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Mainzer Kammerspiele


Ich liebe es, Theater zu spielen. Es ist so viel realistischer als das Leben.

Oscar Wilde (1854 – 1900)

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Die Mainzer Kammerspiele in der Fort Malakoff Passage

Einen Blick hinter die Kulissen eines Theaters zu werfen, ist immer spannend. Das „große“ Staatstheater hatten wir bereits 2010 besichtigt. Wie aber ist es in einem kleinen, noch dazu privat geführten Theater?

Kaum hatte ich den Termin 5. November 2014 für die Führung in den Mainzer Kammerspielen bekannt gegeben, waren die Plätze belegt. Alle 19, die dabei waren, bestätigten mir hinterher: Es war interessant, aufschlussreich, kurzweilig und persönlich.

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Das Entrée der Mainzer Kammerspiele

Claudia Wehner, Regisseurin und eine der vier Gründungsmitglieder des Bühnentheaters, begrüßt uns im Foyer und führt uns in den Theaterraum, den wir von vielen Aufführungen her kennen.

Sie erzählt uns über das Theater, die Ensembles, den Schauspielerberuf.

Die Mainzer Kammerspiele sind ein privates Theater, das 1986 aus der freien Theaterszene entstanden ist.
Claudia Wehner hatte in Mainz an den Städtischen Bühnen (dem heutigen Staatstheater) als Regieassistentin unter dem damaligen Regisseur Taube gearbeitet und – wie sie sagt – auf eine Chance gewartet. Diese kam, als das Mainzer Theater die Studiobühne in der Emmerich-Josef- Straße kündigte. Taube war der Meinung, dass es für moderne Stücke in Mainz kein Publikum gäbe.

Die „jungen Wilden“ waren anderer Meinung: Zusammen mit Tom Pfeifer und Oliver Blank, die heute neben Claudia Wehner zum Leitungsteam der Kammerspiele gehören, begann 1984 das Pilotprojekt Mainzer Kammerspiele. Vor 10 Jahren kam noch Gerrit Meier dazu, der heute ebenfalls zum Leitungsteam gehört.

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Claudia Wehner, Regisseurin und Gründungsmitglied der Mainzer Kammerspiele

Nachdem das Mainzer Theater die Emmerich-Josef-Straße verlassen hatte, konnten die jungen Leute die Hausbesitzerin überzeugen, ihnen die Räumlichkeiten für 3 Monate kostenlos zu überlassen. Wenn ihr Projekt Erfolg hätte, würden sie anschließend Miete zahlen können. Das „alternative Theater“ kam so gut an, dass sie weitermachten und 1986 offiziell die Mainzer Kammerspiele gründeten.
Von der Stadt bekamen sie damals 5000 DM im Jahr für Miete, Strom und Versicherungen.

Als 1997 Siemens-Nixdorf die Passage im Fort Malakoff baute, konnten sie die Firmenbosse davon überzeugen, dass in den Komplex ein Theater gehört. Aus dem geplanten Innenhof wurde der Theatersaal. Mit viel Weitblick schlossen sie einen 20 Jahresvertrag, der 2017 ausläuft. Claudia Wehner sagt: "Wir hatten einfach auch Glück".

Die Kammerspiele sind heute das größte freie Theater in Rheinland-Pfalz. Die Spielzeit 2013/14 war mit fast 45.000 Gästen in 250 Vorstellungen die beste seit Eröffnung im Fort Malakoff.

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Die Malakoff-Passage

Die Theatergemeinschaft besteht aus einem Kollektiv verschiedener Ensembles. Zur Zeit sind es insgesamt 9 – wie hier auf der Homepage nachzulesen ist. Durchschnittlich sieben eigene Produktionen haben im Jahr Premiere. Gezeigt werden überwiegend Schauspiel, Musical, Ballett, Kindertheater, die Zeitgeist-Revuen und das Weihnachtsmärchen.

