Ein Nachmittag auf dem Finther Flugplatz
Der Traum, sich wie ein Vogel in die Luft zu schwingen, ist fast so alt wie Menschen.
Von dem italienischen Universalgenie Leonardo da Vinci ist überliefert: „Wenn du das Fliegen einmal erlebt hast, wirst du für immer auf Erden wandeln, mit deinen Augen himmelwärts gerichtet. Denn dort bist du gewesen und dort wird es dich immer wieder hinziehen.“
Es vergingen jedoch noch 4 ½ Jahrhunderte, bis Otto Lilienthal 1893 als erster Mensch erfolgreich und wiederholt Gleitflüge mit einem Hängegleiter den Traum vom Fliegen wahr machte.
Nachdem unser Mitglied Elke/beauty2000 im Sommer mit der „alten Tante JU“ vom Flugplatz Mainz-Finthen gestartet war, sagte sie mir begeistert: „Da müssen wir mal hin“. Gesagt, getan – Elke nahm Kontakt mit dem Geschäftsführer Thilo Schmidt-von Hülst der Flugplatz Mainz Betriebsgesellschaft mbH (FMBG) auf, ein Termin war schnell gefunden. Am 10. September 2014, nachmittags, zeigte uns Herr Schmidt-von-Hülst mehr als zwei Stunden nicht nur den Flugbetrieb, sondern brachte uns die Geschichte des Luftfahrtvereins Mainz und des Finther Flugplatzes nahe.
Die wenigsten von uns sind schon einmal auf dem Mainzer Flugplatz gewesen. Seltsam eigentlich, denn er liegt ja sozusagen vor unserer Haustür zwischen Finthen und Wackernheim.
12 Mitglieder trafen sich pünktlich um 15 Uhr am Tower und wurden von Herrn Schmidt-von-Hülst in den Schulungsraum geführt. Hier erfuhren wir nicht nur viel über die Anfänge der Fliegerei von Otto von Lilienthal (1848-1896) und den Gebrüder Wright, sondern auch von dem Mainzer Jacob Goedecker (1882-1957), der in den Jahren 1909/10 auf dem „Gonsenheimer Sand“ seine ersten Flugversuche startete.
1911 gründete er nicht nur die erste Flugschule, sondern auch den „Verein für Flugwesen Mainz“, Vorgänger des heutigen Luftfahrtvereins. In der Flugschule lernten spätere berühmte Flieger ihr Handwerk. So war u.a. Anthony Fokker (1890-1939) als Fluglehrer bei Goedecker beschäftigt. Fokker gründete in Berlin, danach in Schwerin und nach dem ersten Weltkrieg in den Niederlanden die heute noch bekannten Fokker Flugzeugwerke.
Ende der 20er Jahre wurde der Segelflugbetrieb in Mainz aufgenommen. Geflogen wurde auf dem „Großen Sand“, auf der „Platte“ in Wiesbaden und dem Flugplatz in Erbenheim. Es gab sogar eine eigene Damen-Segelfluggruppe, die 1932 mit ihrem Segelflugzeug bei Rhön-Wettbewerben auf der Wasserkuppe teilnahmen (Oscar Ursinus, der Rhönvater „Flugsport“).
1939 wurde ein neuer Flugplatz gesucht und am Mönchwald, wie der Finther Wald damals hieß, gefunden. Der gesamte Wald wurde gerodet und ein Rundflugplatz gebaut. Im Zweiten Weltkrieg wurden auf dem Fliegerhorst 2-motorige Nachtjagdflugzeuge stationiert.
Der Heimat- und Geschichtsverein Finthen hat einen interessanten Artikel über den Flugplatz Finthen verfasst, der hier nachzulesen ist.
