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Die Trichternetzspinne 🕷️ – Im Auge der Stille

Von Kookaburra Montag 07.07.2025, 00:44 – geändert Montag 07.07.2025, 06:11



Australien ist bekannt für seine einzigartige Tierwelt – bunte Papageien, gemütliche Kängurus, giftige Schlangen. Doch es gibt da ein Wesen, das nicht laut auf sich aufmerksam macht. Es kriecht nicht, es rennt nicht. Es wartet. Und wenn man ihr begegnet, bleibt mehr zurück als nur ein flüchtiger Schreck: ein Blick, ein Gefühl – und das Wissen, dass man gerade etwas Ursprünglichem ins Auge gesehen hat.

Dies ist die Geschichte meiner ersten Begegnung mit einer Sydney-Trichternetzspinne. Und sie hat sich eingebrannt wie ein altes Tattoo im Gedächtnis der Haut.

Ich erinnere mich genau – es war 1988, als ich ihr zum ersten Mal begegnete.

Es war ein feuchter Nachmittag, der Regen hatte sich gerade verzogen, und der Himmel hing noch schwer über Woolahra einem Stadtteil von Sydney, in dem ich lebte. Ich war damals ein junger Mann, hatte ein paar alte Holzlatten hinterm Schuppen aufzustapeln versprochen, und wie so oft, tat ich es barfuß. Es war ein ganz gewöhnlicher Tag, bis ich plötzlich spürte, dass irgendetwas nicht stimmte.

Ich hob ein Brett an, das schief im Gras lag, und darunter war sie. Regungslos. Schwarz. Nicht matt, sondern glänzend – wie frisch lackiert. Ihr Körper war klein, aber massiv, als hätte er Gewicht, Schwere, Bedeutung. Und dann diese Beine, die sich in einer so unnatürlichen Stille hielten, dass es mir eiskalt den Rücken hinunterlief. Ich hatte viele Spinnen gesehen. Ich war schon ein paar Jahre in Australien gewesen – man gewöhnt sich an sie. Aber das hier war etwas anderes.


Sie bewegte sich nicht. Und doch hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden. Für einen Moment stand ich einfach nur da, das Brett noch in der Hand, unfähig, mich zu rühren. Etwas an ihr war… uralt. Nicht im biologischen Sinne. Mehr so, als wäre sie Teil von etwas, das immer schon da war, noch bevor wir Menschen Häuser bauten und Rasen mäh­ten.

Dann blitzten ihre Kiefer auf – zwei schwarze Dolche, bereit, präzise, ohne jede Eile. Ich zuckte zurück, ließ das Brett fallen, stolperte, fast hätte ich mich hingelegt. Ich hatte keine Lust mehr, aufzuräumen. Ich hatte überhaupt keine Lust mehr, draußen zu sein.

Später erzählte ich meinem Nachbarn davon. Er meinte nur, das sei eine Funnel-Web gewesen, „die Bösen“, wie er sie nannte. Er erzählte von Bissen, von Schwellungen, von Antiserum, das es damals erst seit ein paar Jahren gab. Manche, sagte er, hätten es gerade noch rechtzeitig ins Krankenhaus geschafft. Bei anderen habe das Gift schon nach wenigen Minuten gewirkt – Muskelzuckungen, Atemnot, kalter Schweiß. Das Nervensystem fängt an zu tanzen, aber nicht im Takt. Wenn man nicht schnell reagiert, kann es gefährlich werden – besonders bei Kindern. Aber die meisten überleben. Wenn man weiß, was man tut. Wenn man die Ruhe bewahrt.


Ich nickte, sagte nichts weiter, trank ein Bier – aber was mir im Kopf blieb, war nicht der Biss oder das Gift. Sondern dieser Moment, als ich in zwei kleine, schwarze Augen sah und spürte, dass ich nicht allein war. Dass da etwas war, das mich ganz genau wahrnahm. Ohne Angst. Ohne Eile. Nur mit dieser seltsamen, tiefen Ruhe.

Seitdem habe ich sie noch ein paar Mal gesehen, hier und da, meistens in regnerischen Sommernächten. Ich mache mir nichts mehr daraus. Ich achte nur darauf, meine Schuhe nie draußen stehen zu lassen – und wenn ich nachts barfuß rausgehe, scannen meine Augen den Boden. Nicht aus Angst. Aus Respekt.

Denn so furchteinflößend sie sein mag – sie ist nicht mein Feind. Sie ist ein Teil dieses Landes, älter als unsere Häuser, unsere Straßen, unsere Namen. Und jedes Mal, wenn ich sie sehe, erinnert sie mich daran, dass wir hier nur Gäste sind – auf einem Boden, der lebt und nie vergisst.


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