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Die Lego-Oma und ihre mobilen Rollstuhlrampen

Alles fing mit einem Artikel in einer Fachzeitschrift für Querschnittsgelähmte an, den Rita Ebel aus Hanau zufällig las. Dort wurde über ein Konzept für mobile Rollstuhlrampen aus Legosteinen berichtet, das selbst daheim umgesetzt werden kann. Ursprünglich stammt die Idee von Raul Krauthausen, einem Aktivisten für Inklusion und Barrierefreiheit. Das war vor knapp zwei Jahren und dieser Zeit ist viel passiert.

Zweispurige Legorampe für Rollstühle

Die 63jährige Rita Ebel war von der Idee begeistert. Seit 26 Jahren sitzt die Hanauerin nach einem Unfall selbst im Rollstuhl und weiß deshalb, wie schwierig es ist, die Stufen und Eingänge zu Geschäften zu überwinden. So fingen sie und ihr Mann Wolfgang an, bestehende Anleitungen zu überarbeiten und um Legospenden zu bitten – denn benötigt wird eine ganze Menge an Steinen.

Vom Legostein zur Rampe

Bis eine solche Rollstuhlrampe fertig ist, sind unzählige Legosteine, viele Stunden Arbeit und sehr viel Kleber notwendig. Denn auch wenn die Rampen leicht wirken, so sind sie ordentliche “Brummer” und können durchaus 15 Kilo wiegen. Das ist auch gut so, denn schließlich müssen auch schwere Elektrorollstühle über sie fahren können. Sie sind für das Überbrücken einer Stufe gedacht und können bis zu 18 Zentimeter überwinden. Häufig kommt eine zweispurige Rampe zum Einsatz und alleine das Zusammenpuzzlen einer solchen Spur dauert ca. sechs bis sieben Stunden, in denen bis zu neun Kilogramm Lego verbaut werden. Insgesamt haben die Legorampenbauer bereits über 1,2 Tonnen (!) Legosteine verbaut. Die unzähligen Stunden, die dafür notwendig sind, waren auch der Auslöser dafür, dass ihre Enkeltochter ihr den Spitznamen "Lego-Oma" gab und damit die Inspiration für ihr Instagram-Profil lieferte.

Was kostet eine solche Rollstuhlrampe?

Lego-Rollstuhlrampen vor einem Geschäft

Stünden die Legorampen zum Verkauf, so wären sie recht teuer. Allein der Materialwert beträgt bereits um die 500 Euro – und da ist die Arbeitszeit noch nicht mit einberechnet. Doch Rita und Wolfgang Ebel machen das Ganze ehrenamtlich und arbeiten mit gespendeten Legosteinen. Je bekannter die Lego-Oma wird, desto größer wird auch die Fangemeinde, die Dachböden und Keller nach alten Steinen durchstöbert und nach Hanau schickt. Mittlerweile reisen die Legos beispielsweise von Italien und Spanien aus nach Deutschland. Immer willkommen sind auch Kleberspenden, denn dieser wird ebenfalls in großen Mengen benötigt.

Eine Idee reist um die Welt

Kleiner Junge mit Laufrad auf Legorampe

Ein Großteil von Rita Ebels Rampen liegt in Hanau. Ob bunt oder mit dem Logo des Geschäfts versehen, ihre Werke prägen das Stadtbild. Doch dabei bleibt es nicht. In der Zwischenzeit ist das Projekt so groß geworden, dass ein Team von Ehrenamtlichen die beiden unterstützt, ob beim Bauen, beim Entwurf der Designs oder auch bei der Öffentlichkeitsarbeit. So können mittlerweile auch Rampen für Privathaushalte, beispielsweise für schwerstbehinderte Kinder, verschickt werden. Und auch die Idee an sich zieht ihre Kreise. Das Projekt war nie dafür gedacht, es lokal und personell zu begrenzen. Wie groß das Interesse mittlerweile ist, zeigt sich an den folgenden Fakten: die Anleitungen wurden bereits in neun Sprachen übersetzt und über 420-mal verschickt. Und so verwundert es nicht, dass in ganz Deutschland verteilt und auch in der Schweiz fleißige Hände weitere Legorampen bauen. Im Herbst 2020 war es dann so weit, die erste Rampe wurde international verschickt. Nun liegt mitten in Paris, vor einer kleinen Boutique, die bis dahin breiteste Rampe mit 90 Zentimetern.

Die Sache mit den Ordnungsämtern

Lego-Oma Rita Ebel und ein kleines Mädchen vor den Rollstuhlrampen

Deutschland wäre nicht Deutschland, gäbe es nicht auch für Rollstuhlrampen eine Norm. Mit dem Ordnungsamt Hanau, wo ihre Rampen hauptsächlich im Einsatz sind, hat Rita Ebel gute Erfahrungen gemacht, hier wird ihr Nutzen vor theoretischen Bedenken gesehen. Andere Städte sind leider nicht ganz so offen, in München musste eine Rampe wieder entfernt werden, da sie nicht zertifiziert sind. So sichert sich die Lego-Oma auch rechtlich ab, wenn sie sagt, dass die Nutzung auf eigene Gefahr erfolgt. Dabei sind sie durch ihre Struktur besonders griffig und damit gut zu befahren. Das kommt im Übrigen nicht nur Rollstuhlfahrern zugute, sondern auch Benutzern von Rollatoren und Kinderwägen. Und einen weiteren Vorteil haben sie, den anfangs niemand bedacht hat: durch ihre bunte und auffällige Bauweise sind die Legorampen auch für sehbehinderte Menschen hilfreich, die dadurch leichter Stufen erkennen können. Gleichzeitig laden sie auf fröhliche Weise dazu ein, dass sich auch nicht Betroffene über (fehlende) Barrierefreiheit Gedanken machen und signalisieren Menschen mit Behinderungen, dass sie willkommen sind.

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