verwitwet und lebte allein in ihrem kleinen Haus am Waldrand. In ihrem Garten, der im Sommer ein einziges Blumenmeer war, baute sie auch an, was sie zum Leben brauchte und was zu viel war, kam in Einweckgläsern in die Speisekammer für den Winter (PS: Speisekammer war früher das, was heute die Tiefkühltruhe ist).

Da gab es Gläser mit Obst und Gemüse, süß-sauer eingelegten Kürbis, Gurken, Sauerkraut, selbst gemachte Marmelade und Sülze. Manchmal machte sie für uns Kinder Grießpudding mit Kirschen und das war immer wie ein Feiertag!

Tante Else hatte eine Katze namens Mimi, damit die Mäuse nicht die Körner für das Geflügel fraßen. Sie hatte 10-12 Hühner und ein paar Gänse. Garten und Viehzeug hielten sie ganz schön auf Trab und das Wort „Langeweile“ war zu der Zeit noch ein Fremdwort.

Kinder hatte sie leider nicht, und außer einer Cousine auch sonst keine Verwandtschaft. Nun, diese Cousine – ich glaube sie hieß Hermine – wohnte ca. 3 Orte weiter weg und besuchte eines Tages Tante Else. Sie brachte ihr ein geschlachtetes Kaninchen mit und ein lebendes Putenküken in einem Karton.

„Na ja“, dachte sich Tante Else, „wo Hühner und Gänse sind, da passt auch noch ein Puter hin.“ Und – oh Wunder – sie haben sich vertragen und es gab keinen Knatsch im Hühnerhof. Da er nun mal der Einzige seiner Rasse im Stall war, bekam er einen Namen und wurde „Egon“ getauft. Egon wuchs sehr schnell, überragte erst die Hühner und dann die Gänse.

Ob es nun eine besondere Rasse war oder einfach nur die liebevolle Pflege – auf jeden Fall war er nach einem Jahr riesengroß und hatte natürlich das Sagen im Hühnerhof. So nach dem Motto: Alles tanzt nach meiner Pfeife – äh, meinem Krähen!

Um zu Tante Elses Haustür zu gelangen, musste man an dem mit Draht abgegrenzten Teil vorbei, in dem sich das Federvieh aufhielt und mittlerweile traute sich kaum noch jemand dorthin, denn Egon entwickelte sich zum „Wachhund“. Jeder, der sich dem Zaun näherte, wurde „beschimpft“ und attackiert, wenn er zu nahe kam.

Wer mal mit einem ausgewachsenen Puter Bekanntschaft gemacht hat, weiß, wovon ich rede.

Der Tante tat er nichts, sie konnte ihn sogar streicheln und es schien, als ob er es genoss. Aber alle anderen waren Egons „Feinde“, die es zu vertreiben galt. Also mussten wir uns etwas einfallen lassen.

Hinter dem Haus von Tante Else verlief ein kleiner Bach, über den wir mit Brettern einen Steg gebaut hatten. Und wenn wir sie besuchen wollten, nahmen wir nicht den Haupteingang an Egon vorbei, sondern schlichen uns von hinten über den Bach zur Rückseite des Hauses.

Eigentlich sollte Egon ja mal irgendwann im Kochtopf landen, aber Tante Else hat es nicht übers Herz gebracht, sich von ihrem außergewöhnlichen „Wachhund“ zu trennen. Also bekam er das Gnadenbrot und ist ziemlich alt geworden.

Autor: ehemaliges Mitglied

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