im Kreis Neuenburg/Zetel
Durch eine Anzeige in der Ferienzeitung, Ausgabe Frühjahr 2012, wurden Karin (krabbe47) und ich auf das Schulmuseum mit Dorfcafe in Bohlenbergerfeld aufmerksam. „Das wäre doch etwas für uns FA’ler“ sagten wir und nahmen dieses Ausflugsziel als Oktober-Treff in’s Programm. Somit vereinbarte ich mit der Schule den 18. Oktober um 13.00 Uhr als Termin für eine Führung durch das Schulmuseum sowie eine historische Unterrichtsstunde.
Auf meine Frage, was man denn noch so in der Nähe unternehmen könnte, schlug mir die Schulassistentin, Frau Elke Schneider, die „Rutteler Mühle“ vor. Diese bieten auch in der Woche ein Frühstück an und ich reservierte für uns einen Tisch um 11.00 Uhr.
Hinter dem Neuenburger Urwald steht auf einer kleinen Anhöhe die Rutteler Mühle. Diese entstand zu einer Zeit, in der Windmühlen zum charakterischen Gesamtbild eines Dorfes gehörten. Im Jahre 1865 wurde der Galerieholländer am Ortsrand von Neuenburg erbaut und ragt seitdem mit seinen 25 Metern Höhe weit über das Land der Friesischen Wehde.
Hier trafen wir uns; wir waren dieses Mal nur 9 Teilnehmer. Mehrere Personen, die sich für diesen Treff angemeldet hatten, mußten leider aus den unterschiedlichsten Gründen absagen.
In der weiträumigen Diele mit ihren kleinen Sprossenfenstern war der Tisch schon mit allerlei Köstlichkeiten für uns gedeckt. Es gab zwei Käseplatten, eine Aufschnitt- und Schinkenplatte, ger. Lachs und Forelle, gekochte Eier, gefüllte halbe Eier, Rühreier, selbstgebackenes Brot und Brötchen, selbstgemachte Konfitüren, Honig, Kaffee, Tee, Fruchtsäfte und Wasser. Immer wieder kam die nette Bedienung vorbei und fragte, ob wir etwas nachhaben möchten.
Wie man sieht, hatten wir FA'ler das ganze gemütlich eingerichtete Cafe für uns alleine - entsprechend gut war unsere Stimmung...
Die Rutteler Mühle ist die einzige Windmühle Deutschlands, in der noch Holz gesägt wird. Die horizontale Gattersäge bearbeitet Baumstämme bis zu einem Meter Durchmesser. Zwölfmal bewegt sich die Säge hin und her, wenn der Mühlenflügel eine Runde dreht. Seit 140 Jahren wird hier auch heute noch Getreide mit Hilfe der Windkraft frisch gemahlen, geschrotet oder gequetscht und im Mühlenladen angeboten. Weitere Details siehe hier unten:
Das Nordwestdeutsche Schulmuseum, 1978 von Bodo und Ursel Wacker gegründet, ist das älteste, eigenständige Schulmuseum Deutschlands. Mitte der 70er Jahre wurden sehr viele kleine Landschulen geschlossen und zu Mittelpunktschulen zusammengeführt. Um zu verhindern, dass die alten Lehr- und Lernmittel sowie sonstige Schuleinrichtungen unwiederbringlich verloren gingen, wurde das Schulmuseum in der ehemaligen Volksschule Bohlenbergerfeld eingerichtet.
Entsprechend ausgelassen betraten wir das Museum. Im Flur begrüsste uns Frau Schneider und stellte fest: "Die sind ja schlimmer, als eine Gruppe von 20 Personen, das kann ja was werden".
Sie führte uns durch einen Raum mit Ausstellungsschränken mit Lehrmitteln in den Filmraum. Hier wurde uns eine Tonbildschau zur Schulgeschichte gezeigt, in der wir u. a. folgendes erfahren:
- der Schulweg zu Fuß über Land war beschwerlich
- oft saßen über 60 Schüler in einer Klasse.
- strenge Disziplin und harte Strafen bereits für kleinste Vergehen.
- Kinder mussten nach dem Unterricht meist bei der Arbeit zu Hause mithelfen.
Stolz zeigte uns Frau Schneider den Bastel- und Handarbeitsraum, in dem Materialen, Hefte mit Anleitungen usw. für diese Arbeiten gelagert und für Kurse vorbereitet werden. Seit April vergangenen Jahres vermitteln ehrenamtliche Mitarbeiter des Museums ihre Ideen und vor allem ihre Techniken beim Handarbeiten an Kinder ab acht Jahren.
Die Idee für die Handarbeitsgruppe ist entstanden, als das Schulmuseum Frauen zum Häkeln von Tafellappen aufgerufen hatte. „Damals sind wir beim Häkeln ins Gespräch gekommen. Alte Schule, Kinder, Handarbeiten – das passt zusammen, haben wir uns gedacht. In der Schule heutzutage wird ja Handarbeiten nicht mehr so praktiziert“, sagt Frau Schneider.
Zur Zeit hat das Museum eine Sammlung von ca. 4000 verschiedenen Schulwandbildern, fast 6000 alte Unterrichtsdias, über 400 Landkarten und einen großen Bestand an physikalischen Geräten, biologischen Studienobjekten und sonstigen Lehrmitteln.
In diesem Raum werden alle gespendeten Bücher und Dokumente von einem ehrenamtlichen Mitarbeiter archiviert.
