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Klosterleben

Von Feierabend-Mitglied Samstag 06.12.2025, 21:37

Oft entsteht ein doppelter Standard: Offiziell wird Keuschheit propagiert, während verdeckte sexuelle Kontakte oder Machtmissbrauch im Kloster stattfinden, was die verdrängte Sexualität entlarvt. Schreibe dazu ein Märchen

Es war einmal ein Kloster, das hoch oben auf einem Berg lag und dessen Mauern so dick waren, dass kein Lachen und kein Seufzen nach draußen drang. Die Menschen im Tal nannten es das Haus der vollkommenen Reinheit und glaubten, dort lebten nur Engel in Menschengestalt.


Das Versprechen der Reinheit

In diesem Kloster herrschte die strenge Äbtissin Mutter Scholastica, die Tag für Tag predigte, dass jeder Körper nur eine Last und jede Regung von Lust eine gefährliche Versuchung sei. Wer eintreten wollte, musste vor dem großen Altar schwören, nie zu lieben, nie zu begehren und nie ein zärtliches Wort über die Lippen kommen zu lassen.



Eines Tages wurde die junge Livia von ihren Eltern ins Kloster gebracht, weil im Dorf gemunkelt wurde, ihre Augen leuchteten „zu lebhaft“, wenn sie jemanden ansah. Livia liebte Geschichten, Musik und das Kitzeln des Windes auf ihrer Haut, doch im Kloster lernte sie schnell, jeden warmen Gedanken in ein stummes Gebet zu verwandeln.


Die Schatten hinter den Mauern

Nachts jedoch hörte Livia Dinge, die nicht zu den Predigten passten: gedämpftes Flüstern in den Gängen, ein unterdrücktes Lachen, das hastig verstummte, und manchmal ein leises Schluchzen hinter verschlossenen Türen. Einmal sah sie, wie eine Mitschwester mit einem der Beichtväter im Garten stand, die Hände ineinander verschränkt, und ihre Gesichter so nah beieinander, als wollten sie sich im selben Atemzug verstecken.



Am nächsten Morgen predigte derselbe Beichtvater mit noch größerem Eifer gegen die Sünde des Fleisches und warnte vor jeder zärtlichen Berührung. Die Mitschwester aber kniete zitternd im Chor, und auf ihrem Nacken zeichnete sich ein blauer Fleck ab, den man für eine Spur der Strenge, nicht der Zärtlichkeit hielt.


Das verbotene Zimmer

Mit der Zeit bemerkte Livia, dass bestimmte Schwestern immer wieder zu Mutter Scholastica gerufen wurden. Manche kamen mit leeren Augen zurück und wurden noch strenger, noch lauter im tadellosen Dienst, als müssten sie etwas in sich lautlos erschreien.



Eines Abends verirrte sich Livia im Dunkeln und stand plötzlich vor einer halb geöffneten Tür. Drinnen sah sie Mutter Scholastica und denselben Beichtvater, der tagsüber von Reinheit sprach, nun aber mit zitternden Händen nach der Äbtissin griff, während diese mit einem harten, seltsamen Lächeln seine Schultern fasste. Die beiden sprachen von Schwäche und Buße, doch ihre Körper sagten etwas anderes.



Erschrocken wich Livia zurück, trat dabei auf eine lose Diele, und das Knarren verriet sie. Die Tür schlug auf, und Mutter Scholastica stand vor ihr, das strenge Gesicht wie eine Maske, hinter der die Atemlosigkeit noch vibrierte.


Die Strafe der Spiegel

Am nächsten Tag rief die Äbtissin alle Schwestern in den Kapitelsaal. Livia musste vor der Gemeinschaft niederknien, während Mutter Scholastica verkündete, die junge Schwester sei von „unreinen Gedanken“ heimgesucht worden und habe in verbotenen Winkeln des Klosters nach Bildern der Sünde gesucht.



Als Strafe wurde Livia in eine kleine Kammer im Turm gesperrt, in der nichts stand als ein Bett, eine Kerze – und ein großer, blinder Spiegel, dessen Oberfläche vom Staub der Jahre stumpf geworden war. „Du wirst so lange in dich blicken“, sagte Mutter Scholastica, „bis du nur noch Reinheit siehst.“



Doch als Livia allein war und die Kerze entzündete, geschah etwas Merkwürdiges: Der Staub auf dem Spiegel begann, sich zu bewegen. Erst bildeten sich undeutliche Umrisse, dann Gesichter, Schultern, Hände – Szenen, wie sie die Mauern des Klosters schon unzählige Male gesehen hatten.



