Neu hier? Lies hier über unser Motto gemeinsam statt einsam.
Mitglied werden einloggen




Passwort vergessen?

Für Gestaltung und Inhalt dieser Regionalseiten sind ausschließlich die jeweiligen Regionalbotschafter verantwortlich. Die von den Regionalbotschaftern eingegebenen und heraufgeladenen Inhalte unterliegen grundsätzlich weder einer Kontrolle durch Feierabend, noch nimmt Feierabend hierauf Einfluss. Hiervon ausgenommen sind werbliche Einblendungen und Beiträge die von Feierabend direkt eingestellt wurden und als solche gekennzeichnet sind.

Radtour „Arbeit und Wirtschaft im frühen Stadthagen und bis heute“ am 06.06.2009



Am Sonnabend den 06. Juni 2009 um 14.00 Uhr trafen sich in Stadthagen bei der Touristinformation auf dem Markplatz 10 Personen zu einer Gästeführung (mit dem Fahrrad).

Der Titel der Tour war „Arbeit und Wirtschaft im frühen Stadthagen und bis heute“.

Einige hatten den folgenden Artikel in der Zeitung gelesen und von FA kamen durtlede, mimisoma und buensek.

Radtour01

„Der Gästeführer Gerhard Tüting wird während der Tour Wissenswertes zu den Themen Sandstein, Backstein, Zigarrenkisten sowie Leder, Festholz, Knickerflaschen und Schmiedekohle erzählen. Aber auch eine Fabrik für Nägel und Sprungfedern gehört zu den Stationen der Rundfahrt. Während der Tour entdecken die Teilnehmer aber nicht nur einen Teil des Schaumburger Landes, sondern können auch den wirtschaftlichen Wandel der Region nachvollziehen“.

Radtour02

Gerhard Tüting stellte sich kurz vor und danach ging es auch schon los. Einmal richtig in die Pedale getreten und da war der erste Stopp.

Radtour03

Wir standen vor dem neuen Rathaus und hörten von Gerhard Tüting von der Geschichte Stadthagens:
„So etwa im Jahre 1222 beschloss der damalige Fürst Adolf, hier eine Stadt zu gründen und ließ zunächst einen Stadtplan anfertigen. Unsere Stadt ist also auf dem Reißbrett entstanden, eigentlich wie Wolfsburg nur eben mehr als 700 Jahre früher. Und hier wo wir vor dem neuen Rathaus stehen, waren im Jahr 1600 - also im mittelalterlichen Stadthagen- noch überall Gemüsegärten hinter den Häusern. Die cirka 700 Menschen, die hier damals wohnten, waren eine so genannte Erzeugergemeinschaft; d.h. für einen Gemüse- und Eierwochenmarkt, wie da vorn auf dem Marktplatz hätte es gar keinen „Markt“ gegeben, weil ja alles selber angebaut bzw. erzeugt wurde. Einen florierenden Viehmarkt gab es dagegen schon. Außerhalb der Wallanlagen gab es lichte Buchen- und Eichenwälder. Die Stadthäger waren Handwerker oder kleine Bauern und die jüdischen Mitbürger hauptsächlich Schlachter und kleine Gewerbetreibende.
Und in dem Maße, in dem sich die Bevölkerung langsam vergrößerte, nahm die Wasserqualität in den Bächen deutlich ab. Und so wurde nahezu in jedem Hause für den eigenen Bedarf ein „Leichtbier“ gebraut, welches auch die Kinder zu trinken bekamen. Das gewerbsmäßige Bierbrauen erfolgte dann später in der „Schaumburger Brauerei“, die es noch heute gibt und in der „Städtischen Brauerei“, die 1975 geschlossen wurde.“

Wenn die Gruppe sich umdrehte, konnte sie auf die Rückseite des noch heute bestehenden Gebäudes der damaligen Brauerei schauen, heute ist da ein Bistro drin.
Von vorne aufgenommen,

Dort war über 100 Jahre lang der Ausschank der „Städtischen Brauerei“, in dem der im benachbarten Wiedensahl geborene Wilhelm Busch regelmäßig einkehrte; heute ist dort ein Brillenshop untergebracht.

