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Malkotsch - die am längsten existierende Gemeinde in der Dobrudscha
( Heinz-JürgenOertel )

Dies ist die dritte Fortsetzung von alten Beschreibungen, welche uns Paul Traeger in seinem Buch „Die Deutschen in der Dobrudscha“ hinterlassen hat.
Über Tulcea sind auch die Gründer der ältesten von den jetzt noch bestehenden deutschen Ansiedlungen gekommen, der Kolonie Malcoci. Sie liegt 6 bis 7 Kilometer weiter nach Osten auf den etwa 50 Meter hohen Kalksteinterrassen, die das Sumpfgebiet des St. Georg-Arms begrenzen, mehrere Kilometer von dessen Wasserlauf entfernt. Die Straße von Tulcea stößt ungefähr auf die Mitte der Hauptstraße des Dorfes, die sich in der Sohle eines langen, schmalen Taleinschnitts hinzieht, der von ziemlich steil aufsteigenden Höhen gebildet wird. Parallel der unteren Straße läuft etwas höher gelegen eine zweite. 1843 trafen hier die ersten 20 bis 25 deutschen Familien ein. Sie kamen aus den katholischen Kolonien des Gouvernements Cherson, aus Josephsthal, Mannheim, Elsaß, Landau, Katharinenthal, „im ganzen aus 10 verschiedenen Dörfern“. Diese hatten sie 2 Jahre früher verlassen, weil dort das Land knapp war und nur die Hälfte der Deutschen eigenes besaß. Ihr Weg hatte sie durch Bessarabien und die Moldau nach Focsani und von da durch die Walachei bis Calarasi geführt. In der Nähe dieser Stadt hatten sie sich in einem Dorf Dschuroi(?) niedergelassen und es dort eineinhalb Jahr ausgehalten. Dann zogen sie wieder ab und gelangten über Galatz in die Dobrudscha. Den Platz für ihre Ansiedlung mußten sie sich durch schwere und ungewohnte Arbeiten erkämpfen. Es war alles Wald, und jeder mußte erst roden und reinigen, um für Haus und Hof und Acker Boden zu gewinnen. Aber alles, was ihm urbar zu machen gelang, gehörte ihm auchohne Kosten und Einschränkungen. Der Absatz des geschlagenen Holzes verschaffte ihnen zugleich in dieser mühevollen Anfangszeit die Mittel zum Lebensunterhalt.
Es waren „lauter Schwaben“. In Wirklichkeit stammten die meisten aus dem Elsaß, ein Teil aus Baden und der Pfalz. An ihre elsässische Heimat erinnert noch heute eine eigentümliche Sitte: sie verwenden im mündlichen Gebrauch vielfach für die Vor-und Rufnamen die französische Form. Der Georg wird Georges, der Karl Ludwig Charles Louis gerufen. Im übrigen gibt es in ihrem „Schwäbisch“ durchaus nichts französisches. In den ersten vier Jahren sind die Bauern in ihrer Waldeinsamkeit sich selbst überlassen geblieben. Am 1. November 1847 ist das erste Kirchenbuch angelegt und zum
ersten mal eine Liste der Einwohner aufgezeichnet worden. Das Buch reicht bis zum Jahre 1861 . Es ist in lateinischer Sprache geführt mit italienischen Rubriken und Überschriften. So kurz diese sachlich nüchternen Eintragungen über Taufen, Firmelungen, Eheschließungen und Todesfälle sind, sie gewähren doch durch die Unbestimmtheit und Allgemeinheit der persönlichen Angaben, durch die verdorbenen Namensformen und anderes in vieler Hinsicht einen lebendigen Einblick in die Verhältnisse, unter denen die deutschen Bauern damals lebten, und in ihre geistige Verfassung. Nach Jahren schwerer körperlicher Arbeit und kaum anderer als materieller Interessen erhalten sie endlich wieder geistliche Hirten. Aber das sind Männer fremden Volkes, die ihreSprache nicht