Das Mainzer Kabarettarchiv

2011 hatten wir bereits mit einer kleinen Gruppe das Mainzer Kabarettarchiv im Proviantmagazin besucht, für den 24. November 2015 hatten sich für die Führung 20 Mitglieder angemeldet; drei mussten leider kurzfristig absagen.

Mein Weg zur Münsterstraße, in der sich der Eingang zum Kabarettarchiv und dem Fastnachtsmuseum in dem trutzigen ehemaligen Festungsgebäude befindet, führt über den „Walk of Fame“. Er wurde 2004 mit dem Umzug des Kabarettarchivs von der Rheinstrasse in die alten Gemäuer des historischen Proviantmagazins eingerichtet. Seitdem sind 80 Sterne aus Bronze, versehen mit den Namen der Künstler aus dem Bereich Kabarett und Satire, der persönlichen Unterschrift und den Stifternamen installiert.

Wenn Du wissen willst, wer auf dem "Walk of Fame des Kabaretts" verewigt ist, musst Du Dich entweder selbst auf den Weg machen
oder klicke hier

klaus1951

Pünktlich um 14 Uhr waren alle 17 Mitglieder zur Stelle und Nicole Meisenzahl nahm uns in Empfang. Sie erzählt uns über die Anfänge des Kabaretts und des Kabarettarchivs.

Wie in Wikepedia nachzulesen ist, wurde Anfang der 1880er Jahre in Paris das erste Kabarett eröffnet. Es sollte die politischen Ereignisse persiflieren. Schnell schwappte die Welle nach Deutschland über. Ernst von Wolzogen eröffnete in Berlin 1901 die Kleinkunstbühne „Überbrettl“; fast zu gleichen Zeit konnte man auch in München und Wien Kabarett erleben.

Rose56

Otto Reutter war einer der ersten Kabarettstars in Deutschland, dessen Couplets noch heute bekannt sind („Der Überzieher“, „Mit der Uhr in der Hand“, „Alles wegen der Leut“, "nehm se n alten").

Wenn Du auf die Namen klickst, hörst Du Kostproben von YouTube

Nach dem Krieg gab es zahlreiche bekannte Kabarettisten wie Wolfgang Neuss, Werner Finck, Heinz Erhardt, Dieter Hallervorden und – vor allem in Mainz - Hanns-Dieter Hüsch. Große Kabarett-Ensembles wurden gegründet wie die Berliner Stachelschweine mit Wolfgang Gruner und Achim Strietzel, die Münchner Lach- und Schießgesellschaft mit Dieter Hildebrandt, das Düsseldorfer Kommödchen mit Lore Lorentz, die Distel in Ost-Berlin, die Leipziger Pfeffermühle, um nur einige wenige zu nennen.

In den 1970er Jahren wurde das Kabarett durch das Fernsehen aktuell. Kabarettisten wie der Frankfurter Matthias Beltz, Mathias Richling, Emil Steinberger, Bruno Jonas, Loriot, Georg Schramm und Urban Priol hatten und haben ihre Auftritte.

Heute nennen sich zahlreiche Kabarettisten Comedians und viele haben mit den berühmten Vorgängern kaum noch etwas gemeinsam. Die politische Satire, der hintergründige Humor ist leider viel zu oft platten Massenwitzen gewichen.

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1961 gründete Reinhard Hippen in Mainz das Deutsche Kabarettarchiv. Hippen hatte sich schon mit 14 Jahren für Kabarett und Satire begeistert und begann alles darüber zu sammeln, Zeitungsausschnitte, Noten, Texte, Programmhefte. Er folgte Hanns-Dieter Hüsch nach Mainz und seine Sammlung legte den Grundstein für das Kabarettarchiv. Bis 1989 war er auch Leiter deselben, danach übernahm die Stadt Mainz das Archiv. Heute wird es von Jürgen Kessler geleitet, der lange Jahre Begleiter und Manager von Hanns-Dieter Hüsch war.
re: Der Tourneeflügel von Hanns-Dieter Hüsch

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Nach der Einführung von Nicole Meisenzahl in die Geschichte des deutschen Kabaretts und des Kabarettarchivs Mainz erfahren wir vom Leiter des Archivs, Matthias Thiel, Interessantes und Wissenswertes über das Kabarettarchiv.

Die Bibliothek umfasst mehr als 26.000 Bücher. Im Archiv lagern 5.500 Ordner mit Noten, Zeitungsausschnitten, Programmen. Allein von Hanns-Dieter Hüsch gibt es mehr als 80 Ordner, von Dieter Hildebrandt 18 Ordner.

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In den 5.500 Ordnern werden Unterlagen von rund 65.000 Personen aufbewahrt. Eine unvorstellbar große Zahl, die daraus resultiert, dass die großen Ensembles eine Vielzahl von Mitgliedern hatten und haben. Allein bei den Revuen der 20er und 30er Jahre hatten die Ensembles oftmals 20 Mitglieder.

Auf die Frage, wer denn eigentlich zu den Kabarettisten zählt, sagt Matthias Thiel, dass auch Schauspieler, z.B. Marlene Dietrich dazu gehören, die als junge Schauspielerin zwei oder drei Kabarettauftritte hatte. Auch Otto zählt zu den Kabarettisten.

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Bei den Büsten von Dieter Hildebrandt und Hanns-Dieter Hüsch bleiben wir eine Weile stehen. Nach seinem Tod, im November 2013, erhielt Hildebrandt einen Ehrenplatz im Gewölbe. Jetzt stehen sich die beiden Großen gegenüber und blicken sich gegenseitig an.

An der Büste von Dieter Hildebrandt ist zu lesen: "Laßt uns in Ruhe und macht euch nicht irre, ihr seid es schon"

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An der Tür von Jürgen Kesslers Büro ist ein Spruch von Franz Hohler zu lesen: „Wenn wir auch sonst nirgendwo hinkommen, kommen wir wenigstens ins Archiv“.

Wir kommen auf jeden Fall wieder ins Kabarettarchiv: Am 10. Dezember zur Hommage auf Hanns-Dieter Hüsch „Und sie bewegt dich noch!“

Ein Besuch im Mainzer Kabarettarchiv lohnt sich allemal.

klaus1951

Die Bilder von Rose kannst Du hier sehen
die Fotos, die Klaus gemacht hat, siehst Du hier

und wenn Du auf die Bilder im Bericht klickst, werden sie größer und schärfer!


(eingestellt am 3.12.15)