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Ein Spaziergang über den Mainzer Hauptfriedhof


Vor einigen Wochen war ich mit dem Frauengesprächskreis der Evangelischen Kirchengemeinde Zornheim zu einer Führung durch die bekannte Autorin und Stadtführerin Marlene Hübel auf dem Mainzer Hauptfriedhof.

Von dem interessanten Spaziergang über diese Kulturstätte der Stadt Mainz hat meine Nachbarin, Frau Sylvia Glaser, einen Bericht verfasst. Mit ihrer Erlaubnis möchte ich diesen nachfolgend veröffentlichen.

Übrigens: Du kannst die Fotos mit einem Doppelklick größer machen.

Rose56

„Was ihr als Schönheit hier empfunden,
wird euch als Wahrheit einst entgegensehn.“

(Friedrich Schiller)


Im Sinne dieses Schiller-Wortes führte Frau Marlene Hübel die TeilnehmerInnen des Frauengesprächskreises am 3.6.08 über den Mainzer Hauptfriedhof.

Die „Grüne Lunge“ von Mainz mit einer Fläche von ca.200 000 qm stellt ein Kulturdenkmal ersten Ranges dar. Der Friedhof befindet sich auf dem einstigen auslaufenden Weinberg des ehemaligen Zisterzienserinnen-Klosters Dalberg (heute Zahlbach).

Grabstätte
Grab von Jeanbon de St. André
Foto: H. Kottner

Aus der Fülle der historischen Grabstellen auf dem Gräberfeld zeigte uns Frau Hübel exemplarisch einige von für die Stadt Mainz bedeutsamen Persönlichkeiten vornehmlich des 19.Jahrhdts.

Wir standen am Grab von Jeanbon de St. André, Präfekt unter Napoleon, dem Gründer des Friedhofs. Er erließ 1803 die Verordnung zur Verlegung der Kirchhöfe auf den Aureusplatz außerhalb der Stadt.

Sehr interessant war das neugotische Grabmal des Ministers Freiherr von Eberstein, der in 2.Ehe mit Marguerite Felicité de Brosse, einer wohlhabenden Französin, verheiratet war. Sie rief die „Rosenbrautstiftung“ ins Leben: eine Braut kam bei ihrer Hochzeit in den Genuss von Zinserträgen aus der Stiftersumme von 12.000 Fleurant, wenn sie, aus armer Familie stammend und von tadellosem Ruf, ihre Eltern bis zu ihrer Eheschließung pflegte. Der Brauch hielt sich bis zum 1.Weltkrieg; die letzte Rosenbraut war Anna Bellroth, die bis in die 70 er Jahre im Kirschgarten wohnte (heute das Haus Juwelier Lepold).

Eine Stele mit dem Alabasterrelief des Verstorbenen erinnert an Prof. Friedrich Lehne, den Gründer der Mainzer Stadtbibliothek (Eine Enkelin Lehnes, Mathilde Maier, wurde später die Muse von Richard Wagner).

Die Grabstätte von Ida de Hahn-Hahn, steht im Zeichen des Kreuzes. Sie konvertierte unter Bischof Ketteler zum Katholizismus und stiftete ihr Vermögen zur Gründung eines Klosters für gefallene Mädchen(damals neben St.Stephan). Zuvor, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, war sie eine populäre, unabhängige Schriftstellerin, die nach nur dreijähriger Ehe von ihrem Mann geschieden wurde. (Feld 14, Reihe 17)

Spektakulär wie das Leben der Schiftstellerin und Frauenrechtlicherin Kathinka Zitz-Halein, so lesenswert ist die von ihr selbst verfasste Inschrift auf ihrem Grabstein, in der sie mit Menschen, die ihr zu Lebzeiten zusetzten, ins Gericht geht. Nach ihr ist inzwischen eine Gasse in der Altstadt benannt. (Feld 1, Reihe 1)

Am Grab von Johann Peter Weidmann fällt das Symbol der Aesculap-Natter auf. Der Heilgott Aesculap reicht einer Mutter ihr Kind. Weidmann war Mediziner und gründete die erste Mainzer Hebammen-Lehranstalt, womit er sich um die Eindämmung der Säuglingssterblichkeit verdient machte. Das gleiche Symbol findet man auch auf dem Grabstein eines anderen Mainzer Arztes,der die Pocken-Schutzimpfung in Mainz einführte.

Am Grab des Malers Philipp Veith erfahren wir, dass er Direktor des Frankfurter Städel war, allerdings dieses Amt niederlegte, weil er mit der Ausstellung eines für seine Begriffe zu freizügigen Gemäldes nicht einverstanden war und danach Direktor der Städtischen Gemäldesammlung in Mainz wurde. Zu den historischen Gräbern gehört auch die Ruhestätte von Dr. Magdalena Hermann, der ersten promovierten Philologin der Mainzer Universität und Lehrerin von Anna Seghers.

Engel mit Trauerschleier
Grab der Familie August Hock - Engel mit Trauerschleier
Foto: H. Kottner

Mit der rührenden Inschrift „Denkmal der Kindesliebe“ ehrten die Kinder ihren geliebten Vater F.C.Macké, der als Mainzer Bürgermeister die Friedhofssatzung umsetzte.