verstehen, erst Italiener, dann ein Franzose. Mit wenig Ausnahmen scheinen die Kolonisten Papiere und Ausweise nicht mehr gehabt zu haben. Die Pfarrer haben die ihnen unverständlichen Namen offenbar nur nachdem Gehör aufgeschrieben und ihnen dabei die verschiedensten Formen gegeben, so daß sie oft kaum erkennbar sind und nur durch spätere Eintragungen deutlich werden. Der Name Baumstark erscheint als Bamsctargh, Baumstergk , -stak, aus Angkart wird später Anker, wir lesen Klaaen (Klein), Vaidaman (Weidemann), Scmit, Screders, Vook (Fock), und besondere Schwierigkeiten hat Haispelader, Aspelaider, Aschbeleider gemacht. Die deutsche Heimat ist den Bauern entschwunden, oder sie tritt wenigstens hinter Rußland zurück. Als locus or igins ist in den meisten Fällen Russia angegeben, häufiger Alsatia oder Francia. Ein Udalrichus Waibl stammt aus Bavaria, und ein Anton Führer aus Hindelang in Bayern. Württemberg fehlt vollständig. Nur ganz vereinzelt ist ein bestimmter Ortangegeben. Ein Kolonist Tuchscheerer ist in Mannheim (Colonia Russia) geboren und dann Schmied in Belgrad in Bessarabien gewesen. Als Staatsangehörigkeit ist bei den meisten die ottomanische angegeben, wohl nur auf Grund des Umstandes, daß sie jetzt auf türkischem Boden lebten und andere bestimmte Unterlagen fehlten. Eine kleinere Anzahl untersteht jedoch der jurisdictio gallica. Diese besaßen offenbar noch die französischen Ausweise ihrer elsässischen Heimat. Das manche Familien bei ihrer Ankunft noch französische Pässe gehabt hätten, wurde mir auch im Dorfe erzählt. Die bayerische Familie Waibl stand unter österreichischer Protektion.
Der erste Catalogo dello stato dell’anime esistenti in Malkoc 1847, 1 novembre, führt 28 Familien mit 134 Seelen an. Deren Aufzählung ist hier ausgelassen.
Die Eheschließungen zeigen, daß diese Familien fast ausschließlich unter sich heiraten. Nur in ganz wenig Fällen hat das Mädchen einen nicht einheimischen Namen, aber doch einen deutschen, und es ist bezeichnend, daß dann mehrfach die Braut eine „Lutherana“ war. Der Bursche hat sie aus einer der benachbarten evangelischen Kolonien, Kataloi oder Atmagea, geholt. Es herrscht Zucht und Sitte im Dorfe. Nur einmal ist eine uneheliche Geburt verzeichnet. Nach dem sechsten Jahrzehnt hat so gut wie keine Zuwanderung mehr stattgefunden. Die Kolonie wächst im wesentlichen nur durch die natürliche Vermehrung. Seit der ersten Einwohnerliste ist die Zahl der Familien etwa um das sechsfache gestiegen, aber kaum ein halbes Dutzend neuer Namen ist hinzugekommen. Nach Verlauf von 2 Generationen, im Jahre 1906, verzeichnet das Kirchenbuch 135 Familien und 784 Seelen. Das letzte Kirchensteuerbuch zählte 182 Familien, so daß es im Dorfe vor Kriegsausbruch rund 1000 Deutsche gab. ( des Ersten Weltkrieges, 1914 ) Der Boden der Kolonie ist gut. Man baute hauptsächlich Weizen und Hafer, trieb dabei Viehzucht und hatte auch Weingärten angelegt, die einen sehr guten Wein lieferten. Auch Karl Peters bezeugt 1864, daß das Dorf guten Feldbau hatte und vom Krimkrieg ungestört blieb. Man wäre gut vor wärts gekommen, wenn sich nicht sehr bald der Mangel an Land fühlbar gemacht hätte. Die Rumänen haben kurz nach der Besitznahme der Dobrudscha eine neue Verteilung vorgenommen. Jeder 30 Jahre alte Familienvater erhielt 10 ha. Die übrigen und die später