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Die Kugel [2]

Von Feierabend-Mitglied Dienstag 01.08.2023, 00:18

Nach ca. 2 Stunden begab er sich schweren Herzens zurück zur Kamera, um die Speicherkarte zu wechseln. Er stutzte. War die Form etwas runder geworden? Er wechselte die Karte und schob die bespielte in sein Tablett.
. Ohne Zweifel waren einige verbeulte Stellen ein klein wenig glatter geworden. Der Vergleich der allerersten Aufnahmen mit der Jetztzeit zeigte es. Es ging wirklich langsam voran. So etwa wie das Wachstum eines Grashalms. Ein weniger geschultes Auge hätte es bestimmt übersehen, aber seine Augen, durch unzählige Experimente darauf trainiert auch winzigste Veränderungen zu erfassen, hatten es bemerkt. Er schämte und freute sich gleichzeitig. Nun, alle Müdigkeit der mörderischen Wüstensonne mit einem Ruck abschüttelnd, rutschte er zu der verknickten Stelle, legte die Hand auf eine Kante und sucht nachzuspüren, ob sich etwas bewege.
. Das tat es. Geradezu unheimlich langsam, aber es tat es. Schnell genug um, wenn man danach spürte es zu fühlen. Es ging ruckartig vor sich. Er schätzte die Zeitspanne auf 1 Jahr, bis auch die letzte der Oberflächen Falten verschwunden sein würde. Er irrte sich das erste Mal gründlich. Es dauerte 4 Jahre. Die Humanisten Fraktionen weltweit erklärten die Kugel zu Gott. Da dort Anführer agierten, die zu den besten Demagogen der Welt gehörend, fielen immer mehr Anhänger monotheistischer Religionen der Welt von ihrem Glauben ab, um dem, jetzt leibhaftig bewiesenem, vor ihnen liegendem, die Ehre zu erweisen.
. Alle Versuche, die Kugel näher zu erkunden, waren in der Zeit zum Scheitern verurteilt. Die Kugel lag im Sand und nichts konnte ihr etwas anhaben oder sie etwa durchleuchten. Die Oberfläche absorbierte jede bekannte Art von Strahlung mit sagenhaften 99,99999999 %. Logischerweise waren Versuche mit Echolot oder Laserstrahlen, mit denen man vor lauter Frust ihr auf den Leib rückte, zum Scheitern verurteilt. Kein Versuch zeigte, auch nur den geringsten Erfolg. Sie übertrumpfte den Diamanten bei weitem an Härte, lies sich nicht anschleifen, schon gar nicht kratzen und reagierte auch nicht auf Druck. Bohrhämmer rutschten einfach ab. Einem fixierten Presslufthammer brach der Meißel und die Kugel zeigte nicht den geringsten Kratzer. Irgend so ein Irrer starb bei dem Versuch, die Kugel mit einer, in einem Tankwagen verpackten und mit einem Lastträger Zep angeflogen, 12 Tonnen TNT Bombe zu knacken. Er wurde in 500 m Entfernung von einem umherfliegenden Gewindebolzen getötet. Die Kugel hatte sich in ihrer Sandkuhle nur unwesentlich gerührt, als ginge sie das Spektakel nichts an. Da keinerlei Kommunikation möglich schien, verkam die Geschichte mit der Zeit zur örtlichen Touristenattraktion, geriet fast schon in Vergessenheit. Auch dass Wissenschaftlern aufgefallen war, dass sich trotz der immer aus einer Richtung wehenden Winde, im Windschatten nur wenig Sand ansammelte, wurde mit den Worten abgetan, wenn diese außerirdische Tier Sand frisst, dann soll es doch. In der Wüste gibt es genug davon.