Frau Hübel verstand es,in ihren Ausführungen über die jeweiligen Biographien der Persönlichkeiten immer wieder auch auf künstlerische Details, besondere Stilmittel der verschiedenen Epochen und deren Trauersymbolik einzugehen.
Sie erklärte sowohl christliche als auch pagane (nichtchristliche) Zeichen: der Astragalus (Fußwurzelknochen),der Schmetterling als Sinnbild der unsterblichen Seele, die Mohnkapsel als Sinnbild des Schlafes,die sich in den Schwanz beißende Schlange als Symbol des Lebenskreislaufs, die klassische Allegorie einer Trauernden,die in einen Tränenkrug blickt, das Symbol des Engels, der für Schutz und Segen steht, die abgebrochene Säule, deren Stumpf mit einem Tuch verhüllt ist als Symbol für die menschliche Vergänglichkeit bzw. den plötzlichen Tod, der uns mitten aus dem Leben reißen kann.

Auch trauernde Putti sind häufige Motive. Der Palmzweig steht für die Lebensverdienste eines Menschen, die Figuren von Thanatos ( Genius des Todes) und seines Bruders Hypnos (Genius des Schlafes) symbolisieren die ewige Ruhe.

Eine handwerklich meisterhafte Steinmetzarbeit, ein aus dem Stein herausgearbeiteter hauchzarter Trauerschleier, hat uns besonders beeindruckt.

Im zweiten Teil der Führung wendeten wir uns der Straße der Gruften zu.

Man unterscheidet Portalgruften (durch ein Tor betritt man eine Treppe, die hinab in die Gruft führt) und Erdgräber mit Schaufronten, die z.T. sehr aufwendig gestaltet sind, bergen sie doch die sterblichen Überreste bekannter und wohlhabender Mainzer Familien. Häufige Gestaltungselemente an den Steinen solcher Gruften sind die Perlschnur, der Würfelkranz, der Eierstab oder auch Fruchtgirlanden, zusammengefasst zu einem umrahmenden Band.

Dieser Teil des Friedhofs ist eine Art „Who is Who“ der Mainzer Honoratioren ihrer Zeit, z.B. Weinhändler und Sektfabrikant Henkell, Sektfabrikant Kupferberg, Champagnerfabrikant Luchet, Musikverleger Schott.
Eine von Stadtbaumeister Kreißig entworfene Gruft fällt als eine Art maurischer Tempel etwas aus dem Rahmen; der Obelisk der Familie Halein (Eltern der Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Kathinka Zitz, nach der kürzlich eine Gasse in der Altstadt benannt wurde), das Jugendstil-Grabmal des Bildhauers Lipp, dessen Name im Zusammenhang mit der Mainzer Fastnacht nicht ganz unwichtig ist, ist er doch der Schöpfer der Mainzer Schwellköpp, sollen nicht unerwähnt bleiben.
In der Nähe liegt auch das Grab des Architekten Suder, der u.a. das Haus Anna Seghers baute. Am unteren Hauptweg liegen die Grabstätten der Fastnachtsfamilien Wucher, Mundo und Glückert.

In diesem Teil des Friedhofs befindet sich auch das Denkmal für die Veteranen, die „unter Napoleons Fahnen gefallenen Mainzer“. Veteranendenkmäler findet man auch auf einigen rheinhessischen Dorffriedhöfen, auch bei uns in Zornheim.

Grabmal
Grabstätte Andreas Schott
Foto: H. Kottner

Auf dem Weg zum Ausgang passierten wir die Gedenkstätte für bereits verstorbene Mitglieder der Mainzer Hofsänger sowie eine Nachbildung der Plastik des segnenden Christus, deren Original von Bertel Thorvaldsen im Dom von Kopenhagen steht.

Im Kontrast zu den altehrwürdigen Gräbern und Denkmälern liegt an zentraler Stelle des Friedhofs der erst vor wenigen Jahren angelegte „Sternengarten“, eine Begräbnis- und Erinnerungsstätte für Fehl-, Früh- und Totgeburten, mit bunten Blumen und Spielzeug geschmückt.

Am Ende unseres Spaziergangs kehrten wir gedanklich noch einmal zurück zu den eingangs erwähnten Worten Friedrich Schillers: So intensiv wir als Besucher die Schönheit und Atmosphäre dieses Friedhofs an einem Morgen im Frühsommer erlebten, so bewusst wurden wir uns dessen, dass auch uns ein solch „friedlicher“ Ort eines Tages bergen wird.

Der Besuch des Mainzer Hauptfriedhofs gewährt Einblick in die von früheren Generationen gepflegte Sepuralkultur und gibt Anlaß zu wünschen – wenn ich diese persönliche Bemerkung machen darf -, dass es dem modernen Menschen auch künftig noch gelingen möge, eine würdevolle Bestattungs- und Friedhofskultur beizubehalten und nicht der Gefahr zu erliegen, in eine „Entsorgungsmentalität“ abzugleiten, wofür es leider schon Anzeichen gibt.

Übrigens: Für historische und erhaltenswerte Grabstellen, die nicht mehr gepflegt werden, weil es keine Angehörigen mehr gibt bzw. die Stadt Mainz die Mittel nicht hat, werden Patenschaften vergeben. Als Pate pflegt man das Grab, restauriert es gegebenenfalls und erhält damit das Recht, das Grab zu nutzen,d.h. vielleicht eines Tages selbst darin zu ruhen (bei Interesse wende man sich an das städtische Friedhofsamt).



Autor: Sylvia Glaser

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