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Feierabend geht in den Untergrund

im Oppenheimer Untergrund

Knuddeline rief uns in den Untergrund, und zwar in das Tunnelsystem unterhalb von Oppenheim.

Dort führt Volker Gillot, ein 'Oppener' mit
Hugenotten-Wurzeln, durch einen Teil der von ihm entdeckten Tunnel-und Kellergewölbe. Denn das Haus, das er 1976 kaufte, musste umfassend restauriert werden. Es war dann die Farbe an den Kellerwänden, die ihm nicht gefiel, der Putz war auch nicht intakt – also ab damit. Aber nun sah man Unterschiede im Muster des Mauerwerks, ein spitzer anstelle eines runden Torbogens. Auch klang es dahinter hohl – damit war der erste Tunnel entdeckt! Einige Kilometer davon hat er in den letzten Jahrzehnten entdeckt, freigelegt und dabei etliche Tonnen Geröll herausgeschafft. Allerdings sehr inhalts- und aufschlußreiches Geröll! In enger Zusammenarbeit mit Archäologen und Denkmalschützern konnte man darin die Geschehnisse der vergangenen Jahrhunderte ablesen. Übrigens: das in Eimern zur Begutachtung übergebene Schuttmaterial wurde prompt eimerweise zurückgebracht. Man hat damit den nutzlos gewordenen Hafen zugeschüttet und „Neuland“ gewonnen.

Im Gewölbe

Zurück zur Geschichte. Dazu muss man sich folgendes vor Augen halten: Vom Rheinufer aus erhebt sich ein Steilhang empor mit einer Burg obendrauf und Wehr- und Wachtürmen an den Seiten für die Überwachung der Handelswege und zum Schutz für die Bewohner. In dem kleinen Hafen machten viele Handelsschiffe fest und mussten ihre Waren umladen oder im Ort lagern. Und dafür hatte man nur Platz im Berg und baute Tunnel in den Steilhang hinein. Es gab Lüftungsschächte, zudem sorgte die Kalkbeimischung im Mörtel für ein gleichmäßiges, trockenes Klima – bestens geeignet zur Lagerung von Waren aller Art.

Eine gute Einnahmequelle im Mittelalter. Die Häuser im Hang waren nach üblicher Art in Fachwerk auf einem steinernen Fundament erbaut, die darunter befindlichen Tunnel gehören – von oben nach unten gesehen und auch heute noch - zum Grundstück und seinem Besitzer. Die Tunnel und Gewölbe sind auch bestens geeignet als Wein- und ebenso als Eiskeller.

Kellerabgang

Das ausgehende 16. und beginnende 17. Jahrhundert brachte Pest, Zerstörung und unglaubliche Armut über Europa und natürlich auch nach Oppenheim. Die Truppen des Schwedenkönigs mussten sich selbst ernähren und zogen somit kämpfend und plündernd dreißig Jahre lang durch Europa, hin und zurück. Auch die Franzosen hatten reges Interesse am Rheinland, bei ihren „Besuchen“ hinterließen sie verbrannte Erde. Die Fachwerkhäuser in den engen Gassen brannten wie Zunder, der Brandschutt sammelte sich innerhalb der steinernen Fundamente, wurde durch Regen in das Tunnelsystem gespült und bildeten den Grundstock des später gefundenen Gerölls.

Funde

Die wenigen Überlebenden dieser Ereignisse hatten alles verloren. Sie konnten nur überleben, indem sie sich in die Tunnel flüchteten und dort ein unglaublich armseliges Leben mit den verbliebenen Tieren fristeten. Man fand in dem Geröll nicht nur Keramiken, Haushaltsgegenstände, versteinerte Tier-und Menschenexkremente, sondern auch Tier- und Menschenknochen. Aber diese Menschenknochen waren merkwürdig: z.B. war eine Unterarmelle abgeschabt und Schädel waren ohne Gesichtsteile. Diese Funde ließen nur einen Schluss zu: Kannibalismus.