Nach dem Krieg übernahm zunächst die französische Armee den Flugplatz und baute die 1 km lange Asphaltbahn. Als das von den Alliierten verhängte Verbot, ziviler Luftverkehr zu betreiben, gelockert und Segelflug wieder zugelassen wurde, gründete sich 1951 der Aero Club Mainz, aus dem 1952 der Luftfahrtverein Mainz e.V. hervorging. Die Segelflieger durften auf dem Flugplatz fliegen und bauten sich außerhalb des Geländes eine Halle. Ab 1955 erlangte Deutschland wieder die unbeschränkte Lufthoheit, und es konnten wieder private Motorflugzeuge geflogen werden.
Nach dem Abzug der französischen Armee übernahmen die US-Streitkräfte den Flugplatz, der als Finthen Army Airfield bezeichnet wurde. Im Zuge des Kriegs gegen Libyen wurde das Gelände in den Jahren 1986/87 vollständig eingezäunt und militärisch abgeriegelt. Die Umzäunung ist heute noch erhalten.
1992 wurde der Flugplatz stillgelegt. In einer Nacht- und Nebelaktion, so Thilo Schmidt-von-Hülst, baute die amerikanische Armee alles ab, es war keine Beleuchtung und kein Strom mehr vorhanden.
Im Anschluss wurde am 30. September 1993 der erste zwischen der Bundesrepublik und den USA geschlossene Mitbenutzervertrag unterzeichnet. Damit erhielt das Land Rheinland-Pfalz das Recht, den Flugplatz ab 1. Januar 1994 zivil zu nutzen, da er vor 1939 bereits ein deutscher Flugplatz war. Er wird seitdem vom Luftfahrtverein Mainz e.V. betrieben, der den Flugbetrieb und die Flugsicherheit an die am 1. August 2008 neu gegründete Flugplatz Mainz-Finthen Betriebs GmbH übergab.
Heute sind es etwa 23.500 Flugbewegungen im Jahr, die an 7 Tagen pro Woche von 8 Uhr im Sommer (9 Uhr im Winter) bis Sonnenuntergang stattfinden. Bis maximal 20 Uhr darf in den Sommermonaten gelandet werden; im Winter verkürzt sich die Zeit bis zum Sonnenuntergang, im Dezember und Januar z.B. auf 16.15 Uhr.
Außerhalb der Betriebsflugzeiten darf der Flugplatz nur nach vorheriger Genehmigung durch einen Beauftragten für Luftaufsicht (BfL) genutzt werden.
So kommt es schon einmal vor, dass Organtransporte nachts geflogen werden oder Prominente nachts fliegen müssen. Flugbewegungen nach 22 Uhr und vor 7 Uhr müssen vom Geschäftsführer der FMBG genehmigt und bei dem 1-Mann-Tower für die Beleuchtungslinie angemeldet werden.
Tagsüber wird der Flugplatz von Industriellen, Privatleuten, Politiker und Prominenten aus dem Rhein-Main-Gebiet genutzt. Besonders geschätzt wird die unkomplizierte, schnelle Abfertigung.
Der Flugplatz kann von Flugzeugen bis zu 14 Tonnen Abfluggewicht genutzt werden. Hierzu gehören mehrmotorige Geschäftsflugzeuge, Ultraleicht-, Segel- und Motorflugzeuge, Tragschrauber, Gleitschirme und Drachenflieger. Ein Passagiertransport mit größeren Maschinen ist nicht möglich und wird auch nicht angestrebt.
Geduldig beantwortet Herr Schmidt-von-Hülst unsere Fragen und ist stolz darauf, dass Finthen der einzige Flugplatz ist, der schwarze Zahlen schreibt und wirtschaftlich unabhängig ist. Neben Egelsbach und Reichelsheim in der Wetterau ist Mainz-Finthen der am meisten frequentierteste Flugplatz in der Region.
Neben der Start- und Landebahn sind auf dem Flugplatz Unterstellmöglichkeiten für Flugzeuge in 12 Hangars vorhanden, es gibt eine Werft für die Wartung und Reparatur der Flugzeuge, 3 Tankstellen und seit 2011 den neuen Tower, in dem die Verwaltung, Konferenz- und Schulungsräume und das Restaurant „Tower One“ mit einer großen Sonnenterrasse untergebracht sind.
