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Stupsi kämpft gegen die Prothese

Zeit für Ingrid

Es war noch früh an diesem Morgen. Es war mir zur Gewohnheit geworden, jeden Tag mit dem gleichen Ritual zu beginnen. Als erstes kümmerte ich mich um meine Prothesen. Der Zahnarzt hatte erhebliche Fehler gemacht. Ich musste die Zähne jeden Tag einkleben, sonst hafteten sie nicht. Am besten saßen sie, wenn der Kleber ein wenig angetrocknet war. Deshalb saß ich an meinem Schreibtisch, bewachte meine Prothesen und prüfte meine eingegangenen E-Mails.

Auch mein Kater Stupsi hatte sich an diesen Rhythmus gewöhnt. Wenn er ins Zimmer kam, war ich fertig mit meiner Post und die Zähne saßen dort, wo sie hingehörten. An diesem Morgen hatte Stupsi irgendetwas geweckt. Er war früher als üblich unterwegs und meldete sich mit einem kurzen Miau. Das bedeutet: „Ich möchte auf deinen Schoß. Und gekämmt und gestreichelt werden möchte ich auch.“ Es genügte, wenn ich nickte. Doch verstand er auch mein „Ja, komm.“ oder eine Handbewegung. Dieses morgendliche Ritual genoss er immer sehr. Je schöner es für ihn war, desto lauter wurde sein Schnurren. Während ich Kamm und Bürste aus der Schublade holte, legte er sein Kinn auf die Schreibtischkante und machte den Hals lang. Dann sah ich, dass sich seine Ohren nach vorn aufrichteten und sein Schwanz unruhig wurde.

Was waren denn das für rosa Dinger direkt vor seiner Nase. Meine Prothesen hatte er noch nie gesehen. Kämmen und Streicheln waren vergessen. Neugierig musste er jetzt untersuchen, was da lag. Stupsi erhob sich, um besser schnuppern zu können. Ich wusste, dass der Kleber, frisch aufgetragen, stark haftete. Während ich ihm „NEIN, Stupsi, NEIN“ zurief, versuchte ich ihn mit meinen Händen zurückhalten. Damit war mein süßer Kater nicht einverstanden. Er protestierte mit einer Schlenkerbewegung und sprang auf die Schreibtischplatte.

Er drehte sich zu mir um und strafte mich mit seinem Blick. Damit wir zwei in Augenhöhe sind, setzte er sich und landete mit seinem Po direkt auf den Prothesen! Erschrocken kam er wieder hoch und sprang auf den Teppich, die Prothesen fest an seinem Po. Er drehte sich, machte einen Satz in die Höhe und rutschte mit den Zähnen über den Teppich. Die Prothesen schlenkerten hin und her. Aufgeschreckt vom Lärm kam Enno aus der Küche. Stupsi sah ihn und rannte um ihn herum. Die wippenden Zähne sahen aus, als wollte der Kater mit seinem Po jeden beißen, der ihm zu nahe kam. Was für ein Bild!

Das Chaos war perfekt. Enno wollte Stupsi einfangen. Der versuchte sich zu verstecken, unter Tisch und Stühlen verkroch er sich. Doch Enno krabelte unter den Tisch und fischte das nervöse Katerchen hervor. Ich befreite Stupsi von den Prothesen, die Klebereste hafteten hartnäckig an ihm.

Doch durch die Toberei war ein Stoß Papiere ins Rutschen geraten und hatte sich auf dem Fußboden verteilt. Stupsi, der sich aus Ennos Armen gestrampelt hatte, begann sich zu putzen. Er sah uns missbilligend an, erhob er sich und wollte würdevoll den Raum verlassen. Doch nun hafteten zwei Zettel an seinem Po.

Enno und ich sahen uns hilflos an. „Wie löst man Kleber wieder auf?“, flüsterte er. „Mit warmem Wasser“, kam meine ebenso leise Antwort. Wir schauten beide zu Stupsi. Jetzt bloß kein falsches Wort, er verstand uns. „Denkst du, was ich denke?“, fraget Enno. Ich nickte nur.

Doch Stupsi hatte es verstanden, aufgeregt rannte er mit dem Papier am Po im Kreis durch die Wohnung. Vom Zimmer über den Flur ins Wohnzimmer, durch die offene Schiebetür, dann ins kleine Arbeitszimmer zurück. Er lief im Kreis bis Enno, der ihn verfolgte die Richtung änderte. Ich hatte inzwischen das Bad vorbereitet. Enno sprang mit Stupsi in die Dusche und schützte seinen Kopf unter seiner Wolljacke. So schnell ich konnte wusch ich Stupsis Po mit viel warmem Wasser.

Nach diesem nicht ganz freiwilligen Bad waren wir zwar alle nass, aber dafür kleberfrei.

Was glaubst du? Hat unser kluges, liebenswertes Katerchen daraus gelernt? Nein, nach zwei Tagen hatte er das Erlebnis vergessen. Nach wie vor springt er morgens auf meinen Schoß. Neugierig steckt er seine Nase in alles, was er nicht kennt. Nur mit dem Po hatte er es nicht wieder versucht.

Autor: Zwillingsjungfrau

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