Elise und die Türken.
Von ehemaliges Mitglied Freitag 19.04.2019, 05:58
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Wie, was, welche Elise? !
Wir kennen mindestens eine gewiss. Die von Beethoven natürlich. Aber was hat die denn mit den Türken zu tun? !
Das „Album für Elise“ ist eine Pflichtübung für Klavieranfänger und ein schöner Ohrwurm für alle Menschen der Welt. Beethoven hat mit diesem kurzen Stück etwas Wunderbares nicht nur für das Mädchen Elise, sondern für die Menschheit komponiert.
Es mag ja sein, das unser berühmter, deutscher Bonner und Wiener Bürger Ludwig van Beethoven einigen türkischen Klassik-Kennern unter anderem auch durch die Elise bekannt ist. Aber - die Türken -, das hört sich nach sehr vielen Beethovenliebhabern an.
Ich nehme es vorweg; so ist es.
Millionen von Türken, jung oder alt, arm oder reich, auf dem Land oder in der Stadt, alle hören sie jeden Tag etliche Male - Ludwig van Beethoven. Die Meisten sogar mit großer Freude. Das einzige Manko: Immer nur die Elise.
Die türkische Musik ist für europäische Ohren doch sehr gewöhnungsbedürftig. Hunde, die sich beim Verlassen einer Straßenbahn den Schwanz in der automatisch schließenden Tür einklemmen und die Schmerzen durch entsprechendes Jaulen kundtun; dies wäre in etwa die Geräuschkulisse eines Orchesters für original türkische, klassische Musik. So wie es für Nichttürken klingt. Weckt auf unseren Friedhöfen garantiert Tote aus ihrem ewigen Schlaf.
Auch türkische Politiker erkannten das und brachten ihrem Volk deutsche Klassikmusik. Beziehungsweise, es wurde nicht gefragt, abgestimmt oder sonst demokratisch entschieden, es wurde sozusagen über die Wählerohren hinweg beschlossen.
Im ganzen Land montierte man hunderttausende Lautsprecher. Aus diesen erschallt überall in der Türkei Beethovens Elise (Ausnahmen bestätigen die Regel). Von morgens ab sieben Uhr bis nachmittags siebzehn Uhr mindestens vierzehn Mal – Elise. Im Umkreis von einem Kilometer garantiert von jedem hörbar. Den kleinen Kinderchen und den alten Leuten gefällt es sehr. Bedeutet es doch im Land der Muselmanen Bildungsvermittlung in doppelter Form , was ja Kinder und Alte mit Recht wollen.
Die Türken im mittleren Alter und die Halbstarken vernehmen das Lied gezwungenermaßen ebenfalls, sind aber nicht so begeistert wie die Jugend und das Alter. Wenn Elise erklingt, werden sie stinksauer. Deutsche Klassik ist nämlich auch mit Fleiß und Arbeit verbunden, was in der Regel - für diese Gruppe - nicht grade erstrebenswert ist.
Jetzt aber zur Lösung des Rätsels dieser Zeilen: In allen Schulen in der Türkei sind Lautsprecher angebracht. In vielen Ländern der Erde werden der Stundenbeginn und das Ende mit einem Klingeln bekanntgegeben.
In der Türkei sind es die Töne von Beethovens Elise, die die Kinder zum Unterricht rufen oder entlassen. Außerdem signalisieren sie die Pausenanfangs- und Endzeiten.
Bei der schönen Melodie freuen sich die Kleinsten darauf, bald eingeschult zu werden. Bedeutet es doch einen neuen Abschnitt in ihrem Leben.
Die ABC-Schützen sind noch mit Begeisterung dabei und wetzen zu diesen klassischen Klängen des berühmten Komponisten ebenfalls mit Freude in die Schule.
Die alten Leute freuen sich ebenfalls; haben doch die Jüngeren im Gegensatz zu ihnen die Chance auf Schulbildung. Früher gingen in der Türkei nur Kinder der Reichen zur Schule. Es gab keine Schulpflicht.
Bei den älteren Schülern liegt der Grund der Freude schon etwas anders gelagert. Wenn die Töne erklingen, kündigen sie die heiß ersehnte Pause oder, noch besser, das Schultag-Ende an.
Die Halbstarken und auch die Lehrer und Eltern, haben die Nase voll von deutscher Klassik; sie wünschen Elise sicher oft zum Teufel. Beethovens erhabene Noten bedeuten für diese beiden Gruppen nämlich Arbeit und Anstrengung.
Die erste Gruppe muss sich durch immer mühsamer werdendes Lernen auf den Ernst des Lebens vorbereiten. Und werde durch Elise immer wieder dazu angehalten. Die Anderen müssen für die Kleinen lehren, lernen, Essen kochen, Wäsche waschen, gemeinsam Schularbeiten machen, und mehr. Insgesamt signalisiert dieses Lied für beide Gruppen die Einschränkung der persönlichen Freiheit - also des eigenen, beschaulich faulen Lebens.
Deshalb wird von dieser Gesellschaftsschicht anstatt deutscher, klassischer Musik lieber türkisches jammervolles Gedudel aufgelegt.
Übertragbar auf die Schullautsprecher wäre dies nicht. Beim auf etliche Dezibel verstärkten Gejohle würden im ganzen Lande Hunderttausende von herrenlosen Straßenkötern aus Solidarität über den Vortrag des generell bestehenden Liebesschmerzes in der Türkei mit jaulen und damit den Schulunterricht platzen lassen.
Deshalb wird Ludwig van Beethoven mit Elise auch weiterhin leider nur zur Allgemeinbildung der türkischen ganz jungen Kinder und sehr alten Menschen beitragen.
didi-didi-didi-didi--daaa-dadadaaa--dadadaaa, didi-didi... Ihr wisst schon...