nachgeborenen Söhne blieben von eigenem Besitz ausgeschlossen. Heute sind ungefähr 80 Familien landlos oder haben nur ihren Hofplatz. Sie haben Land auf Halbscheid gepachtet oder arbeiten auch gegen Lohn. Unter diesen Verhältnissen ist eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Familien abgewandert, zum Teil, etwa 20, nach Canada und Dakota, zum Teil in die jüngeren katholischen Kolonien der Dobrudscha. Vor dem Kriege hatten viele den Plan gefaßt, in die alte Heimat Deutschland zurückzukehren, und schon Schritte zur Ausführung unternommen. Bei meiner Anwesenheit erhoffte es der größte Teil der Bauernnach dem Frieden. Die Dorfstraße von Malcoci zeigt nicht das geschlossene Bild mit der gleichmäßigen Anlage der Gehöfte und Häuser, wie wir es in den meisten späteren Ansiedlungen antreffen. Es fehlen die Mauern, die die Hofplätze von der Straße abschließen und ihr die gerade schöne Linie geben. Es fehlt ihr auch die Reihe hoher alter Bäume. Die Zahl der deutschen Gehöfte beträgt 144, ein Teil ist also von mehreren Familien bewohnt. Vor etwa 15 Jahren hat die rumänische Regierung auch hier Veteranen aus dem russisch-türkischen Krieg angesiedelt, 11 Familien, die, ebenso wie 3 russische, abgesondert für sich wohnen. Die Häuser haben noch zum größten Teil Rohrdächer. Doch macht auch dies Dorf, dem es im ganzen nicht besonders gut gegangen ist, einen sauberen und ordentlichen Eindruck. Es besitzt auch etwas, was in fast allen anderen deutschen Kolonien streng verpönt ist, ein stattliches Wirtshaus, und daneben auch noch ein Kaffee. Die steinerne Kirche mit langem Schiff und hohem, schlankem Turm, in etwas höherer Lage, ist in diesem Kriege durch Beschießung bös zugerichtet worden. Drei Treffer haben die Mauern und das Dach durchschlagen, und das Innere ist verwüstet. Ein Teil der gewölbten Decke mit dem Leuchter ist abgestürzt, und die Altäre sind umgeworfen. Den deutschen Pfarrer hatten die Rumänen als Geisel weggeschleppt. Die alte deutsche Schule, ein einfaches, rohrgedecktes Haus, ist durch eine neue rumänische außer Dienst gesetzt. So lange die Türken Herren des Landes waren, hatte die Gemeinde ihre deutsche Schule, wenn sie in ihren Leistungen auch nicht gerade sehr hoch gestanden haben mag. In älterer Zeit unterrichteten Leute aus dem Dorfe selbst, später wurden auch deutsche Lehrer angestellt. Als 1899 der rumänische Unterricht aufgenötigt wurde, trat zunächst eine noch erträgliche Teilung ein: die Schule war vor mittags deutsch und nachmittags rumänisch. Seit 1900 gab es nur noch einen rumänischen Lehrer, der Deutsch überhaupt nicht verstand, und die deutschen Kinder wären ohne jeden Unterricht in der Muttersprache aufgewachsen, wenn nicht der Pfarrer im Vorraum der Kirche täglich eine Stunde Deutsch gelehrt hätte.

Die katholische Kirche, die „mit dem höchsten katholischen Kirchturm“, steht heute immer noch. Sie macht jedoch einen sehr traurigen Eindruck. Es besteht jedoch Hoffnung zur Rettung, wenn vielleicht auch nur teilweise. Unter der Schirmherrschaft des Bessarabiendeutschen Vereins arbeiten engagierte Dobrudschaner am Projekt Offene Kirche Malkotsch. Hoffen wir, das Malkotsch zu einem würdigen Tor zum Donaudelta wird und einem Denkmal der Deutschen Siedlungsgeschichte in der Dobrudscha.

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