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Die Plakatwand zeigt den Spielplan der kommenden Monate

Die Schauspieler sind in verschiedenen Ensembles tätig.
Die Proben beginnen ab 10 Uhr, manchmal auch erst ab 11, besonders, wenn es in der Nacht spät wurde. Manchmal, so erzählt Claudia Wehner, wird es nachts oft zwei oder drei Uhr. Bei den Proben sind oft mehrere Bühnen hintereinander aufgebaut, die hintere verschwindet am Nachmittag hinterm Vorhang. Gegen 17 Uhr kommt das Ensemble, das an diesem Abend spielt. Die Bühne ist bereit, in der Technik wird alles durchgecheckt. Ab 19 Uhr kommen die Gäste, 19.30 Uhr ist Einlass und um 20 Uhr beginnt die Vorstellung.

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Die Bühne ist für den heutigen Abend vorbereitet. Auf dem Spielplan steht die aktuelle Produktion "Alle sieben Wellen" nach dem Roman von Daniel Glattauer. Es ist die Fortsetzung von "Gut gegen Nordwind".
Wir haben mit der Gruppe beide Vorstellungen besucht.

Schauspieler sind Freiberufler, die eine Ausbildung an einer Schauspielschule oder Kunsthochschule absolviert haben.

Besonders für junge Schauspieler ist es schwierig, finanziell über die Runden zu kommen. Sie müssen bei einer Vorstellung soviel verdienen, dass sie damit leben können. Auf einen Spieltag kommen ca. 3 Probetage, und je unbekannter ein junger Schauspieler ist, umso weniger Vorstellungen hat er. Nur Spitzenschauspieler kommen auf etwa 180 Spieltage pro Jahr und können von ihrem Beruf leben. Die Jungen müssen oftmals ihren Lebensunterhalt neben dem Schauspielen verdienen. Und doch: „Sie leben das, was sie tun“, sagt Claudia Wehner.

Während Regisseure heute in der Regel Theaterwissenschaft an einer Hochschule studieren, hat man in früheren Zeiten nicht studiert, sondern beim Theater das Handwerk von der Pike auf gelernt. Claudia Wehner hatte mit 16 Jahren am Nürnberger Theater begonnen, zu hospitieren und wartete auf ihre Chance. Schon bald wurde sie Regieassistentin. 1980 kam sie nach Mainz ans Theater. Die Bühne ist ihre Leidenschaft, sie kann sich keinen schöneren Beruf vorstellen.

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Blick vom Theatersaal zur Technik

Schwierig, so Claudia Wehner, ist auch die Disposition des Spielplanes. Jeden Montag, dem einzigen freien Tag in der Woche, ist Teambesprechung. Alle drei Monate erfolgt mit den Ensembles eine Vollversammlung. Dort wird der Spielplan nach einem festen Schema besprochen. Er muß allen gerecht werden. Jede Vorstellung soll mindestens 16x gespielt werden. Danach kann, je nach Erfolg beim Publikum, verlängert werden. Die Mainz-Revue läuft z.B. bereits zum 130sten mal, Tschick hatte 70 Vorstellungen.

Die Eintrittsgelder erhalten die Ensembles, also die Darsteller. Das bedeutet: Ohne Zuschauer gibt’s kein Geld. 10 % wandern in den Werbetopf.
Öffentliche Zuschüsse gibt es lediglich für das Vierer-Leitungsteam, Miete und Nebenkosten.
1987 gründete sich daher der Verein zur Förderung der Mainzer Kammerspiele e.V., um mit Mitgliedsbeiträgen und Spenden das Theater zu unterstützen. Im Sommer 2014 hatte der Förderverein 170 Mitglieder.

Hier kannst Du mehr über den Förderverein lesen

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Wir hören zu und stellen Fragen

Claudia Wehner führt uns hinter den Vorhang, wo die 2. Bühne für die Proben des Weihnachtsmärchens aufgebaut ist. In diesem Jahr wird das von ihr inszenierte Stück „Bis Weihnachten nur Fladenbrot“ gespielt.

Es ist, so besagt die Homepage, eine berührende Geschichte über die Wunder des Lebens, über Neugierde und Vertrauen, Mut und Freundschaft, Verantwortung und Übermut.

Die meisten Vorstellungen sind bereits ausverkauft; für einige gibt es noch Karten.

