Neu hier? Lies hier über unser Motto gemeinsam statt einsam.
Mitglied werden einloggen




Passwort vergessen?

0 1

Leicht wie eine Feder

Von Feierabend-Mitglied 02.12.2018, 08:32 – geändert Dienstag 13.07.2021, 09:09

Vor einigen Jahren am 6.12. begann die Suche auf dem Weihnachtsmarkt, denn meine Enkelin wollte unbedingt einen Nikolaus sehen.
Schön sah der Weihnachtsmarkt aus in der hereinbrechenden Dämmerung mit seinem Lichterglanz. Jeder Verkaufsstand strahlte um die Wette mit seinem Nachbarn. Der Duft der gebrannten Mandeln wetteiferte mit dem des Glühweins, die Waffeln mit der Currywurst. Es war ein großer Weihnachtsmarkt und wir suchten etwa eine Stunde. Schauten zwischen den Buden und natürlich auch in die Buden. Sahen uns die ausgestellten weihnachtlichen Waren an, die man kaufen konnte.
Aber, den Nikolaus fanden wir nicht. Wir sahen Weihnachtsmänner aus Holz, Kunststoff, Porzellan, Glas, Stoff und Pappe oder Papier. Meine Enkelin war enttäuscht.
Als die Kälte und dazu die Luft an Feuchtigkeit zunahm, meine Enkelin müde und quengelig wurde, dachten wir an die Heimkehr. Wir hatten schon fast den Platz verlassen, als ich einen langen roten Mantel auf zwei Beinen um die Ecke, in eine kleinere Straße, einbiegen sah. Schnell fasste ich meine Enkelin an die Hand und rief.: „Lauf so schnell du kannst, da ist ein Nikolaus!“ Nun sah auch Emma den Nikolaus, und rief so laut sie konnte: „Nikolaus, Nikolaus!“
Der Angesprochene blieb stehen, legte seinen schlappen Sack zwischen den Beinen ab und wartete, bis wir ihn erreicht hatten, dann musterte er meine Enkelin.
Der Rest meiner Familie hatte mittlerweile auch zu uns aufgeschlossen und umstanden nun diese rote Gestalt, die sichtlich müde war und nach Hause wollte. Er fragte Emma, wie alt sie sei und sie sagte: „Drei Jahre, aber immer noch so leicht wie eine Feder.“
Wir Erwachsene sahen uns alle unverständig an: So leicht wie eine Feder? Keiner konnte mit dieser Antwort etwas anfangen. Wir lachten aber alle herzlich darüber, nur meine Enkelin runzelte die Stirn und beäugte den auf dem Boden liegenden Sack misstrauisch.
„Was meinst du damit?“, fragte der Nikolaus.
Und Emma klärte uns auf: Ihr war erzählt worden, dass unartige Kinder mit der Rute bestraft werden oder in den Sack kommen.
Als Emma begriff, dass sie nicht in den Sack musste, sahen wir ihr die Erleichterung deutlich an. Da der Sack ja nun schon leer war, begann der Nikolaus, es war egal, dass es kein echter war, in seinen großen Manteltaschen zu kramen. Wie ein Magier zauberte er eine Tüte mit Schnuckesachen hervor, und Emma strahlte über das ganze Gesicht und verschwand blitzschnell auf Mamas rettenden Arm.
Wir bedankten uns herzlich bei dem müden Roten und machten uns mit meiner glücklichen Enkelin auf den Heimweg.
Wir fragten uns später noch, ob die Kleine es gespürt hatte, dass der Nikolaus sehr müde war und sie sich sorgte, dass er sie, falls sie in den Sack musste, nicht tragen könne?
Wie sonst sollten wir ihre Antwort: „... leicht wie eine Feder“ deuten?
©Monika Koch

Du möchtest die Antworten lesen und mitdiskutieren? Tritt erst der Gruppe bei. Gruppe beitreten

Mitglieder > Mitgliedergruppen > Deine Kurzgeschichte > Forum > Leicht wie eine Feder