Letztes Jahr machten Hans und ich eine Radtour von Bensersiel aus über Neuharlingersiel und Harlingersiel nach Carolinensiel. Als wir an der Harle entlangfuhren, sahen wir die "Concordia II"
gemächlich dahintuckern. In dem schnuckeligen Hafen von Carolinensiel wurde dann klar, dass sich hier für uns FA'ler die Kombination Sielhafenmuseum/Raddampfer anbietet.
in Carolinensiel
Es war Wochenmarkt in Carolinensiel als wir uns vor dem Kapitänshaus trafen. Am Museumshafen waren Verkaufsstände aufgebaut. Entsprechend belebt war es und wir schauten dem geschäftigen Leben und Treiben zu, als uns gegen 11.00 Uhr die Gästeführerin, Frau Jostes begrüßte.
Das Kapitänshaus ist neben dem Groot Hus, der Alten Pastorei und der Rettungsstation eines der vier historischen Gebäude des Deutschen Sielhafenmuseums.
Frau Jostes erzählte uns, dass das Kapitänshaus das typische Wohn- und Geschäftshaus der Carolinensieler Schiffer und Kaufleute darstellt. Es wurde 1803 auf Fundamenten aus der Gründungszeit des Ortes (1730-32) erbaut. Von 1834 bis 1943 befand sich hier die Gastwirtschaft "Zum deutschen Kaiser". Seit 1894 beherbergte das Gebäude zusätzlich einen Friseurladen. Daneben gab es zwischenzeitlich verschiedene weitere Geschäfte. Nach einer umfassenden Restaurierung ist das Kapitänshaus seit 1997 Ausstellungsgebäude des Museums.
22 Personen waren wir, als wir in der gemütlichen Schifferkneipe Platz nahmen. Hannelore und Horst waren zum ersten Mal dabei. Angelika hatte Monika und Manfred als Gäste mitgebracht. Gebäck stand auf den gedeckten Tischen und eine nette Dame versorgte uns mit Tee. Mehr Bilder davon seht ihr .
Mit dem Buch "Windiger Siel" in der Hand erläuterte uns Frau Jostes einiges aus der Blütezeit des Hafens im 19. Jahrhundert:
In den Jahren 1861/62 gab es hier allein 40 Kapitäne sowie 35 See- und 24 Wattschiffe. Im Ort waren zwei Werften, zahlreiche Gaststätten und vier Brauereien ansässig. Die weltoffene und groß zügige Lebensart der Seeleute "vom Siel" stieß bei ihren bäuerlichen Nachbarn oft auf Skepsis. Die noch heute gebräuchliche Redensart vom "Cliner Wind" meint daher auch nicht die ständig vom Meer wehende Brise, sondern die besonders lebendige Atmosphäre Carolinensiels.
Dann las uns Frau Jostes Zitate aus dem Buch "Windiger Siel" vor. Es handelt sich dabei um einen Roman von Marie Ulfers aus dem Jahr 1949.
Die Dichterin und Kapitänstochter Marie Ulfers hat ihrem Heimatort Carolinensiel damit ein Denkmal gesetzt. Sie beschreibt darin die Sorgen und Nöte der Carolinensieler Schifferfamilien zur Blütezeit der Segelschifffahrt im 19. Jahrhundert und bietet ein lebendiges Bild des Lebens in einem Sielhafenort in den 1870er Jahren. Sie beschreibt anschaulich, wie die Menschen in einem Ort gelebt haben, wo sich alles um die Schiffahrt dreht.
Viele historische Wandfliesen verzieren das Kapitänshaus. Frau Jostes zeigt uns die schönsten Motive und erklärt uns die Herstellung. Insbesondere, was mit dem Thema Schifffahrt, Fischerei und der Romantik diesbezüglich zu tun hatte, war als Motiv auf Fliesen und Fliesentableaus beliebt. Diese gelangten hauptsächlich durch Handel mit den Niederländern nach Carolinensiel, denn der Hafen war ein bedeutender Umschlagplatz im nördlichen Ostfriesland.
