Bonhoeffer an seinen Freund Eberhard Bethge
Von Feierabend-Mitglied 19.11.2023, 09:50 – geändert 19.11.2023, 09:52
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Das Bild zeigt Bonhoeffer im Gefängnis
Bonhoeffer schrieb aus der Haft an seinen Freund Eberhard Bethge - Auszug
...... Und schließlich könnte ich ja nicht anders als mit Dir auch von Maria zu sprechen. Nun sind wir fast 1 Jahr verlobt und haben uns noch nie 1 Stunde allein gesehen! Ist das nicht ein Wahnsinn? Alles, was sonst zur Verlobungszeit gehört, das Sinnlich-erotische müssen wir bewusst verdrängen, unseren ersten Kuss haben wir uns vor Roeders Augen geben müssen. Wir müssen uns über Dinge unterhalten und schreiben, die uns beiden im Grunde nicht die wichtigsten sind, wir sitzen alle Monate eine Stunde brav wie auf der Schulbank nebeneinander und werden wieder auseinandergerissen, wir wissen so gut wie nichts voneinander, haben nichts miteinander erlebt, denn auch diese Monate erleben wir ja getrennt. Maria hält mich für einen Ausbund von Tugend, Musterhaftigkeit und Christlichkeit und ich muss, um ihr Beruhigung zu verschaffen, Briefe schreiben wie ein alter Märtyrer und ihr Bild von mir wird dadurch immer falscher. Ist das nicht für sie eine unmögliche Situation? (....) manchmal denke ich, ich hätte nun eigentlich mein Leben mehr oder weniger hinter mir und müsste nur noch meine Ethik fertigmachen. Aber weißt Du, in solchen Augenblicken fasst mich ein mit nichts anderem zu vergleichendes Verlangen danach, ein Kind zu haben und nicht spurlos abzutreten – wohl auch eher ein alttestamentlicher als neutestamentlicher Wunsch. ......