. Es vergingen weitere 22 Jahre bis, durch eine Klage gegen einen Reiseveranstalter, herauskam, dass die Kugel eben keine perfekte Kugeloberfläche besaß. Es bildeten sich Beulen. Sie ähnelte nach weiteren 2 Jahren nun einem runden Kugelhaufen. Da dieses aber so lange dauerte und sich sonst nichts tat, war über das „Tier“ nur wenige Tage auf den ersten Seiten der Tagespresse zu lesen.
. Nur ein 11-Jähriger, der auf einer Klassenfahrt dort zwischen gelandet war fragte, bekommt die etwa Nachwuchs?
. Nach nur 3 Wochen waren von der Kugel hunderte Einzelkugeln abgefallen, die aus scheinbar eigenem Antrieb ca. 2000 m Abstand voneinander suchten. Es entbrannte ein Streit unter den Menschen der ganzen Welt, wie man damit umgehen könnte. Es wurde daran erinnert, welche Wirkung der TNT Angriff gezeigt hatte und der Vorschlag, alle Kugeln einzusammeln und Richtung Sonne zu schicken wurde unter lautstarkem Protest der Humanisten Fraktion, ernsthaft diskutiert.
. Die Humanisten Fraktion setzte sich durch. Man betete die Kugel an und in fast jedem Land, besaß mindestens ein Gotteshaus, ein Exemplar.
. Da sich die Kugeln aber ungerührt auch in Gefangenschaft vermehrten, kamen die Vereinigten christlichen Kirchen und die übrigen abrahamitischen Religionen in ungeahnter Einmütigkeit, alle Kugeln einzusammeln und auf eine Bahn nahe des Pluto in den Weltraum zu schicken. Und dies auch aus eigenen Mitteln und Spenden selbst zu finanzieren. Man rechnete mit mehreren Millionen Jahren, bis die Kugeln eine Schale um die Sonne geschafft hätten. Erneut irrten sich die Menschen gründlich.
. Die von Religionsstifter Abraham ins Leben gerufenen Religionen erreichten nie mehr ihre alte Macht.
. Wie schon erwähnt, die Kugeln brauchten keine Millionen, sondern gerade einmal 300 Jahre und ein Ring um die Sonne war fertig. Man erkannte ihn von der Erde aus, dass es einen Streifen ohne Sterne am Himmel gab. Durch Teleskope war zu erkennen, dass sie den durchs All vagabundierenden Brocken und Kometen auswichen. Sie rückten einfach beiseite und öffneten eine Lücke. Die Theorien über ihre „Ernährungsweise“ schossen ins Kraut. Immerhin war klar, dass Bewegung Energie ebenso verbraucht wie Fortpflanzung und die muss nun mal irgendwo herkommen. Materie wurde zwar auch verschlungen, das war bewiesen, aber die Menge aller Asteroiden zusammen brachten nicht genug auf die Waage, um die Masse der Kugeln auch nur annähernd zu erklären, wobei die meisten ja unzweifelhaft noch da waren. Die Einen meinten, sie würden Neutrinos schlucken, Andere plädierten für Photonen. Die überwiegende Mehrheit hing der These an, dass die Kugeln ihre Ernährung aus einer anderen Dimension bezogen, deren Beschaffenheit unsere Sinne nicht erfassen könnten.
. Die Kugeln wurden allerdings überwiegend in wissenschaftlichen Zirkeln, von okkulten Sektierern und neu gegründeten Religionen besprochen und bestimmt hatten alle irgendwie recht, da eigentlich nichts wirklich eine gesicherte Erkenntnis war und deshalb jede logische und unlogische Erklärung Anhänger fand.
. Alles lief also wie immer, als die Kugeln sich meldeten. Sie sagten hallo. Ja einfach hallo. Nein, natürlich sprachen sie weder Deutsch noch Englisch oder Mandarin. Auch sprachen sie nicht mit einer Regierung. Sie sprachen mit allen. Jeder hörte sie. Im Kopf. Es gab zahllose Unfälle, aber insgesamt hielten sich die Schäden in Grenzen.

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