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Hoffest im roten Wedding, Berlin

Im roten Wedding in Berlin, aufgewachsen in einer Straße, die zum großen Teil aus Ruinen bestand, gab es nur einige noch bewohnte Häuser und wenige Geschäfte. Die heruntergekommenen Altbauten hatten zum Teil 5-7 Hinterhöfe, noch mit Kuhstall, Schlächterei, Hühnern und vielen kriegsverletzten Menschen, körperlich und auch seelisch. Manche hatten „een appes Been oder een appen Arm”. Die Wohnungen waren eng, dunkel, die Klos im Treppenhaus. Wir spielten in den Ruinen, es gab viele Kinder, die sich zu Banden zusammenschlossen. Die Hierarchie hatte man schnell gelernt. Groß war die Vorfreude auf ein angekündigtes Hoffest in einem der Häuser. Dieses Jahr war unser Haus dran. Kinder, die in dem Haus wohnten, in dem das Fest stattfinden sollte, hatten freien Zugang, die anderen aus den Nachbarhäusern mussten einen geringen Eintritt zahlen. Schon ein bis zwei Wochen vorher erwachten die Menschen zu neuem Leben... Einige Leute übernahmen die Organisation, denn meist waren mindestens hundert Teilnehmer dabei. Wir Kinder bastelten Fähnchen, malten Eintrittskarten, bereiteten Spiele vor. Die Erwachsenen kümmerten sich um das Essen, die Musik und das Programm. Aus wenig machten sie viel, die kommende Woche gab es Schmalzstullen.

Am Festtag gab es ein großes Gewusel, der Hof wurde geschmückt, ein provisorischer Grill aufgebaut, Tische und Stühle nach draußen geschleppt, „wann is ‘nen 5?” Endlich, die Stimme von Onkel Pelle, es gab kein Halten mehr. Wir stürmten den Hof, blieben andächtig stehen, alles war so schön geschmückt, „kiek mal, soville Essen!” Es roch nach Würstchen, Kuchen, sauren Gurken; wie Weihnachten im Freien. Onkel Pelle warf händevoll Bonbons, und wir stürzten uns drauf. Dann setzen wir uns barfuß auf den Boden und lauschten, einige Nachbarn hatten alte Instrumente und spielten erstmal für uns und die Gäste aus den anderen Häusern das Lied von der Krummen Lanke:

„Und denn saß ick mit de Emma uff de Banke
Die Orgel, ach die hat so schön jetönt,
wir dachten beede an die Krumme Lanke,
Und die janzen vielen Tanten ham jeween…”

Wir alle sangen aus voller Kehle mit und so manche Träne is jeflossen. Dann begann das Programm, mein Vater als Besitzer des einzigen Tante-Emma-Ladens hielt eine Rede im Berliner Jargon. „Kiek ma, Vater hat jute Laune!” „Na klar manne, der will ja neue Kunden habn, die bei ihm koofen!

Nach einem reichlichen Schmausen, wir stopften alles in uns rein, bis uns fast schlecht war und vor lauter Lachen bekamen wir Bauchweh. Es gab Wettspiele, Würstchen schnappen, Rätsel raten und zwischendurch „ooch mal eine Maulschelle“, wenn wir es zu arg trieben. Um 20 Uhr wurden alle Kinder ins Bett geschickt, denn nun begann für die Erwachsenen das tanzen und der Alkohol floss in Strömen. Wir wohnten Parterre und konnten noch lange unsere „Neesen” am Fenster platt drücken und die Erwachsenen sehen, wie sie tanzten, torkelten und johlten, bis wir trotz der Lautstärke müde, erschöpft und glücklich einschliefen.

Autor: Feierabend-Mitglied

Hinterhof in Berlin

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