Von hier aus wurden die landwirtschaftlichen Produkte der Marsch in die Hansestädte, in die Niederlande und nach Großbritannien exportiert. Über den Hafen importierte man Holz aus Skandinavien, Kohle und Wolle aus England sowie Steine und Kolonialwaren (Zucker, Kaffee, Tee). Außerdem übernahmen die Carolinensieler die Verteilung von Waren aus Hamburg oder Bremerhaven zu den übrigen norddeutschen Häfen. Ihre kleinen Frachtensegler waren mit dem geringen Tiefgang ans flache Wattenmeer angepasst.
Die Führung durch das Kapitänshaus
beginnt in einem original erhaltenen Kaufmannsladen Anno dazumal, der einmal in Schweindorf stand und 1985 vom Sielhafenmuseum erworben wurde.
Wir unterhalten uns darüber, dass es früher fast in jedem Dorf einen "Tante Emma"-Laden gab und wie sich die Zeit verändert hat...
Dann geht es in das Kapitänszimmer (Bild oben). Auch hier liest uns Frau Jostes aus dem Buch "Windiger Siel" vor, in dem Marie Ulfers detailgetreu die Einrichtung des Hauses zur damaligen Zeit beschreibt.
Ein Stockwerk höher befindet sich die "Gute Stube". Dieses "Marie-Ulfers-Zimmer" (Bild unten) ist der Dichterin gewidmet und kann für Trauungen gebucht werden.
Jeder hatte jetzt noch Gelegenheit, sich in den anderen Räumen umzusehen, in dem u. a. die Küche (Bild unten), Seemannsmitbringsel aus fernen Ländern und eine Hafenapotheke zu besichtigen sind.
Vor dem Kapitänshaus weist Frau Jostes noch auf die historischen Plattbodenschiffe, die im "Alten Hafen" liegen, hin. Diese tragen hier das ganze Jahr über zu der einmaligen Kulisse zusammen mit den schmucken Häusern mit den typischen Fassaden bei. Danach spazieren wir rüber zum
Frau Jostes erzählt uns, dass das Groot Hus (niederdeutsch für "großes Haus") 1840 als Kornspeicher mit Wohn- und Geschäftsräumen erbaut wurde. Als typisches Wohnpackhaus diente es der Lagerung des aus dem Umland angelieferten Getreides vor der Verschiffung im Hafen.
1897 erwarb die Firma Mammen aus Altgarmssiel das Anwesen und nutzte es bis 1979 als Kornspeicher ("Mammens Groot Hus"). Im Erd- und Untergeschoss befanden sich zeitweise Ladenlokale und eine Molkerei. 1983 ging das Gebäude durch eine Schenkung in den Besitz der Stadt Wittmund über. Seit 1984 beherbergt es das Deutsche Sielhafenmuseum Carolinensiel und zeigt die Ausstellung über Land und See, die Geschichte der Siele, Häfen, Deiche und Schifffahrt.
Vor einer großen Ostfrieslandkarte zeigt uns Frau Jostes, dass sich,wo heute Carolinensiel liegt, noch vor wenigen Jahrhunderten ein Ausläufer der Nordsee befand. Um 1500 begann eine zielstrebige Landgewinnung durch Eindeichung. Schritt für Schritt wurden dem Meer neue Landflächen abgerungen. Im Fortgang der Landgewinnung lagen ehemalige Küstenorte plötzlich im Binnenland, neue Sielorte wurden gegründet wie Altfunnixsiel, Neufunnixsiel, Carolinensiel, Harlesiel.
In diesem Raum zeugen viele Schiffsmodelle und -utensilien von der rühmlichen Vergangenheit Carolinensiels. Seit den 1880er Jahren war die Entwicklung jedoch rückläufig. Die Segelschiffe konnten mit den neuen, schnelleren Dampfschiffen und der Eisenbahn nicht mehr konkurrieren. Carolinensiel stellte sich allmählich auf die Fischerei um.
Nach dem Bau des Schöpfwerkes und Hafens Harlesiel in den Jahren 1959/60 wurde der alte Sielhafen nicht mehr gebraucht. Dieser verschlickte zusehens und wurde 1962 bis auf eine Entwässerungsrinne zugeschüttet. Im Zuge der Gründung des Sielhafenmuseums versetzte man ihn 1986/87 wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurück. Heute erinnert er als Museumshafen mit seinen historischen Segelschiffen wieder an die große Zeit der Carolinensieler Schifffahrt.
