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Hundertwasser-Ausstellung

„Den Cherub betören – Friedensreich Hundertwasser und die Sehnsucht des Menschen nach dem Paradies“


Eine Begegnung mit dem vielfältigen Wirken und Schaffen von Friedensreich Hundertwasser sollte es werden, als wir uns am 10. Juli um 14 Uhr vor dem Eingang des Landesmuseums Mainz in der Großen Bleiche trafen.

Friedensreich Hundertwasser ...... viele kennen seine Projekte: das 1985 fertig gestellte Hundertwasser-Haus in Wien, Wohnbauten in Bad Soden, Plochingen, Darmstadt und Magdeburg, Projekte in der Kindertagesstätte Heddernheim, Im Martin-Luther-Gymnasium in Wittenberg, den Häusern der Ronald McDonald Stiftung in Essen und Valkenburg. In diesen Objekten zeigt Hundertwasser, wie er sich ein Leben im Einklang mit der Natur vorstellt. Wir sollten darüber später noch mehr hören.
Wenn Du hier klickst, kommst Du zur offiziellen Homepage von Hundertwasser

Friedensreich Hundertwasser .... ein Exzentriker, ein schräger Vogel, ein „Lebens-Künstler“.
1928 wird er als einziges Kind der Eheleute Ernst und Else Stowasser, einer Jüdin, geboren und auf den Namen Friedrich Stowasser getauft. Bereits im Alter von einem Jahr verliert er seinen Vater, seine Mutter zieht ihn alleine groß. Mehr als 60 Verwandte werden von den Nationalsozialisten ermordet, er selbst und seine Mutter bleiben verschont.
Stowasser besucht die Montessori-Schule in Wien. Dort wird ihm im Zeugnis ein „außergewöhnlicher Formen- und Farbensinn“ bescheinigt. Im Alter von sechzehn Jahren beschließt er, Künstler zu werden. Das Studium an der Wiener Akademie der bildenden Künste bricht er im Winter 1948/49 bereits nach drei Monaten ab. Er will sich sein Recht auf freie und unverbildete Kreativität erhalten. 1949 ist auch das Jahr, in dem er seinen Namen in „Hundertwasser“ ändert.

Nach dem Entschluss, die Akademie zu verlassen, beginnt seine rastlose Reisetätigkeit, die ihn nach Marokko, Nepal, Japan und Sibirien führt. Er begeistert sich für die Kunst der Naturvölker und läßt sich von dieser inspirieren. Bereits mit 30 Jahren hat er seinen eigenen und unverkennbaren Stil entwickelt. Die weichen, geschwungenen Formen der Natur und das Element Wasser spielen in seinen Werken eine große Rolle.

Auf zwei Etagen können wir im Landesmuseum Mainz diese selten zu sehenden, malerischen Frühwerke, eine Auswahl herausragender Originalgemälde und Graphiken aus seinen späteren Jahren. Sie alle zeigen seine Vision einer Welt, die von Hoffnung, Harmonie und Schönheit geprägt ist, erleben.
Ein Audioguide ersetzt die Führung. Fotografiert darf hier nicht werden, wir kaufen als Ersatz ein paar Bildpostkarten seiner Werke.

Wieso Hundertwasser zu einer der populärsten aber auch umstrittenen Persönlichkeiten des 20. Jahrhundert zählte, wird in dem Film deutlich, den wir uns im Anschluss an den Rundgang durch die Ausstellung anschauen. Mit leisen Worten berichtet der Künstler über seine Vorstellungen, auf das Recht der Schöpfung, über seine Beob-achtungen der Natur. Der Film zeigt aber auch seine umweltpolitischen Aktivitäten, sein Protest durch Vorträge und Aktionen. Er zeigt ihn mit seiner Mutter; auf seinem für ihn gebauten/umgebauten Schiff „Regentag“; in Neuseeland. In dem Film wird deutlich, dass er ein Eigenbrödler ist, ein Mensch, der auf Besitz keinen Wert legt, der asketisch lebt, eins ist im Einklang mit der Natur.

Eine der bemerkenswertesten Szenen für mich ist folgende: Hundertwasser sitzt über eine Zeichnung versunken - ein Teller mit einer heißen Wasserbrühe steht auf dem Bild - in der „Suppe“ schwimmen ein paar wenige Nudeln - Geschmack gibt ein wenig Paprika, das er sich in das heiße Wasser streut. Er ißt mit der linken Hand - mit der rechten malt er weiter an dem Bild.

Nach einer kurzen Pause in der Cafeteria des Landesmuseums gehen wir zur Christuskirche.
Hier stehen die von Hundertwasser gestalteten und bebilderten Bibel im Zentrum, aber auch neun große Architekturmodelle, die seinen Einsatz für eine natur- und menschengerechtere Architektur zeigen.