Radtour04

Die Gruppe ist in der Niederstraße 36 angekommen und Gerhard Tüting berichtet hier über die Lohgerberei Harmening, die hier ihren Sitz hatte. Die Häute der in Stadthagen und Umgebung geschlachteten Rindviehcher wurden hier zu feinstem Oberleder für Jacken und Handschuhe, aber auch zu derbem Leder für Soldatenstiefel verarbeitet. Hochwertigstes Oberleder ist die Außenhaut, in dem die Löcher der Haare oder Borsten noch zu sehen sind. Um das Oberleder zu gewinnen, musste die während der Gerbung gequollene Haut „gespalten“ werden. Das untere Leder wird deshalb Spaltleder genannt.
Gegerbt wurden die Tierhäute in mit Eichenlohe gefüllten Gruben. Eichenlohe entsteht, wenn man die Rinde von gefällten Eichen abschält und mit Wasser versetzt.

Radtour05

Es wird die Gerbergasse durchfahren dort entdecken wir ein Haus aus dem Jahr 1588 in dem heute eine Gastwirtschaft untergebracht ist.

Radtour06

Heute ist da ein Bistro drin, Foto Rückseite des Hauses.

Ein Haus aus dem Jahr 1588.

Rauf auf das Fahrrad und die Gruppe radelt zum nächsten Ziel. Es ist nur der Ziegeleiteich von Heinrich Möller´s Dampfziegelei übrig geblieben. Der Ton wurde mit von Pferden gezogenen Loren aus der Grube geholt und in einem riesigen Rundofen zu Backsteinen gebrannt; in diesen Rundöfen ging das darin kreisende Feuer nie aus. Die Möllersche Ziegelei, später die Kuhlemann´sche und andere Ziegeleien sind Ausdruck für die Entwicklung und Bautätigkeit in Stadthagen und Umgebung. Stadthagen hatte im Jahr 1885 bereits 4395 Einwohner.

Oh, es fängt an zu regnen. Kapuzen hoch wer eine hat und wer mitradelt, kann weitere Informationen über diese Stadt erhalten.

Radtour07

An unserem nächsten Halt steigen wir wegen der Stadthäger Glashütten vom Rad. In den Jahren 1872/73 eröffnete die Glasfabrik Riensch und Rump und die Glasfabrik Bresser, Lange & Co (später Lagershausen) in Bahnhofsnähe ihre Betriebe. Wir sind hier an den Werkswohnungen der Glashütten angekommen. Zu den Wohnungen gehörte immer ein Schweinestall. Ebenso ein Garten, der nach Süden ausgerichtet war. In den Glashütten wurden Flaschen und andere Glaswaren in Massenproduktion hergestellt. Hier wurden auch die so genannten Knickerflaschen mit je einer Glaskugel als Verschluss hergestellt. Im Archiv kann so eine Flasche wohl noch angeschaut werden.

Gerhard Tüting weist darauf hin, dass sowohl Ziegeleien als auch Glashütten mit sehr hohen Temperaturen arbeiten mussten. Dazu benötigte man damals jede Menge Holz und Kohle. Davon gab es erfreulicherweise in Stadthagen und Umgebung ausreichend. Wo das aber nicht der Fall war, da mussten z.B. die Ziegeleien in die Nähe ihrer Energiequellen wandern ( Wanderziegeleien).

Radtour08

Die Häuser sind im dichten Grün ganz versteckt, aber die Bauweise ist noch gut erhalten.

Auch mit dieser Glashütte ging es irgendwann bergab und Otto Bosse eröffnete 1869 sein Dampfsägewerk und fing an, aus Buchen und Zedern Furnierholz zu fertigen; über 150 Leute waren zuletzt dort beschäftigt. Die Baumstämme wurden mit Pferdewagen angeliefert und in große Gruben gerollt. Im Kesselhaus wurde Wasser heiß gemacht, in die Gruben geleitet und die Baumstämme konnten nach und nach aufweichen. Sie wurden in eine Rundschälmaschine gespannt und so lange endlos geschält bis nur noch ein Schälrestholzkern übrig blieb. Die noch weichen Buchenfurniere wurden getrocknet und danach in der Möbelproduktion verarbeitet, das Furnier vom Zedernholz wurde zur Herstellung von Zigarrenkisten verwendet.
Unter Verwendung eines von einem Stadthäger Ingenieur entwickelten Verfahrens begann später bei Bosse die Herstellung von Kunstharzpressholz. Dabei wurden mehrere Lagen Furnier im Wechsel mit Kunstharz miteinander verpresst. So entstanden z.B. unzerstörbare Schul-tischplatten und
Die Firma, die heute auf dem Bossegelände produziert, arbeitet mit Kunststoffprodukten.

