Barossa-Deutsche: Eine australischen Legende
Von
Kookaburra
Montag 12.05.2025, 12:23
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Im Jahr 1838 segelte die Zebra, ein hölzernes Segelschiff unter dem Kommando von Kapitän Dirk Meinerts Hahn, von Hamburg nach Südaustralien. An Bord: rund 200 lutherische Auswanderer, die in ihrer Heimat – Preußen – wegen ihres Glaubens verfolgt wurden. Diese „Altlutheraner“ widersetzten sich der preußisch verordneten Kirchenunion, wollten ihre Liturgie bewahren und suchten nichts anderes als Religionsfreiheit.
Kapitän Hahn war kein bloßer Transporteur – er war auch ein Vermittler, Organisator und in gewissem Sinn ein Schutzpatron. Nach der Ankunft in Port Adelaide am 28. Dezember 1838 begleitete er seine Passagiere ins Hinterland, half beim Landkauf und unterstützte sie beim Aufbau einer neuen Existenz. Aus Dankbarkeit wurde das gegründete Dorf nach ihm benannt: Hahndorf.
Doch Kapitän Hahn war nur der Anfang. In den Folgejahren brachten weitere Schiffe wie die Skjold, Wilhelmine, Catharina, Susanne Godeffroy oder George Washington hunderte deutschsprachige Siedler nach Südaustralien – viele aus Pommern, Mecklenburg, Brandenburg oder Schlesien, andere aus Baden und Württemberg.
Während die nord- und ostdeutschen Siedler Dörfer wie Bethany, Langmeil, Lobethal und Tanunda gründeten, reisten auch badische Weinbauern ein – Fachleute, die Rebstöcke, Wissen und handwerkliches Können mitbrachten. Diese Weinbaupioniere prägten nicht nur das Barossa Valley, sondern legten mit ihrer Arbeit den Grundstein für die heute weltberühmte australische Weinindustrie. Namen wie Seppeltsfield, Langmeil, Henschke oder Peter Lehmann führen ihre Wurzeln auf diese frühen deutschen Siedler zurück.
Die Barossa-Deutschen bauten nicht nur Wein an – sie errichteten Kirchen, Schulen, Bäckereien und Druckereien. Sie pflegten ihre Sprache, sangen Choräle, hielten lutherische Gottesdienste auf Platt (Barossadeutsch). In einem Land, das damals noch kaum Infrastruktur hatte, schufen sie kleine, stabile Gemeinschaften – fest verwurzelt im Glauben, geprägt von Fleiß und Gemeinschaftssinn.
Vergessen, verfolgt, verdrängt: Diese Blütezeit des deutschen Lebens in Südaustralien fand im 20. Jahrhundert ein jähes Ende. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs begann der Argwohn gegenüber allem Deutschen. Schulen und Kirchen wurden geschlossen, deutschsprachige Zeitungen verboten, Predigten auf Englisch erzwungen. Ortsnamen wie Hahndorf oder Lobethal wurden „englisiert“, Familien wurden gezwungen, ihre deutschen Namen zu ändern. Während des Zweiten Weltkriegs wiederholte sich die Geschichte. Viele Männer deutscher Abstammung – teils in der dritten oder vierten Generation Australier – wurden interniert, ohne jede konkrete Anschuldigung. Das Deutsche verschwand aus dem öffentlichen Raum.
Was blieb, wurde still – oder folkloristisch. Bierkrüge statt Deutsch?
Allerdings in den letzten Jahrzehnten erlebte das deutsche Erbe in Südaustralien eine Art Rückkehr – jedoch in stark veränderter Form. Hahndorf, das einst lutherisch-norddeutsche Herzstück der Siedlungsgeschichte, ist heute eine der meistbesuchten Touristenattraktionen Südaustraliens. Doch wer heute durch Hahndorf spaziert, begegnet kaum noch norddeutsche Tradition. Stattdessen dominiert weiß-blaue Bayernkulisse mit Kuckucksuhren, Brezeln, Schweinshaxen und „Oktoberfeststimmung“.
Hahndorf wirkt heute „bayerischer als Bayern“ – obwohl viele der Siedler einst aus Preußen, Pommern oder Baden stammten. Der norddeutsche Charakter, den die frühen Auswanderer mitbrachten, ist größtenteils verloren. Aus lutherischer Tradition wurde Biergartenlaune – ein Spiegel dessen, wie Erinnerung und Marketing sich in Australien zuweilen verbinden.
Und doch: Wer zwischen den Zeilen liest, spürt, dass mehr geblieben ist als nur Trachten und Souvenirs. Es lebt weiter in den Namen, den Weingütern, den Friedhöfen, den Kirchenbänken aus rotem Holz – und in den Geschichten jener, die einst aufbrachen, weil sie glaubten, dass Freiheit mehr wert sei als Heimat.