Ausschnitt aus Rilke's Brief an Lou Andreas-Salomé
Von ehemaliges Mitglied Montag 11.03.2024, 08:43
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vom 21.12.1921
(...) Vor allem aber muss erst der stille Winter gewesen sein. Wenn er lang sein darf und ununterbrochen so hoffe ich doch ein wenig weiterzukommen, als voriges Jahr in Berg, wenn schon nicht, mich völlig einzuholen, so doch so weit, dass ich mich wieder im Abstand eines grösseren Atemholens vor mir hergehen sehe. Eine unglaubliche Schwierigkeit der Concentration ist mir aus der Unterbrochenheit der Kriegsjahre zurückgeblieben, deshalb kann ich ohne den Beistand dieses wörtlichsten Alleinseins nicht auskommen. Mehr denn je wird mir jedes Mitteilen zur Rivalität in der Leistung, und wie es ja wohl bei jedem der Fall wird, der mehr und mehr nur noch EINES meint und daher gebend, sei’s nach innen oder aussen, DIESES ausgibt, das Gleiche, Eine. Vor ein paar Tagen wurde mir ein Hund angeboten, Du kannst Dir vorstellen, welche Versuchung das war, besonders da die einsame Lage des Hauses das Vorhandensein eines Wächters beinahe ratsam macht. Aber ich fühlte gleich, dass auch dies schon viel zu viel Beziehung ergäbe, bei meinem Eingehen auf einen solchen Hausgenossen; alles Lebendige, das ANSPRUCH macht, stösst in mir auf ein unendliches Ihm-recht-geben, aus dessen Consequenzen ich mich dann schmerzlich wieder zurückziehen muss, wenn ich gewahre, dass sie mich völlig aufbrauchen. (...)