Schmiermaxe

Dazu liest man in einem Artikel über die Rückkehr des Pfalzgrafen Karl Ludwig nach dem Westfälischen Frieden: „Aber die einstmals blühende Provinz, die sich über das Neckartal und beide Rheinufer erstreckte und von Mösbach im Südosten bis Oppenheim, Alzey und Bacharach im Norden reichte, bot ein Bild des Schreckens. Die Weinberge waren verwüstet, die Städte leer. Ludwig Häusser schätzt, dass lediglich ein Fünftel der Stadtbevölkerung die Schrecken des Krieges überlebt hatte. Die Lage war grauenerregend. Der Kannibalismus war wieder aufgelebt: die Überlebenden steckten ihre eigenen Kinder in Pökelfässer und nützten einen Augenblick der Zerstreutheit bei einem Nachbarn, um ihn zu marinieren. Häusser erwähnt, dass es gegen 1638 in der rheinischen Pfalz Bratküchen gab, in denen ausschließlich frisches Menschenfleisch verwendet wurde. Diejenigen, die nicht über die Mittel verfügten, dort zu speisen, scharrten auf den Friedhöfen die Kadaver Verstorbener aus.“
Wilhelm Müller schrieb dazu im 'Rheinhessischen Heimatbuch'unter der Überschrift „Pest, Krankheit, Hungersnot“: „Zur Zeit des Dreißigjährigen Kriegs, als überall in deutschen Landen Pest und Hungersnot herrschten, hatten auch die Bewohner von Alzey ein volles Maß von Elend auszukosten. Mit Wurzeln, Gras und Baumblättern mussten sie ihren Hunger stillen, wollten sie nicht elendiglich umkommen. Dass gefallene Tiere verspeist wurden, war noch nicht das Schlimmste. Wenn aber die Hungernden selbst die Toten vom Galgen und vom Friedhof raubten, um deren Fleisch zu genießen, so ward dies nur noch dadurch übertroffen, dass 1637 zwei Weiber in ihrer Verzweiflung Menschen erwürgten, um mit deren Fleisch ihren Hunger zu stillen.“

Puh, schauderndes Schweigen ringsherum! Als Krönung der schaurigen Geschichten greift Herr Gillot zum sogenannten Hugenotten-Schwert und köpft mit einem einzigen Hieb - und den Gedanken an den Sonnenkönig – eine Flasche Sekt!

Auf diese Art wieder aufgemuntert kamen wir von der tiefsten Stelle des Tunnelsystems wieder ans Tageslicht und schlenderten durch die Gassen hinauf zum Krötenbrunnen. Natürlich – der „Oppenheimer Krötenbrunnen“ ist schließlich ein weltbekanntes Exportgut! Etliche Krötenfiguren sind auf den Gassen und sogar an den Wänden des Rathauses zu finden.

Wir versammeln uns um den Krötenbrunnen

Noch etwas Bemerkenswertes: wir kamen an einem Haus vorbei, in dem Martin Luther im Jahre 1521 auf dem Weg zum Wormser Reichstag übernachtete. Und dieser schlaflosen Nacht verdanken die Evangelischen ihre sogenannte Nationalhymne „Ein feste Burg ist unser Gott“.

Danach wurden wir durch das „Hugenottenhof“ getaufte Haus von Herrn Gillot geführt. Er erzählte von den Ausgrabungen unter dem Fußboden bis hin zur Gasse, von der Entdeckung der Tunnel, von den Restaurierungsarbeiten an der einzigartigen Stuckdecke des Wohnzimmers und gab ein kleines Klavierkonzert auf einem wohlklingenden antiken Instrument.

Stuckdecke im Wohnzimmer
Herr Gillot am Klavier

Wir wurden in das „Gillot-Haus“, die Sektschänke am Markt, zu Speis' und Trank sowie munterer Plauderei entlassen und kehrten mit der überreichten Sektflasche unter dem Arm nach einem lehrreichen Nachmittag heimwärts.

gemütlicher Ausklang

Die Bilder sind von Bakru26, Wullewatz und Karenage.
Weitere Bilder könnt Ihr Euch hier ansehen:
Von Wullewatz (Manfred) hier
Von Karenage (Karin) hier
und von Bakru26 (Günter) hier

Autor: Feierabend-Mitglied

Eingestellt am 11.Oktober 2011
margret551

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