Zwischenzeitlich hatte sich eine andere Gruppe dort eingefunden, die sich mit uns in Zweierreihen aufstellen musste, die weiblichen Besucher vorne und die männlichen dahinter.
Für uns Frauen gab es erst einmal eine Schürze zum Umbinden. „Früher hatten schließlich alle Mädchen Kleider oder Röcke an, da konnte man sie auch als Mädchen erkennen“, sagt die Museumsassistentin. Zudem erhielten wir alle Namensschildchen mit üblichen Vornamen um die Jahrhundertwende. So wurde aus Brigitte Meta, aus Erna Hermine, aus Karin Agate, aus Renate Johanne und aus Uschi Giesellinde. Von da an waren wir Mädchen. Aus Axel wurde Benno, aus Friedel Otto, aus Hans Leopold und Paul Bruno. Ab sofort waren das die Jungs. Was haben wir dabei gelacht.
Mittlerweile hatte Frau Schneider sich umgezogen und erschien in einem langen schwarzen Rock mit weisser Bluse. Sie wies darauf hin, dass während des Unterrichts nicht fotografiert werden dürfe. „Die Mädchen sitzen auf der einen Seite, die Jungs auf der anderen; die Kleinen vorne und die Grossen hinten. So war das damals in der Landschule“, erklärt sie. Dann ging es in den Klassenraum mit Ausstattung wie im Jahr 1910. Es gibt enge Viererbänke aus Holz. „Stößt die Tintenfässer nicht um“, mahnt Elke Schneider die Teilnehmer mit Strenge.
Ruhig sein, strenge Regeln einhalten – das Benehmen spielte beim Frontalunterricht von damals eine übergeordnete Rolle. Und dieses bekommen auch wir „Schulkinder“ zu spüren. Sprechen darf nur, wer aufgerufen wird – nach nur zaghaftem Handzeichen – und das auch nur in ganzen Sätzen, wie sie „Fräulein Schneider“ von ihren Schülern einfordert. „Fräulein“ – darauf besteht sie, auch wenn sie im wahren Leben verheiratet ist. Schließlich durfte eine Lehrerin zu damaliger Zeit nicht verheiratet sein.
Wir stehen also auf und sagen im Chor: "Guten Morgen Fräulein Schneider". Erst jetzt bemerken wir, dass der dicke Schüler Leopold sich in eine mittlere Bank hineingezwängt hat und kaum aus der engen Bank herauskommt. Großes Gelächter bei allen "Schülern", so dass wir kaum das vorgebene Lied mitsingen können.
Nach Überprüfung der Hände ihrer Schüler und der (Stoff-)Taschentücher auf Sauberkeit – „also Papiertaschentuch, das gilt ja nun nicht“ – beginnt der eigentliche Unterricht. Und als „Fräulein Schneider“ ihren Namen an die Tafel schreibt, können wir Schüler ihn doch tatsächlich lesen. „Das ist ja Sütterlin, das habe ich noch gelernt“, klingt es verblüfft aus den Bankreihen.
Die Sütterlinschrift, der vom Berliner Grafiker Ludwig Sütterlin (1865 bis 1917) geschaffenen Schreibschrift, wird im Volksmund auch die „deutsche Schrift“ genannt, wurde 1915 bis etwa 1940 in deutschen Schulen gelehrt.
Wir Mädchen bekommen die Aufgabe, aus den an die Tafel in Sütterlin geschriebenen Buchstaben e, n und i Worte in das vor uns liegende Heft zu schreiben, während die Jungs im Rechnen mit dem Abakus unterrichtet werden. Bei Beobachtung der Jungs vorne am "Rechner" können wir Mädchen es nicht vermeiden, ab und zu eine Bemerkung fallen zu lassen, sehr zum Mißfallen von Frl. Schneider...
Es war wirklich nicht einfach, sich an die Regeln zu halten. Insbesondere beim Aufstehen (nur nach Aufrufen) und Sätzebilden hatten wir unseren Spass. Frau Schneider, die diesen Unterricht sehr ernst nimmt, hatte dafür leider wenig Verständnis...
Die Schulstunde endete mit einem Gebet. Als Frau Schneider den Klassenraum verlassen hatte, machten wir noch ein paar Fotos und gingen dann einen Raum weiter in das Dorfcafe.
Hier diskutierten wir bei Kaffee/Tee und Kuchen über die historische Schulstunde, insbesondere über den Unmut von Frl. Schneider über die vorlauten Mädchen. Waren wir zu undiszpliniert - hätten wir uns ruhiger verhalten sollen?
Fazit: Wir waren nicht die Lümmel von der ersten Bank; wir saßen ja (später auch Leopold) weiter hinten...
Auch wurde über den Dezember-Treff gesprochen und waren der Meinung, dass wir die Adventsfahrt mit der "Warsteiner Admiral" noch einmal als Veranstaltung einstellen könnten.
Auf meine Frage, ob wohl die Grünkohlfahrt mit der Küstenbahn etwas wäre, antwortete Karin (krabbe47), dass sie das schon einmal mitgemacht hätte und das toll war.
Gegen 17.00 Uhr war Aufbruchstimmung.
Beim Abschied bedauerten wir, dass nicht mehr FA'ler an dieser besonderen Veranstaltung teilnehmen konnten.
Impressum:
Fotos: dolomiti und ernibird
Bildbearbeitung: dolomiti
Text und -gestaltung: ernibird
Textquellen: Rutteler Mühle und
Schulmuseum
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