Besuch des Atomkraftwerkes (AKW) Biblis
Seit März stand der Besuch, der von Irmtraud organisiert wurde, von 9 Feierabendler/ innen fest - so lange war die Voranmeldezeit. Für dieses Jahr sind schon alle Führungen ausgebucht. Das außerhalb des KW liegende Informationszentrum, das immer besucht werden kann, bietet Informationen rund um Themen wie AKW, Strahlung, Steuerung Energiegewinnung, Lagerung abgebrannter Kernelemente, ....
Etwa 40 Personen nahmen an der Führung teil. Am Anfang wurde die Thematik in einem ca. 1,5 stündigen Vortrag dargelegt, wobei auch viele Fragen gestellt wurden.
In Deutschland gibt es 17 AKW an 12 Standorten. In Biblis sind dies der Block A - erbaut 1974 mit einer Leistung von 1.225 MW - und der Block B - erbaut 1976 mit einer Leistung von 1.300 MW. Beide Blöcke sind vom Tpy Siedewasserreaktor. Sie sind durch einen Primär- und Sekundärkreislauf (PK/ SK), die keine direkte Verbindung haben, gekennzeichnet. Das Herzstück eines Reaktors ist der Druckbehälter. Er hat hier einen Durchmesser von 5 m. 5 m lange Stäbe sind mit Urantabletten - angereichertes U235 - gefüllt. Die Stäbe sind zu 193 Brennelementen gebündelt, insgesamt etwa 100 Tonnen Uran.
Die Energiegewinnung erfolgt durch "kontrollierte" Kernspaltung. Kernspaltung, vereinfacht dargestellt, bedeutet
- langsames Elektron trifft U235-Kern
- es bildet sich U236
- U236 zerfällt in 2 Elemente und setzt 3 schnelle Elektronen frei
- schnelle Elektronen werden abgebremst - es werden langsame Elektronen
-weiter bei Anfang.
Kontrolliert bedeutet, dass die Anzahl der langsamen Elektronen eine kritische Anzahl nicht übersteigt. Steuerstäbe (Material Silber, Cadmium, Indium, ...) dienen dazu, die Anzahl der freien Elektronen zu steuern. Ganz eingetaucht bedeutet alle Elektronen werden "gefangen" - der Reaktor liefert keinen Strom. Ganz herausgezogen bedeutet alle Elektronen können sich "vermehren" - der Reaktor arbeitet mit voller Leistung.
Durch die kontrollierte Kernspaltung erwärmt sich das Wasser im Primärkreislauf (PK). Technische Daten für Kenner: 150 bar , ca. 300 Grad - das Wasser bleibt flüssig. Das Wasser ist radioaktiv belastet, im Fachausdruck kontaminiert. Im Dampferzeuger wird die Wärmeenergie des PK im Austauschverfahren auf den Sekundärkreislauf (SK) übertragen. Austauschverfahren heißt Übertragung durch Kontakt. Beispiel: Tauchsieder (PK) erwärmt Wasser (SK). Im SK entsteht bei 50 bar Dampf, der nicht kontaminiert ist. Dieser treibt im Maschinenhaus eine Turbine an, die über einen Generator Strom erzeugt. Der Wasserdampf hinter der Turbine wird abgekühlt, verflüssigt. Dies geschieht mit Hilfe von Kühlwasser aus dem Rhein. Pro Block benötigt man 60 Kubikmeter pro Sekunde. Während des Kreislaufes erhöht sich die Temperatur des Kühlwassers um ca. 10 Grad. Liegt sie unter 33 Grad, so erfolgt der Rückfluß direkt in den Rhein. Liegt sie darüber, so wird das Kühlwasser in den Kühltürmen auf die maximal zulässige Temperatur abgekühlt. Dabei gelangt ca. 1,5% als Wasserdampf in die Luft.
Grundprinzip zum Betrieb heißt "kontrollierte" Kernspaltung. Es muss sichergestellt sein, dass nichts unkontrolliertes geschehen kann. Aufzählung im Detail würden den Umfang des Berichtes sprengen. Es werden nur Prinzipien erwähnt. Grundsätzlich gehen Sicherheitsrichtlinien von ungünstigen Umständen und Schadensereignissen aus. Es gelten die Prinzipien von
- Redundanzen (mehrfach vorkommend)
- Diversität (unterschiedliche Konstruktionen der Redundanzen)
- räumliche Trennung (Redundanzen an verschiedenen Orten)
-Failsave (sicherer Zustand des Reaktors bei Fehlerreaktionen).
Beispiel für Diversität und Failsave:
Der Betrieb wird gestoppt durch vollständiges Eintauchen der Steuerstäbe. Durch Einleitung von Borsäure in den Druckbehälter wird die Kernspaltung unterbunden. Die Borsäure "fängt" alle Elektronen ein. Dadurch wird der Betrieb auch gestoppt.
Erdbeben ist für AKW immer ein Thema. Biblis ist für ein Beben bis zur Stärke 7,8 auf der Richterskala ausgelegt. Das Erdbeben in der Rhein-Main-Region Anfang des Jahres hatte eine Stärke von ca. 4,5. Ein Beben von 1.000 facher Stärke wird gefährlich für das KW.
Die Wichtigkeit von realistischen Sicherheitsrichtlinien zeigt Fukushima. Auslöser für die Probleme war primär nicht das Erdbeben sondern der Tsunami. Der Schutz vor Wellen ging von einer maximalen Höhe von 5,70 m aus. Die Wellen des Tsunamis waren aber bis zu 14 m hoch. In den letzten 500 Jahren gab es 16 Tsunamis mit einer Wellenhöhe größer 10 m. Die höchste war 30 m. Statistisch gibt es alle 30 Jahre ein Tsunami mit Wellenhöhe größer 10 m. Der 5,70 m hohe Schutzwall wurde überrollt, das KW geflutet. Die Anlagen zur Kühlung des Reaktorblockes lagen im Keller, die Kühlung fiel aus. Das weitere ist bekannt.
Abgebrannte Brennelemente werden in Castoren gesammelt. Er schirmt die Strahlung so gut ab, dass man sich in unmittelbarer Nähe gefahrlos aufhalten kann. Die Castoren werden auf dem Gelände des KW zwischengelagert. Die Bundesregierung hat sich verpflichtet bis zum Jahre 2046 ein sicheres Endlager für die Castoren bereitzustellen.
Das Ausstiegskonzept der Bundesregierung sieht vor, dass alte KW sofort stillgelegt werden. Die neueren haben noch eine Laufzeit bis zu 2022. Block A wird stillgelegt. Die Zukunft von Block B ist ungewiss - Stilllegung oder Reserve bis 2013 zur Überbrückung Engpässe im Winter.
Im Anschluß an den Vortrag folgte ein Gang über das Betriebsgelände. Nach einer Kontrolle, die der Eincheckkontrolle auf dem Flughafen in nichts nachstand, ging es vorbei am Reaktorgebäude ins Maschinenhaus. Hier konnte man die riesigen Dimensionen der Anlage bewundern. Rohre bis 2 m Durchmesser, Turbine/ Generator mit ca. 50 m Länge. Das gilt auch für die Kühltürme, die die Silhouette des AKW beherrschen. Es gibt je 2 pro Block. Die Höhe von 80 m ist beträchtlich.
Gut "behütet" konnten wir dann das Gelände verlassen.
eingestellt am 17.6. von margret551
Die Aufnahmen sind von Günter (Bakru26)
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