Neu hier? Lies hier über unser Motto gemeinsam statt einsam.
Mitglied werden einloggen




Passwort vergessen?

Für Gestaltung und Inhalt dieser Regionalseiten sind ausschließlich die jeweiligen Regionalbotschafter verantwortlich. Die von den Regionalbotschaftern eingegebenen und heraufgeladenen Inhalte unterliegen grundsätzlich weder einer Kontrolle durch Feierabend, noch nimmt Feierabend hierauf Einfluss. Hiervon ausgenommen sind werbliche Einblendungen und Beiträge die von Feierabend direkt eingestellt wurden und als solche gekennzeichnet sind.

Der Mainzer Musik-Verlag Schott

Auf dem Sofa, wie weiland berühmte Komponisten, durften wir heute Platz nehmen und über das Parkett gehen, über das dereinst Beethoven, Wagner, Liszt, Humperdinck, Orff und viele mehr geschritten sind ….wer fühlt sich da nicht zurückversetzt in vergangene Zeiten?

Ich habe am 25. September mit dem Frauengesprächskreis unserer Kirchengemeinde den Schott Musikverlag in Mainz besucht, der im Geburtsjahr Beethovens, 1770, gegründet wurde und noch immer in dem 1792 erbauten Patrizierhaus in der Mainzer Altstadt, im Weihergarten, beheimatet ist. Ein seltenes Privileg, denn normalerweise gibt es dort keine Führungen mehr. Schade, denn für jeden Klassik-Musikliebhaber ist nicht nur das Haus selbst ein Kleinod, auch das, was man sehen kann und erklärt bekommt, ist so kostbar und interessant, dass ich es als ein Geschenk ansehe, dieses heute erlebt zu haben. Leider hatte niemand die Kamera dabei, wobei ich mir nicht sicher bin, ob fotografieren überhaupt erwünscht oder erlaubt ist.
(Die Fotos - außer den beiden von pixelio.de - hat Frau Ruth Leister, Leiterin des Frauengesprächskreises, noch nachträglich aufgenommen).

Schott Musikverlag_Ruth Leister

Aber ich will Euch wenigstens mit meinen Bericht daran teilhaben lassen:

Schon beim Eintritt in das alte Haus, das mittlerweile unter Denkmalschutz steht, riecht man förmlich die letzten Jahrhunderte. Eine große Halle führt zum lauschigen Serenadenhof mit exotischen Bäumen und Büschen, die der jetzige Chef des Hauses, Dr. Peter Hanser-Strecker, von seinen Reisen mitbrachte. Viel zu selten erklingen hier noch Serenadenkonzerte. Früher, so erklärt Frau Dr. Christiane Krautscheid, Unternehmenssprecherin beim Schott Musik-Verlag, fuhren durch die (nicht mehr vorhandene) Rue de Stephanié, von der heutigen Weißliliengasse kommend, die Kutschen zum Eingang.
Das Geländer der gegenüberliegenden Terrasse, auf das sie uns aufmerksam macht, stammt aus den Trümmern des Mainzer Kurfürstlichen Schlosses nach dem Zweiten Weltkrieg.

Schott Musikverlag_Ruth Leister

In der Bombennacht im Februar 1945 blieb das Haus weitestgehend bis zur 1. Etage erhalten. Dieses ist auch einem Mitarbeiter von Schott zu verdanken, der gegenüber wohnte und mit einigen Helfern Brandbomben aus den Räumen entfernte. Er starb kürzlich nach 76jähriger Tätigkeit für den Musikverlag. Selbst im Ruhestand war er noch weiterhin im Archiv „seines“ Unternehmens tätig.

Bedächtig steigen wir die stattliche Treppe mit den Steinstufen und dem alten Eisengeländer in die bel étage und betreten das Empfangszimmer, auch „Wagner-Saal“ genannt. Es ist das Prunkstück des Hauses, die hohe Stuckdecke, der original erhaltene Parkett-Fußboden, die alten Möbelstücke. An den Wänden in Vitrinen kostbare Original-Noten der berühmten Komponisten, handgeschriebene Briefe, eine Karikatur mit Wagner und Ludwig Strecker, Porträts des Gründers Bernhard Schott, seiner Söhne und der mit dem Haus verbundenen Komponisten.

