Offene Beziehung: Ein alternatives Partnerschaftsmodell?
…und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende: Viele Personen erhoffen sich eine Beziehung mit bedingungsloser Liebe. Für die meisten gehört dazu unbedingt sexuelle Treue. Die Realität sieht aber anders aus. Auch wenn die Zahlen nicht eindeutig sind, kann man grob sagen, dass annähernd jede dritte Person schon einmal fremd gegangen ist. Passiert das, ist das ein Vertrauensbruch, der häufig nicht mehr wiedergutzumachen ist oder zumindest starke Spuren in einer Beziehung hinterlässt. Was aber, wenn man sich von vorneherein dafür entscheidet, einander nicht ‚treu‘ zu bleiben?
Beziehungen im Wandel
Verliebt, verlobt, verheiratet – bis dass der Tod euch scheidet. Das war das Beziehungsmodell der vergangenen Jahrhunderte. Längst ist das nicht mehr der Fall. Nicht nur, dass etwa jede dritte Ehe geschieden wird; viele Partnerschaften kommen heute ohne Trauschein aus – quer durch alle Generationen. Es verändert sich etwas in der Wahrnehmung von Beziehungen. Hinzukommt, dass immer weniger Frauen die Ehe als Versorgungsmodell anstreben oder benötigen, sie werden immer unabhängiger. Dementsprechend bleiben sie lieber allein, als in unglücklichen Partnerschaften zu verharren. Dieses neu Denken von Beziehungen spiegelt sich dementsprechend auch in der Sexualität wider.
Das Prinzip „Offene Beziehung“
Beziehungsformen, die sich von der traditionellen Monogamie unterscheiden, werden auch als einvernehmliche Nichtmonogamie bezeichnet. Eine davon ist die offene Beziehung: Unabhängig davon, ob sie in einer Ehe oder Partnerschaft stattfindet, erlaubt die offene Beziehung sexuellen Beziehungen mit anderen Personen. Andere Modelle sind beispielsweise das Swingen oder Polyamorie. Der Unterschied zum Fremdgehen liegt in der absoluten Transparenz und dem gegenseitigen Einverständnis. Es wird also nicht hintergangen oder gelogen, sondern findet in gemeinsamer Absprache statt.
Woher kommt das Bedürfnis?
Der Wunsch nach einer anderen Person hat nicht zwingend damit etwas zu tun, dass in der Beziehung etwas schiefläuft. Die Gründe dafür, sich zu einer anderen Person hingezogen zu fühlen, können vielfältig sein. Vielleicht werden nicht alle sexuellen Bedürfnisse innerhalb der Partnerschaft erfüllt, eventuell ist ein Partner gesundheitlich dazu nicht mehr in der Lage, oder es liegt schlichtweg an der Tatsache, dass eine Person häufiger aktiv werden möchte als die andere. Aber auch unterschiedliche sexuelle Neigungen und Bisexualität können Gründe dafür sein, sich zu öffnen. Eine weitere Motivation kann schlichtweg im Begehren nach fremden Körpern, der Aufregung des Unbekannten und dem Wunsch nach Bestätigung liegen.
Und die Eifersucht?
Natürlich kann es in einer offenen Beziehung genauso zu Eifersucht kommen wie in einer monogamen. Es ist nicht leicht, sich darauf einzulassen, mit anderen sexuell aktiv zu werden. Gleichzeitig heißt es aber nicht zwingend, dass die Eifersucht größer ist – das ist wissenschaftlich noch nicht gut genug untersucht. Die Studien weisen derzeit aber eher darauf hin, dass Eifersucht grundsätzlich individuell ist.
Wie kann es gelingen?
Wichtig ist, dass die Beziehung an sich auf einem stabilen Fundament steht. Es muss absolute Offenheit und vor allem Vertrauen bestehen. Wenn eine Öffnung dazu dient, um die eigenen Probleme zu vertuschen oder ihnen zu entfliehen, ist die Katastrophe unvermeidlich. Grundbedingung sollten gerade zu Beginn klare Regeln und regelmäßige intensive Kommunikation sein. Wer braucht was? Welche Grenzen dürfen nicht überschritten werden? Wie oft und unter welchen Umständen darf man andere sehen? Wie geht es einem mit der Situation? Und: Eine offene Beziehung heißt nicht, dass sie immer offen sein muss. Sie kann (und sollte) immer wieder neu verhandelt werden, indem sie zum Beispiel temporär geschlossen wird, wenn es die Situation erfordert oder ein Partner das braucht. Und dann muss das auch sofort und ohne Diskussion akzeptiert werden. Schließlich liegt die emotionale Treue immer noch beim Partner, mit diesem führt man die Beziehung – nicht mit den anderen.
Ob das Modell der offenen Beziehung für einen oder die eigene Beziehung funktioniert, kann man im Vorhinein nicht sagen. Das ist von Fall zu Fall verschieden. Eines ist aber unverhandelbar: Beide Partner müssen immer an Bord sein.
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