Hier geht Frau Jostes auf das Thema Sturmfluten und Küsten- schutz ein. Deichbauten wurden schon im Mittelalter gemeinschaftlich organisiert und war bis ins 19. Jahrhundert hinein harte Knochenarbeit für hunderte von Arbeitskräften. Bei zwölf bis vierzehn Arbeitsstunden an sechs Tagen in der Woche verwundert es nicht, dass es häufig zu Arbeitsniederlegungen und Laway kam.
Wessen Grundstück an den Deich grenzte, der musste sich an Bau- und Unterhaltsleistungen beteiligen. Es galt das Spatenrecht: Wer nicht willens oder in der Lage war, seinen Deichabschnitt zu unterhalten, musste seinen Spaten in den Deich stecken und sein Land verlassen.
Aber die Zeit drängt, der nächste Termin für uns steht an.
Wir bedanken uns bei ihr für die sehr unterhaltsame Führung durch die beiden Häuser des Sielhafenmuseum. Die Vermittlung der Vergangenheit des Lebens und Arbeitens zu Wasser sowie an Land in Carolinensiel war sehr informativ.
der Anleger für die Concordia II.
Hier warten wir auf das Schiff
(Abfahrt um 13.00 Uhr),
das fahrplanmäßig im Pendelverkehr
von Carolinensiel nach Harlesiel
und wieder zurück fährt.
Schiffsfahrt mit der
Die "Concordia II" ist benannt nach einem historischen Seiten-Raddampfer auf der Harle um 1850, bietet Platz für 100 Personen und wurde in kurzer Zeit zur echten Attraktion für Groß und Klein.
"Moin, Moin" heißt es auf der homepage der Reederei Albrecht "komm' an Bord". Als ich dort anrief, um Plätze für uns zu reservieren, meldete sich: "Seebestattung Nordsee, guten Tag". Ich legte sofort auf, prüfte und wählte die Nummer der Reederei noch einmal. Wieder war ich mit der Bestattungsfirma verbunden und sagte: "Wir sind zwar eine Gruppe von Senioren, aber wir buchen nur mit Rückfahrkarte..."
War es morgens noch recht kühl, wurde es gegen Mittag schön warm und so konnten wir vom Oberdeck aus die Fahrt genießen.
Mit ostfriesischer Gelassenheit und ganz gemütlich fährt die Fahrt mit der "Concordia II" entlang der Harle-Promenade vorbei an Ostfriesischen Teestuben und Cafés zum kürzlich erweiterten Kurzentrum von Carolinensiel, der "Cliner Quelle".
Nach einer kleinen Flussbiegung eröffnet sich der Blick auf die Friedrichsschleuse. Zu früheren Zeiten war hier die Einfahrt für den Carolinensieler Hafen.
Dort, wo die Harle deutlich breiter wird, beginnt der Yachthafen. Gleich zu Anfang ist die Segelschule "Harlesail" beheimatet. Weiter auf beginnen die Steganlagen für die Segelschiffe und Motoryachten, die hier von April bis September ihren Liegeplatz haben.
und unser Ziel (Bild links)
das "Hotel Harlesiel" ist in Sicht.
Wir erreichen die Anlegestelle
"Yachthafen Harlesiel".
Direkt neben der Schleuse, die den Schiffen den Weg ins Wattenmeer ermöglicht, ist der Wendepunkt der "Concordia II" erreicht und wir steigen aus. Vom Anleger sind es nur wenige Meter über den Außendeich zum Außenhafen mit den Fähr- und Ausflugsschiffen und den Krabbenkuttern, die von hier ins Wattenmeer und die Nordsee starten. Auch die Fähre zur Insel Wangerooge legt hier ab.
wo wir zum Mittagessen angemeldet sind.
Schon am 01. Mai hatten Friedel, Uschi, Hans und ich einen Ausflug nach Harlesiel gemacht, um auszukundschaften, welche Lokalität für uns infrage kommt. Das Restaurant "Pier 10" im Hotel Harlesiel gefiel uns und auch die Nähe zum Anleger war ausschlaggebend für die Reservierung.
Um 15.15 Uhr waren wir für die Rückfahrt angemeldet. Axel, Jan und Robert zogen es aber vor, auf der Promenade an der Harle entlang zurückzulaufen. "Mal sehen, wer schneller ist, wir oder das Schiff?", sagten sie und eilten davon.