Schott Musikverlag_Ruth Leister

Der Musikverlag wurde 1770 von Bernhard Schott (1748-1809) unter dem Namen B. Schott’s Söhne gegründet. Der begabte Klarinettist und Kupferstecher erhielt bereits 1780 das Prädikat Hofmusikstecher und damit die Befugnis des Kurfürsten Friedrich Karl Joseph Reichsfreiherr von Erthal, dass die von ihm hergestellten Werke nicht nachgestochen oder verkauft werden durften. Als einer der ersten benutzte Bernhard Schott das Vervielfältigungsverfahren der Lithographie. Das führte sehr bald zu einer weiten Verbreitung des hochwertigen Notenmaterials und der Bekanntheit des Musikhauses über die Grenzen Deutschlands hinaus. Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden Niederlassungen in Antwerpen, Brüssel, London, Wien, Paris, Leipzig und sogar 1840 in Sydney und Melbourne gegründet.

Die hohe Qualität der Noten und das Engagement der Gründerfamilie machten das Haus international bekannt und zog namhafte Komponisten nach Mainz. Die Herausgabe der Klavierauszüge und Erstausgaben der Mozartopern „Don Giovanni“ und „Die Entführung aus dem Serail“ gehören zu den ersten Höhepunkten. Beethoven fand 1825 den Weg zu Schott, nachdem er vorher bereits 21 andere Verleger „probiert“ hatte. Seine wichtigen Spätwerke, u.a. die berühmte 9. Sinfonie, die Missa Solemnis und zwei der letzten Streichquartette Beethovens sicherten dem Verlag die Zukunft.

Für uns war ein besonderer Augenblick, als wir später im kleinen Museum des Verlagshauses den Entwurf Beethovens 9. Sinfonie, unsere heutige Europahymne „Freude schöner Götterfunken“, bestaunen konnten.

Beethoven_515156_web_R_K_by_Lilo Kapp_pixelio.de
Foto: Lilo Kapp_pixelio.de

Wagner_223391_web_R_K_by_Lothar Henke_pixelio.de
Foto: Lothar Henke_pixelio.de

Dem Enkel von Bernhard Schott, Franz Schott, gelang es 1859, Richard Wagner für eine Zusammenarbeit mit dem Hause Schott zu gewinnen. Seine Bühnenwerke „Die Meistersinger von Nürnberg“, die vier Opern des „Ring des Nibelungen“ und „Parsifal“ wurden in Mainz verlegt.

Unsere Referentin plauderte aus dem Nähkästchen und erzählte, dass Wagner, für die damalige Zeit unüblich, vom Verleger hohe Vorauszahlungen auf seine Opern verlangte. Es ging um die Notenrechte für den Parsifal. Die Noten waren noch nicht geschrieben und die Oper sollte nur in Bayreuth gespielt werden, wobei das Festspielhaus noch gar nicht aufgebaut war. Wagner verlangte einen Vorschuss von 100.000 Goldmark, das sind heute 500.000 Euro. Das brachte Schott an die Grenzen der finanziellen Möglichkeiten.

So schrieb Franz Schott 1862 an Wagner: „Überhaupt kann ein Musikverleger Ihre Bedürfnisse nicht bestreiten, dies kann nur ein enorm reicher Bankier oder Fürst, der über Millionen zu verfügen hat…“ Diesen reichen Fürsten fand Wagner später in dem jungen Bayernkönig Ludwig II.

Da Franz Schott und seine Frau Betty ohne Nachkommen blieben, verkauften sie den Musikverlag an den jungen Juristen Ludwig Strecker aus Wiesbaden. Weitere bedeutende Künstler kamen zum Verlag, darunter Engelbert Humperdinck, der als Lektor und Komponist bei Schott arbeitete und seine Märchenoper „Hänsel und Gretel“ dem Unternehmen anvertraute.

Im 20. Jahrhundert verlegte das Musikhaus Schott Werke von Igor Strawinsky, das gesamte Werk von Paul Hindemith und Carl Orff. Die „Carmina Burana“ ist unweigerlich mit dem Namen Musikverlag Schott verbunden. Auch viele zeitgenössische Komponisten bieten dem Musikhaus ihr Repertoire an. Das Unternehmen wird seit 1974 von Dr. Peter Hanser-Strecker, einem Enkel von Ludwig Strecker, geleitet.