Hier kannst Du mehr vom Weihnachtsmärchen lesen

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Auf unsere Fragen nach dem Team erzählt Claudia Wehner, dass es vier Fest-Angestellte für die Verwaltung (das Leitungsteam) gibt, ferner zwei Praktikanten im sozialen Jahr (Kultur), wobei eine in der Verwaltung und einer in der Technik eingesetzt wird. Dazu kommen ehrenamtliche Helfer und Mitglieder der Ensembles.

Bei jeder Aufführung ist neben dem Regisseur mindestens ein Regieassistent, ein Bühnenbildassistent, ein Produktionsassistent und ein Technikassistent notwendig.

Das Theater hat zwischen 120 und 420 Sitzplätzen. Bei Konzerten wird mit bis zu 420 Sitzplätzen bestuhlt, beim Ballett sind es 180, beim Weihnachtsmärchen 340.

Die Frage nach den modernen und, aus unserer Sicht, oftmals nicht gelungenen Inszenierungen alter Stücke, beantwortet sie damit, dass es für sie wichtig ist, dass die Inszenierungen nicht beliebig sind. Sie erläutert das an einem Beispiel: Romeo und Julia als Jung-Verliebte in Stahlkäfigen auf der Bühne zu sehen, ist für sie nicht nachvollziehbar – in einer rosa Hollywood-Schaukel hingegen schon. Claudia Wehner: „Die Idee muß zwingend sein“.

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Die Requisitenkammer

Von der zweiten Bühne gehen wir zur Hinterbühne, in der die Requisiten gelagert werden. Das Problem, so Claudia Wehner: „Wir haben keinen Lagerraum“.

Otto Senn, der neben der Schauspielerei im Team für die Requisiten und die Kulissen zuständig ist, hat im nächsten Raum, in den uns Claudia Wehner führt, mit dem Kulissenbau für das Weihnachtsmärchen begonnen. Hier können wir erahnen, welcher Erfindungsreichtum und Improvisationstalent Otto Senn und sein Team auszeichnen.

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Hier werden die Kulissen gebaut
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Mit der Straßenbahn reisen Johanna und ihr Opa im Weihnachtsmärchen in die Vergangenheit. Die Kulisse für die Ritterburg ist bereits fertig.
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Geduldig beantwortet Claudia Wehner die Fragen

Der Einsatz eines jeden im Team, das ist es, was für Claudia Wehner der Reiz an einem kleinen Theater, an diesem Theater, ausmacht: „Jeder kann sich auf den anderen verlassen. Die Arbeit mit den tollen Kollegen macht einfach Spaß. Ich habe morgens noch nie gedacht: Oh, schon wieder aufstehen. Im Gegenteil: es gibt jeden Tag neue Glücksmomente.“ Sie sagt es so überzeugend, dass wir das, was Theater und insbesondere die Mainzer Kammerspiele ausmacht, tief im Innern spüren.

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Mit einem herzlichen Dankeschön verabschieden wir uns von Claudia Wehner und den Mainzer Kammerspielen. Spätestens im Januar treffen wir sie und die Schauspieler beim Hundertjährigen, der aus dem Fenster stieg und verschwand wieder und freuen uns besonders auf ihren Lieblingsschauspieler und Ehemann Achim Stellwagen, der den Hundertjährigen spielt.
Und natürlich sind wir gespannt auf die neue Zeitgeist-Revue "Mainzer Geheimnisse", die ab April 2015 auf dem Programm steht. Den einen oder anderen zieht es garantiert auch in andere Vorstellungen, ins Schauspiel oder Ballett: Ein Blick ins Programm lohnt sich!

Hier habe ich noch drei interessante Artikel mit Interviews gefunden:
Über die aktuelle Produktion „Alle sieben Wellen“ berichtet Claudia Wehner in der Allgemeinen Zeitung hier
Das Interview im "Mainzer" mit dem Regisseur und Mitbegründer der Kammerspiele, Tom Pfeifer, findest Du hier
und das Gespräch in der AZ mit Regisseur Gerrit Meier kannst Du hier nachlesen

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Vielen Dank für die interessante Führung - und bis bald!

Den interessanten Nachmittag beenden wir im Flammkuchen-Restaurant „Kamin“ in der Kapuzinergasse.

Die Bilder von Günter/bakru26 kannst Du hier sehen

(eingestellt am 7.11.14)

Autor: Feierabend-Mitglied

Rosemarie Egenolf

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