Wir passieren wieder die Friedrichsschleuse. Die Klappbrücke im holländischen Stil wurde im Jahr 1990 restauriert und ermöglicht auch Segelschiffen die Durchfahrt bis zum Museumshafen.
In Sicht das Traditionsschiff GEBRÜDER AZ:5. Der Fischkutter gehört zum Deutschen Sielhafenmuseum. Dieser wurde 1929 für rund 13.000 Goldmark in Oldersum gebaut. Der 15 m lange Segelkutter mit Hilfsmotor ist das letzte Fischereifahrzeug seiner Art an der ostfriesischen Küste. Seinen Namen erhielt der Kutter von den 5 Söhnen des Eigentümers Georg Peters. AZ:5 ist die alte Kennnummer als Hochseefischereifahrzeug. A steht für den Regierungsbezirk Aurich, Z für den Heimathafen Neuharlingersiel.
Seit ihrer Außerdienststellung 1993 liegt die GEBRÜDER AZ:5 im Museumshafen. Hier wurde der historische Kutter restauriert und kann nun von Gruppen für Tagesfahrten ins Wattenmeer gebucht werden. Das wäre doch auch einmal etwas für uns FA'ler!
An diesem Tag wurde für das große Wunschkonzert des NDR hier in Carolinensiel gedreht. Die GEBRÜDER AZ.5 diente als Kulisse, auf der mit Klaus und Klaus "An der Nordseeküste" aufgenommmen wurde. In Dangast beginnend, entlang dem Jadebusen bis in den Museumshafen tourten das NDR-Team mit vielen Stars unter der Moderation von Lutz Ackermann. Unter dem Titel "An der Nordseeküste" wird die Sendung am 23. Juli um 20:15 Uhr im NDR 3 ausgestrahlt.
Kurz vor 16.00 Uhr legte die "Concordia II" wieder am Ausgangspunkt an und wir wurden von unseren 3 Fußgängern in Empfang genommen. Sie waren in der Tat schneller, als das Schiff und hatten auch noch Zeit, bei den Aufnahmen mit Klaus&Klaus an Bord der Gebrüder AZ.5 zuzusehen.
Die Marktbuden waren zwischenzeitlich abgebaut. Die Strassencafes rund um den Museumshafen waren bei den mittlerweile hochsommer- lichen Temperaturen gut besetzt und auch wir wollten noch dieses Flair hier genießen. Somit liefen wir die Hafenpromenade entlang dem letzten Ort unseres Zusammenseins entgegen:
Aufgrund der Wetterlage hatte ich ich die Terasse für uns vorbestellt. Man gut, denn diese ist ein begehrtes Plätzchen bei schöner Witterung.
Trotzdem mir noch einen Tag vorher versichert wurde, Plätze für insgesamt 25 Leute auf der Terrasse herzurichten, fanden mehrere Personen von uns aber keinen Platz und mussten erst in der Sonne schmorren, bevor diese dann doch noch ein lauschiges Plätzchen ent- deckten... Belohnt wurden sie mit einer sehr schönen Aussicht (Bild unten) auf die Harle.
Aber auch von der Terasse aus konnten wir die Hafenatmosphäre voll genießen (Bilder unten) und alle waren zufrieden, den tollen Tag bei Kaffee/Tee/Kuchen bzw. kalten Getränken oder auch Eis so ausklingen zu lassen.
FAZIT: Der Wettergott war uns hold an diesem Tag und deshalb war es ein sehr gelungenes Treffen (bis auf ein paar Kleinigkeiten) sowie mit insgesamt 25 Personen im Hotel Harlesiel die bisher höchste Teilnehmerzahl.
Alle waren von dem idyllischen Museumshafen von Carolinensiel angetan, auch diejenigen, die schon mal oder öfter hier waren.
Bild oben und rechts:
Die Skulptur "Caroline" wurde zur Erinnerung an den Begriff
"Cliner Wind" zur Jahrfeier des Ortes Carolinensiel
im Jahr 2005 aufgestellt.
Impressum:
Fotos: dolomiti, ernibird
Bildbearbeitung: dolomiti
Text und Layout: ernibird
Textquellen: Deutsches Sielhafenmuseum
und Reederei Albrecht
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