Schott Musikverlag_Ruth Leister

Frau Dr. Krautscheid erzählt uns, dass Schott Musik International, wie das Unternehmen heute offiziell heißt, derzeit in zehn Ländern vertreten ist. Die Schwerpunkte liegen bei zeitgenössischer Musik, der historischen Aufarbeitung alter Werke, Lehr-, Unterrichts-, Kinder- und Schulmusik. Außerdem werden sieben Fachzeitschriften verlegt, CD-Labels sind entstanden. In Mainz-Hechtsheim befindet sich das größte europäische Logistikzentrum für Musikartikel. Weltweit werden etwa 11 Millionen Titel verwaltet, versandt und verliehen.
Diese Leihwerke sind die finanzielle Säule des Unternehmens. Orchester- und Opernnoten werden befristet an Opernhäuser und Orchester ausgeliehen. Die Leihgebühren errechnen sich daraus, wie oft, vor wie viel Personen und mit welchem Eintrittspreis die Stücke gespielt werden. Ähnlich wie bei den GEMA-Gebühren werden sie zum Großteil an die Komponisten oder deren Erben überwiesen. Das Urheberrecht gilt, wie auch bei Autoren, 70 Jahre nach dem Tod des Komponisten.

Schott Musikverlag_Ruth Leister

Ein Exkurs in die Notenstecherei und ein Rundgang im kleinen Museum beschließen die Führung. Unvorstellbar, mit welchem künstlerischen, handwerklichen und musikalischem Gespür die Notenstecher ihre Arbeit verrichtet haben. Die Komponisten gaben ihre handgeschriebenen Noten an den Verlag, teilweise, wie wir sehen konnten, mit manchmal undeutlichen Korrekturen. Die Aufgabe des Notenstechers war es dann, falsch geschriebene Noten richtig zu setzen. Dazu noch die gesundheitlichen Risiken, denn die Noten wurden bis Anfang der 80er Jahre auf Bleiplatten gestochen. Der Notenstecher war damit giftigen Stoffen wie Blei, Zinn und Antimon ausgesetzt, sie konnten ihre Tätigkeit nicht allzu viele Jahre ausüben.

Frau Dr. Krautscheid erklärt, dass der Notenstecher zuerst überlegt, wie er die vom Komponisten geschriebene Partitur auf die Bleiplatten verteilen geeignete Wendestellen berücksichtigen kann. Danach werden mit dem sog. Rastral, einer Klaue mit 5 Rillen, zuerst die Notenlinien eingeritzt. Mit einem Stahlgriffel wird dann das komplette Manuskript übertragen – seitenverkehrt, von rechts nach links. Den Haltebogen zieht er freihändig. Fehler, die der Notenstecher selbst oder Lektoren feststellten, werden auf der Rückseite korrigiert, indem dort eine Beule eingeschlagen wird, damit die Vorderseite wieder glatt wird und neu gestochen werden kann. Ein Notenstecher konnte pro Tag etwa eine Platte herstellen. Für große Werke waren etwa 30.000 Platten erforderlich.

Von den Platten wurde ein erster Abdruck hergestellt, der an den Komponisten zurückging. Oftmals wurden von diesem weitere Korrekturen verlangt. Daraufhin wurden wieder neue Platten gestochen und wiederum gingen die Abzüge an den Komponisten.

Bei Schott arbeiteten bis zu 80 Notenstecher. Die Arbeitsplätze befanden sich im Dachgeschoß, weil es dort am hellsten war. Noch heute bildet Schott in dem alten Beruf aus.

1980 setzte der Offset-Druck ein und seit 1989 werden die Notensätze digital hergestellt, wobei auch heute noch lediglich etwa sechs Seiten am Tag von einem Mitarbeiter hergestellt werden kann.

Alle Notenblätter, seien sie gestochen oder auch heute mit Computer aufgelistet, erhalten eine fortlaufende Nummer, die in einem sog. Stichbuch festgehalten werden. Mittlerweile gibt es mehr als 50 Stichbücher.

In einer der Vitrinen macht uns Frau Dr. Krautscheid auf die Zeitschrift „Cäcilia“ aufmerksam, die der Verlag seit Anfang des 19. Jahrhundert herausgibt. In diesen, so die Referentin, sind auch Kritiken über die Komponisten zu lesen. Beethoven las eine solche Zeitschrift und schrieb per Hand unter den Text: „Ach Du erbärmlicher Schuft, was ich scheiße, ist besser, als was Du je gedacht.“

Mit einem herzlichen Dankeschön verabschieden wir uns nach 1 ½ Stunden von Frau Dr. Krautscheid und dem Mainzer Musik-Verlag Schott.

Hier habe ich noch einen interessanten Auszug von Dr. Christiane Krautscheid gefunden.


(eingestellt am 25.9.12)

Autor: Feierabend-Mitglied

Artikel Teilen

 

Artikel bewerten
5 Sterne (1 Bewertungen)

Nutze die Sterne, um eine Bewertung abzugeben:


0 0 Artikel kommentieren
Regional > Mainz > Kunst & Kultur ab 2007 > 1_2007 bis 2013 > Der Mainzer Musikverlag Schott