Eigentlich sollte die Gruppe nun zu einer ehemaligen Eisen verarbeitenden Fabrik fahren. Denn im Jahre 1879 begann in Nordsehl eine Draht-Nagel-Fabrik (später Rentrop) ihre Arbeit. Dorthin ist die Gruppe wegen dem Regen nicht mehr hingefahren. Wir hörten aber trotzdem, dass dort die Frauenarbeit in Schaumburg so richtig begonnen hat. Der Produktionsbereich dieser Firma erweiterte sich dann auf Sprungfedern aller Art und heute fertigt die Firma, die von einem französischen Konzern übernommen wurde, Autositze für verschiene Automobilhersteller.

Zum Georgschacht fuhr die Gruppe wegen des Dauerregens dann doch nicht mehr; aber bisher haben fast alle durchgehalten.

Der Georgschacht, genannt nach dem damaligen Fürsten Georg, war der größte Arbeitgeber in Stadthagen; ca. 3500 Menschen waren dort zuletzt beschäftigt. Die Steinkohle war als Schmiedekohle in den Eisenhütten hervorragend geeignet und wurde auch zu Koks gebrannt oder zu Briketts geformt. Aber natürlich wurde die Steinkohle auch als Hausbrand zum Heizen und Kochen verwendet. Der Beruf als Bergmann war sehr beliebt, denn wer am Schacht arbeitete, der hatte ausgesorgt.

Die Stärkefabrik Heinrich Wenthe gibt es auch nicht mehr. Sie stellte Speisestärke aus Mais her. Hier kam man weitgehend ohne große Technik aus. Der Mais wurde angeliefert, nach oben gebracht und in große Bottiche mit schwefeliger Säure, die etwa 70 – 80 ° warm war, gefüllt. Der Mais quoll auf und die Speisestärke wurde herausgefiltert. Es war nichts mehr von den Firmengebäuden zu sehen und heute stehen dort Wohnhäuser mit schönen Gärten dahinter.

Dort fuhr die Gruppe unter Bäumen entlang und kam an der Hüttenstraße an.
Foto 4079. Im Rücken ist der Finnenkamp, dort stehen heute noch die Siedlungshäuser der Glasfabrik Lagershausen. Inzwischen sind viele verschönert und renoviert.

Das einzige, was von der aus der Niedernstraße hierher umgezogenen Gerberei Harmening übrig geblieben ist, ist ein großer Stromerzeuger aus dem ehemaligen Kesselhaus. Der Umzug der Gerberei war nötig geworden, weil der Platz dort für das expandierende Unternehmen nicht mehr ausreichte, aber andererseits auch wegen der Geruchsbelästigung in der Innenstadt. Am neuen Standort wurde schon bald nicht mehr mit Eichenlohe, sondern mit Chromlauge gearbeitet. Das ging viel schneller und der Geruch war auch erträglicher. Kleine Reihenhäuser für die Arbeiter der Gerberei, die noch vor 10 Jahren in der Pillauer Straße standen, sind inzwischen abgerissen.

Radtour09
Radtour10

Ein historischer Dynamo/Stromerzeuger, hier erhalten wir letzte Erklärungen draußen in Gerbers Hof Breslauerstraße.

Zum Abschluss und zum Aufwärmen fuhr die Fahrradrunde noch auf einen Kaffee zum „La Piazetta“. Dort wurden noch die frischen Eindrücke ausgetauscht und alle fuhren wissensgestärkt nach Hause; die Besichtigung des Georgschachtes soll bei besserem Wetter nachgeholt werden.

Radtour11
Radtour12
Radtour13

Brillenshop heute, früher vorderer Eingang zum Ausschank der Brauerei.

Artikel Teilen

 

Artikel bewerten

Es wurde noch keine Bewertung abgegeben. Sei der erste, der diesen Artikel bewertet! Nutze dafür die Sterne:


0 0 Artikel kommentieren
Regional > Schaumburger Land > Ausflüge > Ausflüge 2009 > 06 Radtour