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Ein Alptraum namens CDU

Von Harvey11 Donnerstag 30.01.2025, 17:55 – geändert Donnerstag 30.01.2025, 19:35

Man fragt ja oft, was hat der sich dabei gedacht?
Hat er überhaupt was gedacht?
Kann der überhaupt denken oder ist der ein Getriebener?
Getrieben von wem oder was?
Oft muss man auch mal das Undenkbare denken.
Denn für ein Würfelspiel ist die Sache zu ernst.
Er wird alles auf eine Karte gesetzt haben.
Sein Ruf ist ja nicht der beste und er will es allen zeigen.
Bekommt die Union jetzt schon wieder einen Kanzler, den sie durchschleppen müssen, weil sich keiner traut ihm zu sagen: es geht nicht mehr, du schadest uns?
Was wäre, wenn die Union schon seit Jahren auf die Zusammenarbeit mit der AfD hingearbeitet hätte?

Ein reines Gedankenspiel, bitte auf gar keinen Fall ernst nehmen: Was wäre, wenn die Union die „Brandmauer“ nie wirklich gewollt hätte? Und schon seit Jahren konsequent auf die Zusammenarbeit mit der AfD hingearbeitet hätte? Was für Hinweise hätte es dazu geben müssen?

Zunächst hätte sie systematisch AfD-Positionen ins eigene Programm übernehmen müssen – auch solche, die sie in anderen Zusammenhängen als rechtsextrem gekennzeichnet hätte. Trotz anderslautender Behauptungen hätte sie auf kommunaler Ebene die Zusammenarbeit mit der AfD zugelassen – und nur interveniert, wenn das Medienecho zu groß geworden wäre (die Verantwortlichen wären jeweils mit sanften Ermahnungen davongekommen). Insbesondere der Osten wäre ein sehr gutes „Labor“ für solche Experimente gewesen.

Auf Bundesebene hätte sich die Partei programmatisch gegen alle Parteien links der AfD ausrichten müssen: monothematisch, mit einer Härte und einem Populismus, der künftige, gesichtswahrende Koalitionen mit diesen Parteien nahezu unmöglich machte. Schließlich müsste sie versuchen, ausgerechnet in der Woche des Holocaust-Gedenkens und trotz aller vorherigen Versprechungen, die Mordtat eines psychisch Kranken dazu zu nutzen, im Bundestag eine Art Thesenpapier zur Migration mit den Stimmen der AfD zu beschließen – trotz Widerstands der Kirchen, rechtlicher Bedenken oder mangelnder finanzieller Möglichkeiten.

Am selben Tag würde die merznahe „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ spaßeshalber einen „Wirtschaftswarntag“ abhalten – als groteske Parodie der Anti-AfD-Proteste vom letzten Jahr, der größten Protestbewegung in der Geschichte der Bundesrepublik. Dabei würden die CDU einkalkulieren, dass zum ersten Mal seit 1933 ein Antrag zusammen mit Stimmen der Rechtsextremen beschlossen würde – wenige Stunden nach einem Holocaust-Gedenken; noch in der Woche, in der ein AfD-Anhänger eine Gedenkstunde mit einem Messer attackiert hat.

Sie würden einkalkulieren, dass dieser Wortbruch vielleicht liberale CDU-Wähler verschrecken könnte – insgesamt stünde aber das rechte Lager gestärkt da, eine Zusammenarbeit mit der AfD ließe sich künftig noch leichter als „leider unvermeidlich“ begründen. Im Ergebnis würde dieser Dammbruch dann zu tausend „spontanen“ CDU-AfD-Allianzen in Ländern und Kommunen führen – stets mit dem Vorbild der Bundespartei. Das linke Lager wäre vollauf damit beschäftigt, jeden einzelnen dieser Vorgänge zu skandalisieren – während jeder von ihnen eine Koalition CDU-AfD weiter normalisieren würde.

Keine Angst, ich bin keineswegs unter die Verschwörungstheoretiker gegangen! Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, dass die meisten CDU-Leute nicht weiter als bis zum nächsten Sektempfang planen.

Für die Obszönitäten, die sie sich gerade leisten, dürfte viel eher der persönliche Ehrgeiz ausschlaggebend sein. Das Kabinett Trump, in welchem skrupellose Enkeltrickser ohne Sachkompetenz komplette Ministerien als Belohnung für Gefälligkeiten erhalten, noch dazu geschützt vor rechtsstaatlicher Verfolgung, muss für Glücksritter vom Schlage eines Amthor oder Guttenberg, muss nach der Masken- und Aserbaidschan-Affäre auch für viele in den Unionsparteien wie eine Verheißung klingen. Freilich übersehen sie dabei: Für sie ist diese Beute nicht vorgesehen. Kassieren werden andere.

Leo Fischer, Frankfurter Rundschau 30.1.2025

Leo Fischer ist Autor und war Chefredakteur des Satiremagazins „Titanic“.

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