An Anton M. Sprickmann - Droste-Hülshoff
Von Feierabend-Mitglied Donnerstag 13.06.2024, 08:12
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Ende Februar 1816
„Ich muss eine Weile aufhören zu schreiben, weil ich mich in Hinsicht des anhaltenden Bückens noch ein wenig in acht nehmen muss. Ich höre soeben, dass die Lerchen sich draußen schon recht lustig machen; also in den Garten! Ich bin doch den ganzen Winter noch nicht vor die Tür gekommen.
Ich komme soeben aus dem Garten. Gott! was für ein herrliches Wetter! Vor einigen Tagen noch im härtesten Winter und jetzt von der wärmsten Mailuft umweht! Die Luft ist fast schwül, und die ersten Frühlingsboten, Lerchen, Buchfinken, Spreen et. cet. machen ein Konzert, dass man fast sein eignes Wort nicht hören kann. Wenn die Wärme verhältnismäßig so zunehmen will, wie seit einigen Tagen, so werden wir noch vor Ende Februar in den Hundstagen sein.
Ich hatte, da ich noch ein kleines Mädchen war, immer die Idee, unsre Erde könne sich wohl einmal in eine ganz andere Lage drehen, und wir dadurch unter einen wärmeren Himmelsstrich versetzt werden; diese Hoffnung erneuerte sich jedes Mal, wenn das Wetter einige Tage besser war, wie es der Jahreszeit von Rechts wegen zukam. Man sollte aber jetzt von neuem in diesen Wahn fallen, da schon seit mehreren Jahren das Wetter ganz auffallende Geniestreiche macht. (…)
Ich schicke Ihnen hierbei ein kleines Gedicht…….„Unruhe“ - Es malt den Zustand meiner Seele
Droste-Hülshoff: Unruhe
Unruhe - Gedicht von Annette Freiin von Droste-Hülshoff (1797-184: 'Ich will hier ein wenig ruhn am Strande. / Sonnenstrahlen spielen auf dem Meere. / Seh ich doch der Wimpel weiße Heere. / Viele Schiffe ziehn zum fernen Lande. / Oh, ich möchte wie ein Vogel fliehen! / Mit den hellen Wimpeln möcht ich ziehen! / Weit, o weit, wo noch kein Fußtritt schallte, / Keines Menschen Stimme wiederhallte, / Noch kein Schiff durchschnitt die flüchtige Bahn! / Und noch weiter, endlos, ewig neu / Mich durch fremde Schöpfungen, voll Lust, / Hinzuschwingen fessellos und frei! / Oh, das pocht, das glüht in meiner Brust! / Rastlos treibts mich um im engen Leben. / Freiheit heißt der Seele banges Streben, / Und im Busen tönts Unendlichkeit! / Fesseln will man mich am eignen Herde! / Meine Sehnsucht nennt man Wahn und Traum. / Und mein Herz, dies kleine Klümpchen Erde, / Hat doch für die ganze Schöpfung Raum! / Doch stille, still, mein töricht Herz! / Willst vergebens du dich sehnen? / Aus lauter Vergeblichkeit hadernde Tränen / Ewig vergießen in fruchtlosem Schmerz? / Sei ruhig, Herz, und lerne dich bescheiden. / So will ich heim vom feuchten Strande kehren. / Hier zu weilen, tut nicht wohl. / Meine Träume drücken schwer mich nieder. / Und die alte Unruh kehret wieder. / Ich muß heim vom feuchten Strande kehren. / Wandrer auf den Wogen, fahret wohl! / Fesseln will man uns am eignen Herde! / Unsre Sehnsucht nennt man Wahn und Traum / Und das Herz, dies kleine Klümpchen Erde / Hat doch für die ganze Schöpfung Raum!'www.mumag.de
……… was ich vor einigen Wochen verfertigt habe; nehmen Sie es gütig auf, es malt den damaligen und eigentlich auch den jetzigen Zustand meiner Seele vollkommen, obschon diese fast fieberhafte Unruhe sich mit Verschwinden meines Übelbefindens einigermaßen gelegt hat.“
aus „Annette von Droste-Hülshoff: Ein Leben in Briefen“