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Umzug nach 32 Jahren

32 Jahre wohnte ich in einer 4 Zimmerwohnung in der 4.Etage, eine wunderschöne Wohnung, lichtdurchflutet mit einer großen Terrasse, aber ohne Fahrstuhl. In diesen Räumen sind meine Kinder aufgewachsen, verschiedene Haustiere lebten mit uns, es war eine Umgebung mit unzähligen Erinnerungen. Die Miete war günstig durch einen Alt-Mietvertrag. Ich bekam innerhalb kurzer Zeit zwei Bandscheibenvorfälle und die Altbautreppen wurden mühsam. Nun begann ich, zu suchen und nutzte diese Zeit, einmal zu sichten, was sich in den Jahren alles angesammelt hatte. Es kamen Dinge zum Vorschein, an die ich jahrelang nicht gedacht habe. Beim Auszug meiner beiden Töchter hatten sie vieles zurückgelassen, die Enkelkinder groß, sie meinten aber, "schmeiß es nicht weg, irgendwann holen wir noch einige Sachen." Aber dieses Irgendwann kam nie.

Nach zwei Jahren fand ich eine passende 2 Zimmerwohnung in der 1.Etage, hell, ruhig, mit großem Balkon und einer großen Wohnküche, der Wechsel von 120qm auf 60qm stand an und damit eine Zeit des Abschiedsnehmens, des Loslassens der Erinnerungen, schöner und auch schwerer und schmerzlicher. Ich hatte eine große Diele, dort stellte ich drei Körbe auf, in denen ich sortierte. Ein Korb bekam die Dinge, die ich spendete, ein anderer, was weggeworfen wurde, in den dritten all das, wovon ich mich noch nicht trennen wollte. So saß ich oft lange im Schneidersitz, nahm Dinge in die Hand legte sie wieder weg, Bilder liefen in meinem Kopf und viele Gefühle.

Dinge, die viel Emotionen in mir weckten, legte ich um mich herum und so saß ich oft lange im Kokon meiner Gefühle und ließ Erinnerungen fließen, die mich lächeln ließen, aber auch Tränen flossen. So betrachtete ich gebastelte Geschenke zum Muttertag, Briefe aus den Ferien meiner Töchter übervoll mit herrlichen Schreibfehlern, gebastelte Weihnachtssterne, alte Bilderbücher und zwei handgeblasene Glaskugeln. Schließlich fiel mir das Tagebuch meiner Tochter in die Hände, das sie mit 12 Jahren geschrieben hatte., das war eine große Versuchung. Immer wieder nahm ich es in die Hand, aber ich öffnete es nicht, legte es in meinen Schrank und würde es ihr bei ihrem nächsten Besuch geben, solange hatte sie es gesucht.
Manchmal vergaß ich dabei die Zeit, hing meinen Erinnerungen und Gefühlen nach und ließ alles zu, was aus der Tiefe in mir aufstieg. Das Loslassen war ein langer Prozess von ca. 4 Wochen, ich ließ mir alle Zeit, die ich brauchte. Auf diese Weise nahm mein Leben noch einmal Gestalt in mir an und es versank nicht im Unterbewusstsein. Als der Umzug anstand halfen mir meine Töchter und Enkelkinder, ich fühlte mich befreit von altem Ballast und alten Schmerzen. Ein neues Leben lag vor mir, mein Leben, für das ich allein verantwortlich war und es selbst füllen konnte. Dieser Schritt hat in mir eine tiefe Dankbarkeit ausgelöst, der rote Faden so vieler Jahre bekam eine klare Struktur, ich verstand nun so vieles und war offen und bereit, für alles, was noch kommen würde.

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Autor: Feierabend-Mitglied

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