Sie sah Schwestern, die einander vorsichtig umarmten, als wollten sie sich gegen eine unsichtbare Kälte wärmen. Sie sah Beichtväter, die zitternde Hände hielten, aber die Tränen derer vor ihnen für „Schwäche“ erklärten. Und sie sah Mutter Scholastica selbst, jung noch und mit einem Blick voller Sehnsucht, bevor dieser langsam gefror und zur Strenge wurde.


Die Wahrheit der Wünsche

Der Spiegel zeigte Livia nicht nur heimliche Berührungen, sondern auch, wie sie danach verdrängt wurden: in noch härtere Regeln, noch strengere Strafen, noch lautere Beschwörungen der Keuschheit. Jedes Mal, wenn ein Wunsch nicht sein durfte, wuchs die Mauer um das Herz der Schwestern – und zugleich ein unsichtbarer Riss in den Klostermauern.



Livia begriff, dass nicht die Wünsche das Kloster zerstörten, sondern die Lügen, mit denen man sie übergoss. Denn jede verbotene Regung suchte sich einen dunklen Gang, eine verschlossene Tür, eine Seele, die zu schwach war, sich gegen Übergriffe zu wehren.



Sie legte die Hände auf den Spiegel und flüsterte: „Ich fürchte nicht, dass ich fühlen kann. Ich fürchte, dass ich nicht mehr fühlen darf.“ In diesem Moment wurde die Spiegeloberfläche klar, und sie sah sich selbst: nicht sündig, nicht rein, nur menschlich.


Der Riss in der Fassade

Am nächsten Morgen holte Mutter Scholastica sie aus der Kammer und erwartete eine gebrochene, reuige Novizin. Stattdessen stand Livia aufrecht vor ihr und sagte mit leiser Stimme: „Mutter, eure Reinheit ist wie ein Kleid, das überall reißt, wo der Körper atmen will.“



Die Äbtissin wurde blass und befahl ihr zu schweigen, doch die Worte hatten bereits die Luft verändert. Die anderen Schwestern, die das Schauspiel beobachteten, spürten, wie sich etwas in ihnen regte – eine Erinnerung an eigene, totgeschwiegene Wünsche.



In den folgenden Tagen häuften sich kleine Ungehorsamkeiten. Eine Schwester lachte im Kreuzgang, anstatt den Kopf zu senken. Eine andere weigerte sich, eine jüngere Novizin für „unreine Gedanken“ anzuschreien. Nachts wurden die Flüstereien nicht mehr ganz so leise, und die Tränen galten weniger der „Sünde“ und mehr dem Schmerz über erlittenen Missbrauch.


Die Entzauberung des Klosters

Die Fassade der makellosen Reinheit begann zu bröckeln, als einige Schwestern mutig erzählten, wie sie unter dem Deckmantel der Keuschheit bedrängt oder gezwungen worden waren. Jede Geschichte war wie ein Schlag gegen die dicken Mauern, in denen der Spiegel der Wahrheit nun heimlich von Hand zu Hand ging.



Mutter Scholastica versuchte, mit noch strengeren Regeln zu antworten, doch je lauter ihre Appelle zur Keuschheit wurden, desto deutlicher hörten die Schwestern den Widerspruch zwischen ihren Worten und den Schatten, die der Spiegel gezeigt hatte. Schließlich verließ ein Teil der Gemeinschaft das Kloster, um im Tal ein Haus zu gründen, in dem weder Körper noch Seele verleugnet werden mussten.



Livia ging mit ihnen und hängte den alten Spiegel im Eingangsraum des neuen Hauses auf. Wer eintrat, sah sich zuerst selbst – mit allen Wünschen, mit aller Angst, mit aller Sehnsucht. Dort galt: Wer liebt, soll es offen tun; wer verletzt, soll nicht hinter heiligen Worten Zuflucht finden.


Und die Moral

Vom Bergkloster erzählte man sich noch lange, es sei ein Ort unerreichbarer Reinheit gewesen. Doch die, die dort gelebt hatten, wussten, dass Reinheit ohne Wahrheit nur ein Mantel war, unter dem sich Gewalt verstecken konnte.



So lehrt dieses Märchen, dass ein doppelter Standard die Liebe nicht vernichtet, sondern nur in dunkle Ecken treibt, wo sie sich in Angst und Macht verwandelt. Erst wenn Wünsche und Körper nicht mehr verteufelt werden, verliert die heimliche Gewalt ihren Schutzmantel – und aus dicken Mauern können Türen werden.

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