Christuskirche
Die evangelische Christuskirche in Mainz
Foto: Irrwisch

In der Christuskirche haben wir das große Glück, den Stadtkirchenpfarrer Rainer Beier zu treffen, der mir persönlich aus den langen Jahren seines Wirkens als Gemeindepfarrer bekannt ist. Als er uns „Zornheimer“ sieht, dürfen wir uns noch seiner Führung anschließen, obwohl sich eigentlich schon zu viele Besucher dafür angemeldet haben. Für einen geringen Betrag erwirbt man auch das Recht, zu fotografieren.

Pfarrer Beier ist ein Pfarrer mit einer großen Leidenschaft für die Kunst. Bereits in Zornheim hat er zahlreiche wunderbare Ausstellungen organisiert. Nach seinem Wechsel als Stadtkir-chenpfarrer in Mainz holte er vor drei Jahren die Werke des Bildhauers Ernst Barlach in die Christuskirche. Der große Erfolg dieser Ausstellung, so betont er, war für ihn eine besondere Herausforderung, etwas Adäquates zu finden, was auf Barlach folgen konnte.

In seiner gut 1 1/2stündigen Führung, die vor der Christuskirche mit Blick auf die Kirche und das Portal beginnt, vermittelt Pfarrer Beier anschaulich das Motiv des Paradieses als Sehnsucht des Menschen nach Einklang. Wir schreiten durch den Keramik-Torbogen, den Hundertwasser als eine „in Stein gewordene Gestalt des Eingangsportals“ sieht.

Im Eingangsbereich sehen wir Arbeiten seiner umweltpolitischen Aktivitäten. Mit den Postern und Plakaten setzte sich Hundertwasser für die Erhaltung und den Schutz des Regenwaldes, der Rettung der Meere, der Aufforstung der Negev-Wüste in Israel und weiterer ökologischer Projekte ein.

„Each Raindrop is a kiss from Heaven“ („Jeder Regentropfen ist ein Kuss des Himmels“) so das Motiv eines Bildes, das Pfarrer Beier uns danach erläuterte und er schloss mit den Worten: „Wenn sie das nächste Mal Regentropfen auf ihrer Haut spüren, dann denken sie daran, dass der Himmel sie küßt, und wenn es ein stärkerer Regenguss ist, wissen sie, dass sie vom Himmel geknutscht werden“.

Im Altarraum der Christuskirche nehmen wir Platz und Pfarrer Beier erzählt zuerst etwas über die Geschichte der Christuskirche und danach über die Ausrichtung des Altarraums, mit der er zu Hundertwassers Werken überleitete.

Er berichtet, wie froh er war, dass es ihm gelungen ist, die Ausstellung nach Mainz zu holen. Hauptleihgeber der Werke ist das Kunsthaus Wien, das die größte Hundertwasser-Sammlung besitzt und Erbe des künstlerischen Nachlasses Hundertwassers ist, der in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag hätte feiern können.

Unser Blick fällt auf ein großes Bild, das eine Spirale zeigt. Hundertwasser hat hier die Vorstellung „vom naturhaften Werden des Bildes, vom Wachsen, aber auch vom Vergehen“ - so Beier.

Danach gehen wir zur Ostchorwand, wo sechs Motive der japanischen Farbholzschnitte „Joy of man“ die Vorstellungen Hundertwassers zum „Fensterrecht“ zeigen.

Mit dem „Fensterrecht“ - so Beier „postuliert er das Recht jedes Einzelnen, sich aus seinem Fenster zu beugen und - so weit seine Hände reichen - das Mauerwerk zu bemalen.“

Eines der weiteren Bilder zeigt das Werk mit dem Titel „homo - humus -humanitas“ (der Mensch - die Erde - die Menschlickeit).

Hundertwasser beschreibt in dem Bild den wahren Kreislauf des Menschseins. „Humus“, die Lebensbasis, die Erzeugung von reinem Wasser durch Kläranlagen aus Pflanzen, keine Gifte, keine Monokulturen, ökologische Begräbnisstätten, denn nach dem Gesetz der Natur leben die Toten in den Bäumen weiter, die auf ihren Gräbern wachsen.

Nach seinem Tod im Jahr 2000 an Bord der „Queen Elizabeth“ ließ er sich deshalb auch in Neuseeland, wo er die letzten Jahre lebte, in ein Tuch eingehüllt, mehrere Meter tief begraben und einen Baum auf seine Begräbnisstätte pflanzen. Er freute sich darauf, nach seinem Tod „wieder Humus“, also Erde zu werden, um dann über den Weg der Verwandlung in und durch einen Baum weiter zu leben.

Ein weiterer Blickpunkt der Ausstellung sind die von Hundertwasser gestalteten 12 Bibel, die im Karree auf vier Tischen ausgestellt sind. Jeder Einband handgefertigt und ein Unikat.

Wunderschön das Licht, das sich in den Metallplättchen bricht. Auf den ersten Blick sehen alle Einbände gleich aus. Geht man an ihnen vorbei, schillern sie in verschiedenen Farben.

In der Mitte der Tische liegt ein ausgebreitetes schwarzes Tuch mit Erde darauf und einem Bibelzitat. Mit ihm soll der 2. Schöpfungsbericht aufgegriffen werden, in dem die Erschaffung des Menschen aus Erde durch Gott geschildert wird. Der Mensch ist von der Erde (hebräisch: adamah) genommen und heißt deswegen Adam (Erdling). Er wird lebendig durch den Odem, den Gott ihm einhaucht (Geist Gottes).