Der Flugplatz ist nur für Sichtflug mit zwei Start- und Landebahnen ausgelegt. Es handelt sich um eine Gras- und eine Asphaltbahn, letzte kann auch beleuchtet werden, so dass auch nachts eine Landung auf Sicht möglich ist.
Die Landegebühren sind gestaffelt nach dem Gewicht und nach drei Lärmkategorien. Nach der Entgelt-Preisliste des Flugplatzes Finthen reichen sie von 8,40 € bis 385,56 €.
Hinsichtlich des Umweltschutzes arbeiten Umweltschützer und der Flugplatz zusammen. Dank der Umzäunung können sich die Biotope ungestört entwickeln. Es gibt eine große Zahl von Feldlerchen und anderen geschützten Vogel- und Insektenarten. Geschützte Gräser und Pflanzen sind ebenfalls heimisch geworden.
Eine weitere Frage ist die Nähe des Frankfurter Flughafens und Probleme, die hierdurch entstehen könnten. Sie wird von Herrn Schmidt-von-Hülst dahingehend beantwortet, dass man sich nicht in die Quere kommt. Die Flugzeuge, die Finthen anfliegen, dürfen nur 3.500 Fuß (ft) (= ca. 1.070 m) hoch fliegen. Die Flugzeuge jedoch, die im Landeanflug nach Frankfurt sind oder von dort starten, müssen 5.000 ft hoch fliegen. Die Mainzer profitieren sogar vom Finther Flughafen, da der Fluglärm beim Landeanflug auf Rhein-Main dadurch etwas reduziert wird. Außerdem, so Schmidt-von-Hülst, gäbe es ein Antikollisionswarnsystem, so dass es „nicht eng“ werden könne.
Nach so viel Information freuen wir uns, dass wir im Kontrollraum des Towers und auf der Plattform den Flugverkehr beobachten können. Im Kontrollraum versorgt die Flugleitung die an- und abfliegenden Flugzeuge mit Informationen und erteilt Anweisungen und Freigaben für Start und Landung.
Wir schauen eine Weile zu und gehen danach in die Hangars. Dort zeigt uns Herr Schmidt-von-Hülst die diversen Kleinflugzeuge der Flugschule. Der Luftfahrtverein Mainz betreibt die größte Flugschule der Luftsportvereine in Rheinland-Pfalz mit zahlreichen Motorfliegern, Ultraleichtflugzeugen und Segelflugzeugen.
Der Luftfahrtverein Mainz e.V. hat zur Zeit über 500 Mitglieder in den beiden Gruppen Motorflug und Segelflug. Während mit den Motorflugzeugen und dem Motorsegler das ganze Jahr über geflogen werden kann, wird der Segelflug ab dem Frühjahr bis in den Herbst hinein betrieben. In der Vereinsflugschule können Pilotenlizenzen für Privat Pilot (Motorflug), Sport Pilot (Ultraleichtflug) und Segelflug Pilot erworben werden. Das Mindestalter bei Ausbildungsbeginn beträgt 16 Jahre.
Für weitere Infos kommst Du hier auf die interessante Seite des Luftfahrtvereins Mainz e.V.
Wir bedanken uns bei Thilo Schmidt-von-Hülst für den interessanten und informativen Nachmittag mit einer Spende für die Jugendgruppe des Vereins.
Im Flugplatz-Restaurant „Tower One“ finden wir zur vorgerückten Stunde genügend freie Plätze und genießen dort nicht nur den Flammkuchen, sondern auch die Aussicht auf den Flugplatz Mainz-Finthen, ehe wir uns gegen 19.30 Uhr voneinander verabschieden.
Wer Lust aufs Fliegen bekommen hat, für den ist diese Seite zu empfehlen
(eingestellt am 13.9.14)
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