Hier noch ein weiterer Link zu Werk und Wirken von Hundertwasser.

Nachdem wir uns die Münzen und Uhren, die Hundertwasser entworfen hat, angeschaut haben, führt uns Pfarrer Beier zu den neun ausgestellten Architekturmodellen und erklärt:

„Hundertwasser verurteilte die Unbewohnbarkeit der funktionellen Architektur und die gerade Linie als gottlos, unmoralisch und nicht schöpferisch. So sagt er: „Die Waagrechte gehört der Natur, die Senkrechte dem Menschen. Alles was waagrecht unter freiem Himmel ist, gehört der Vegetation, nur das, was senkrecht ist, kann der Mensch für sich beanpruchen …. Freie Natur muß überall dort wachsen, wo im Winter der Schnee hinfällt.“ Infolge dessen entwickelt er die Vorstellung, Vegetationsschichten in Stockwerken anzulegen. In den ersten Architekturmodellen wie das Hoch-Wiesen-Haus, das Terrassen- oder das Spiralhaus, wird sein Grundsatz umgesetzt und die Entfremdung des Mensch von der Natur aufgehoben.“

Vorbild dafür, die Natur in die Architektur einzubinden, sind die Gruben- und Felsenhäuser in Afrika.

In immer neuen Projekten zeigt Hundertwasser, wie aus der Utopie Wirklichkeit werden kann und ein Leben in Einklang mit der Natur aussieht. 1985 wird das Wohnhaus der Stadt Wien, das Hundertwasserhaus fertiggestellt, viele weitere Projekte folgen. Das Architekturmodell zeigt das Hundertwasserhaus in Wien, daneben ein Plattenbau. Hundertwassers Meinung hierzu: „In solch einem Haus zerstört man die Seele eines Menschen.“

Pfarrer Beier erklärt anschaulich das große Architekturmodell „Häuser unter einer Wiese“. Hier ist eine ganze Stadt aufgebaut, wie sie nach Hundertwassers Vorstellungen realisiert werden könnte. Er sagt dazu: „Wenn Gott von oben herunterschaut, schaut er auf Grün, auf einen Garten, auf das Paradies“.

Wir gehen zum Modell der Kirche in Bärnbach in der Steiermark. Hundertwasser hat die Kirche nach seinen Vorstellungen umgebaut. Selbst der Dachfirst ist geschwungen. Seiner Meinung nach empfindet er die gerade Linie als gottlos. „Nichts auf der Welt ist gerade", sagt er.
Zu Begrüßung stellt er rings um das Gotteshaus Schilder aller Religionen der Welt und lädt die Menschen zur Begegnung mit dem Schöpfer ein.

Es folgen die Architekturmodelle des Ronald McDonald Hauses in Essen und das Martin Luther Gymnasium in Wittenberg.

Zum Abschluss der Führung zeigt uns Pfarrer Beier noch ein besonderes Projekt Hundertwas-sers. Wie schon erwähnt, ist ein besonderes Anliegen für ihn der Schutz des Wassers. In den 70er Jahren begann er deshalb, sich mit der „Humustoilette“, eine Kompostiertoilette“ zu beschäftigen und mit der biologischen Abwasserreinigung durch Pflanzen. Eine solche Toilette ist ebenfalls in der Christuskirche zu sehen.

Kaum jemand weiss, dass Hundertwasser Aquarelle als Vorlagen für Briefmarken gemalt hat. Anläßlich des 35jährigen Jubiläums der Erklärung der Menschenrechte wurden diese Briefmarken von der Postverwaltung der Vereinten Nationen herausgegeben. Auch Briefmarken, die er für die Republik Senegal entworfen hat, sind zu sehen, Fahnen, Entwürfe für „creative clothing“ und für Gebrauchsgegenstände.

Wenn Du hier klickst, kannst Du mehr über Hundertwasser und seine Objekte sehen.

Führung
Pfarrer Beier bei der Führung
Foto: Irrwisch

Bevor wir die Christuskirche verlassen, gehen wir noch kurz in den kleinen Neuseeland-Raum in der Seitenkapelle. Dort ist Hundertwassers „irdisches Paradies“ in zwei Bildern seiner ganz in die Natur eingefügte Behausung zu sehen, in der er viele Monate seines Lebens zugebracht hat.

Draußen empfängt uns strahlender Sonnenschein. Von soviel „Hundertwasser“ durstig geworden, gehen wir zum nahe gelegenen Biergarten am Kurfürstlichen Schloss, wo wir bei Wurstsalat, Handkäs` mit Musik und einem frisch gezapften Bier noch eine Weile zusammen sitzen und unser eigenes Paradies, ein warmer Sommerabend unter freiem Himmel, genießen.


Übrigens: Wenn Du mit einem Doppelklick auf die Bilder gehst, kannst Du sie größer sehen.

Autor: Feierabend-Mitglied

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